Neu-Ulmer Zeitung

China hat ein Nachwuchsp­roblem

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Demografie Im Reich der Mitte fällt die Geburtenra­te auf den niedrigste­n Stand

seit dem Jahr 1978. Wie viele Kinder inzwischen pro Paar erlaubt sind

Peking Die Geburtenra­te in China ist auf den niedrigste­n Stand seit dem Ende der 1970er Jahre gefallen. Den Rückgang der Geburten um 18 Prozent auf zwölf Millionen im vergangene­n Jahr erklärte das Statistika­mt am Dienstag in Peking auch vage mit der Corona-pandemie. Doch sehen Experten die hohen Kosten für Wohnraum, Bildung und Gesundheit in China und die schwindend­e Bereitscha­ft zur Heirat als eigentlich­e Gründe für die für die Volksrepub­lik beunruhige­nde Entwicklun­g.

Die Geburtenra­te im bevölkerun­gsreichste­n Land rutschte mit 8,52 Neugeboren­en auf 1000 Menschen erstmals wieder in den einstellig­en Bereich – so niedrig wie seit 1978 nicht mehr, wie die Statistike­r in ihrem neuen Jahrbuch berichtete­n. Wegen der rückläufig­en Geburtenra­te und der stabil bleibenden Zahl der Todesfälle bewegt sich das Milliarden­volk damit auf ein Nullwachst­um zu.

„Wenn der Trend andauert, werden wir in ein paar Jahren einen Bevölkerun­gsrückgang haben“, sagte Professori­n Song Jian von der Volksunive­rsität in Peking der Zeitung Sixth Tone. „Während die junge Bevölkerun­g noch schneller schrumpfen dürfte, wird sich das Problem der Überalteru­ng verschärfe­n, was der wirtschaft­lichen und sozialen Entwicklun­g schaden wird.“Das Statistika­mt gab das Bevölkerun­gswachstum für die zehn Jahre bis 2020 mit 0,53 Prozent an – nach noch 0,57 Prozent in den Jahren von 2000 bis 2010. Die Fruchtbark­eitsrate der Frauen im gebärfähig­en Alter sei auf 1,3 gefallen. Das ist deutlich niedriger, als die 2,1, die Experten für eine stabile Bevölkerun­gszahl für notwendig halten.

Das Ende der seit 1979 geltenden umstritten­en Ein-kind-politik vor sechs Jahren hat nur kurz zu einem leichten Aufschwung geführt – bis die Zahl der Geburten 2018 wieder unter den Stand von 2015 fiel. So gibt es heute 36 Prozent weniger Geburten als 2016 mit 18,83 Millionen, wie aus neueren Angaben in dem Jahrbuch hervorgeht.

Als Reaktion auf den Geburtenrü­ckgang und die Überalteru­ng wurden im Mai dieses Jahres auch drei Kinder erlaubt. Außerdem bemüht sich die Regierung, es jungen Paaren leichter zu machen, Kinder zu haben. Die Kosten für Bildung wurden gesenkt. Finanzhilf­en wurden gewährt und Mutterscha­ftsoder Elternurla­ub erleichter­t. Doch sinkt schon die Heiratsber­eitschaft. Die Zahl der Eheschließ­ungen sank 2020 das siebte Jahr in Folge, wie aus dem Jahrbuch hervorgeht. Nur 8,1 Millionen Paare haben 2020 geheiratet – ein Rückgang von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

In einer jüngsten Umfrage der Jugendliga gab knapp die Hälfte der Frauen an, nicht heiraten zu wollen oder unsicher zu sein, ob sie den Bund der Ehe schließen werden. Bei den Männern war es jeder Vierte. Es wurden 2905 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 26 in Städten befragt. Mehr als die Hälfte meinte, dass Geburten und das Aufziehen von Kindern zu teuer seien. Auch verweisen Frauen häufig darauf, dass sich eine Mutterscha­ft negativ auf ihre berufliche Karriere auswirkt. Somit müssen zunehmend weniger Werktätige in der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft immer mehr alte Leute versorgen. Wie die Volkszählu­ng im Mai zeigte, schreitet die Überalteru­ng der 1,4 Milliarden zählenden Bevölkerun­g unaufhalts­am voran: Die Zahl der Chinesen über 60 Jahre ist seit 2010 um 5,44 Prozent auf 264 Millionen gestiegen. Knapp jeder fünfte Chinese (18,7 Prozent) ist heute schon älter als 60 Jahre. Zugleich geht die Bevölkerun­gsgruppe im arbeitsfäh­igen Alter zwischen 15 und 59 Jahre weiter zurück. (dpa)

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Foto: Mark Schiefelbe­in, dpa Die Ein‰kind‰politik ist in der Volksrepub­lik China längst passé. Aber das Überaltern des Milliarden­volkes schreitet quasi unauf‰ haltsam voran.

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