Gastrofrust: „Haben den Schuss nicht gehört“
Pandemie Die Umsätze gehen zurück, Weihnachtsfeiern werden wieder abgesagt, und die Personalsituation wird nicht einfacher. Das sagen Wirte aus der Region zur Lage
Landkreis Veranstaltungen abgesagt, Sperrstunde und dazu noch 2G: Die Corona-pandemie trifft auch die Gastronomie im Kreis wieder stark. Der Frust bei den Wirtinnen und Wirten ist groß. „Ich zweifle an der Fähigkeit unserer Politiker“, sagt sogar einer von ihnen. Doch wie soll es weitergehen? An das Weihnachtsgeschäft glaubt keiner so wirklich mehr.
„Die Umsätze gehen gravierend zurück“, sagt zum Beispiel Barfüßer-chef Eberhard „Ebbo“Riedmüller. Das sei vor allem seit November zu spüren, als wieder verstärkt Regelung wie 3Gplus oder 2G eingeführt worden seien. Die Menschen würden keinen PCR-TEST machen lassen wollen, das sei ihnen zu teuer, vermutet Riedmüller. Die Folge: Die Wirtshäuser werden weniger besucht. „Wer weiß, wie das weitergeht“, sagt er.
Dabei sei die aktuelle Entwicklung ja vorausgesagt worden. „Man hätte viel früher reagieren können“, meint der Barfüßer-chef. „Ich zweifle an der Fähigkeit unserer Politiker.“Mit seinen Gaststätten unter anderem in Ulm und Weißenhorn muss er sich an die zwei unterschiedlichen Vorgaben aus Badenwürttemberg und Bayern halten. „Hier ist Ffp2-pflicht, da nicht. Hier gilt Sperrstunde, da aber nicht. Die haben doch alle den Schuss nicht mehr gehört“, so Riedmüller. „Das Virus ist auf der gesamten Welt – und nicht in jedem Bundesland anders.“
Riedmüller will nun vor seinen Lokalen wieder kleine Testzentren etablieren, wie das schon im Frühjahr der Fall war. Gespräche mit entsprechenden Anbietern würden bereits laufen. Jedoch gestalte sich wohl die Personalrekrutierung schwierig. Noch dazu kann er sich schwer vorstellen, dass die Menschen, die die Tests durchführen sollen, das in Zelten machen können. „Da friert man sich ja einen ab.“Der Barfüßer-chef will aber vermeiden, dass Gäste vor einem Besuch in einem seiner Lokale „einmal quer durch die Stadt tingeln müssen“. Bei allem Frust über aktuelle Gegebenheiten will er positiv bleiben: „Wir müssen das Beste daraus machen.“
Beim letzten Wirte-stammtisch sei die Stimmung noch ganz anders gewesen, sagt die Vorsitzende des
Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga im Kreis Neu-ulm, Bettina Seidl vom Gasthof Hirsch in Finningen. „Der Sommer war sehr gut und wir freuten uns auf den Dezember, den wollten alle jetzt mitnehmen.“Die Ernüchterung kam dann angesichts der steigenden Corona-zahlen in der Region. „Man hat doch alles gemacht, was nötig war, was von uns verlangt wurde“, beschreibt Seidl den Stimmungsumschwung. Jetzt steige der Frust auf die Ungeimpften. „Die Politik hat uns versprochen, dass der Herbst gut wird. Aber die Politik kann nichts dafür, wenn die Menschen nicht zum Impfen gehen.“
Aber auch bereits Geimpfte werden vorsichtiger – das merken die Gastrobetriebe auch am Rückgang der Weihnachtsfeiern, die bei ihnen gebucht werden. Bettina Seidl erzählt: „Kollegen wollen schon gar nicht mehr ans Telefon gehen, wenn es klingelt. Denn sie wissen, dass es eher eine Stornierung als eine Buchung sein wird.“Die Sprecherin hat jedoch Verständnis dafür, dass die Firmen vorsichtig seien. „Alle arbeiten mit Hygienekonzepten am Arbeitsplatz und wollen dann nicht bei einer gemütlichen Feier in einem Restaurant ein Risiko eingehen.“
Die monatelangen Schließungen haben viele Gastronomen dadurch überstanden, dass sie Essen zum Mitnehmen angeboten haben. Viele haben damit bereits wieder angefangen, Seidl beobachtet seit etwa zwei Wochen, wie die Angebote wieder publik gemacht werden. „Das war inzwischen fast weg, jetzt kommt es wieder.“Sorgen macht sich Seidl angesichts der Situation vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach den monatelangen Schließungen steht die Branche jetzt wieder vor ungewissen Zeiten. „Es ist derzeit schwierig, die Kollegen zu überzeugen, dass ihr Arbeitsplatz sicher ist.“Auch Nachwuchs sei immer schwieriger zu gewinnen. „Es gibt viele Jugendliche, die sich für die Gastronomie interessieren, eine Leidenschaft dafür haben. Aber meist sind es die Eltern, die dann abraten, weil die Lage so unsicher ist.“
Sebastiano Tsiaktanis ist Chef des Restaurants „Grieche am Schloss“in Babenhausen. „Das Geschäft ist sehr ruhig geworden“, berichtet er. „Alle Leute sind gebremst zur Zeit. Sie wissen nicht, was morgen kommt.“Aus Unsicherheit seien Feste wie Weihnachtsfeiern oder Hochzeiten sowie Treffen größerer Gruppen in seinem Gasthof abgesagt worden, erzählt Tsiaktanis. Aber neben der Kurzarbeit, von der einige Angestellte betroffen sind, erweist sich seiner Erfahrung nach auch die 2G-regel als Hindernis für die Gastronomie, weil sie einige Gäste abschrecke.
Viele Beschwerden müssen sich der Wirt und seine Angestellten anhören. Er müsse sich an die Regeln halten, betont Tsiaktanis, aber das würden einige nicht akzeptieren. Es gebe auch Missverständnisse. „Sehr viele von unseren Gästen sind sauer geworden.“Langfristig sind die derzeitigen Vorgaben aus Sicht des Restaurantchefs keine Lösung. „Wir müssen weiter kämpfen“, sagt er.
Bettina Seidl hat andere Erfahrungen gemacht. „Der Zuspruch unserer Gäste zeigt uns, dass sie sich mit den eingehaltenen Regeln bei uns sicher fühlen.“Selbst die älteren Gäste zückten anstandslos ihr Smartphone, um den Impf- oder Genesenen-nachweis vorzuzeigen. Nach dem Lockdown habe sich gezeigt, wie sehr die Gastronomie nach wie vor gebraucht werde. „Die Leute haben regelrecht gelechzt nach uns.“
Gerade die Stammgäste hätten sehr viele schöne Worte für die Gastronomen übrig gehabt: „Bitte haltet unbedingt durch, wir brauchen euch“, hätten viele gesagt. Seidl hofft, dass dies auch weiterhin so bleibe.
Die Branche brauche gerade jetzt Solidarität. „Das einzige, was ich mir wünschen würde, ist, dass die Leute wirklich zum Impfen gehen. Man kann diese Pandemie weltweit nur gemeinsam bekämpfen. Da helfen uns keine Versprechen von Politikern – sondern nur, dass wir alle gemeinsam etwas tun.“