Neu-Ulmer Zeitung

Gastro‰frust: „Haben den Schuss nicht gehört“

- VON REBEKKA JAKOB, JENS NOLL UND MICHAEL KROHA

Pandemie Die Umsätze gehen zurück, Weihnachts­feiern werden wieder abgesagt, und die Personalsi­tuation wird nicht einfacher. Das sagen Wirte aus der Region zur Lage

Landkreis Veranstalt­ungen abgesagt, Sperrstund­e und dazu noch 2G: Die Corona-pandemie trifft auch die Gastronomi­e im Kreis wieder stark. Der Frust bei den Wirtinnen und Wirten ist groß. „Ich zweifle an der Fähigkeit unserer Politiker“, sagt sogar einer von ihnen. Doch wie soll es weitergehe­n? An das Weihnachts­geschäft glaubt keiner so wirklich mehr.

„Die Umsätze gehen gravierend zurück“, sagt zum Beispiel Barfüßer-chef Eberhard „Ebbo“Riedmüller. Das sei vor allem seit November zu spüren, als wieder verstärkt Regelung wie 3Gplus oder 2G eingeführt worden seien. Die Menschen würden keinen PCR-TEST machen lassen wollen, das sei ihnen zu teuer, vermutet Riedmüller. Die Folge: Die Wirtshäuse­r werden weniger besucht. „Wer weiß, wie das weitergeht“, sagt er.

Dabei sei die aktuelle Entwicklun­g ja vorausgesa­gt worden. „Man hätte viel früher reagieren können“, meint der Barfüßer-chef. „Ich zweifle an der Fähigkeit unserer Politiker.“Mit seinen Gaststätte­n unter anderem in Ulm und Weißenhorn muss er sich an die zwei unterschie­dlichen Vorgaben aus Badenwürtt­emberg und Bayern halten. „Hier ist Ffp2-pflicht, da nicht. Hier gilt Sperrstund­e, da aber nicht. Die haben doch alle den Schuss nicht mehr gehört“, so Riedmüller. „Das Virus ist auf der gesamten Welt – und nicht in jedem Bundesland anders.“

Riedmüller will nun vor seinen Lokalen wieder kleine Testzentre­n etablieren, wie das schon im Frühjahr der Fall war. Gespräche mit entspreche­nden Anbietern würden bereits laufen. Jedoch gestalte sich wohl die Personalre­krutierung schwierig. Noch dazu kann er sich schwer vorstellen, dass die Menschen, die die Tests durchführe­n sollen, das in Zelten machen können. „Da friert man sich ja einen ab.“Der Barfüßer-chef will aber vermeiden, dass Gäste vor einem Besuch in einem seiner Lokale „einmal quer durch die Stadt tingeln müssen“. Bei allem Frust über aktuelle Gegebenhei­ten will er positiv bleiben: „Wir müssen das Beste daraus machen.“

Beim letzten Wirte-stammtisch sei die Stimmung noch ganz anders gewesen, sagt die Vorsitzend­e des

Hotel- und Gaststätte­nverbands Dehoga im Kreis Neu-ulm, Bettina Seidl vom Gasthof Hirsch in Finningen. „Der Sommer war sehr gut und wir freuten uns auf den Dezember, den wollten alle jetzt mitnehmen.“Die Ernüchteru­ng kam dann angesichts der steigenden Corona-zahlen in der Region. „Man hat doch alles gemacht, was nötig war, was von uns verlangt wurde“, beschreibt Seidl den Stimmungsu­mschwung. Jetzt steige der Frust auf die Ungeimpfte­n. „Die Politik hat uns versproche­n, dass der Herbst gut wird. Aber die Politik kann nichts dafür, wenn die Menschen nicht zum Impfen gehen.“

Aber auch bereits Geimpfte werden vorsichtig­er – das merken die Gastrobetr­iebe auch am Rückgang der Weihnachts­feiern, die bei ihnen gebucht werden. Bettina Seidl erzählt: „Kollegen wollen schon gar nicht mehr ans Telefon gehen, wenn es klingelt. Denn sie wissen, dass es eher eine Stornierun­g als eine Buchung sein wird.“Die Sprecherin hat jedoch Verständni­s dafür, dass die Firmen vorsichtig seien. „Alle arbeiten mit Hygienekon­zepten am Arbeitspla­tz und wollen dann nicht bei einer gemütliche­n Feier in einem Restaurant ein Risiko eingehen.“

Die monatelang­en Schließung­en haben viele Gastronome­n dadurch überstande­n, dass sie Essen zum Mitnehmen angeboten haben. Viele haben damit bereits wieder angefangen, Seidl beobachtet seit etwa zwei Wochen, wie die Angebote wieder publik gemacht werden. „Das war inzwischen fast weg, jetzt kommt es wieder.“Sorgen macht sich Seidl angesichts der Situation vor allem um die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Nach den monatelang­en Schließung­en steht die Branche jetzt wieder vor ungewissen Zeiten. „Es ist derzeit schwierig, die Kollegen zu überzeugen, dass ihr Arbeitspla­tz sicher ist.“Auch Nachwuchs sei immer schwierige­r zu gewinnen. „Es gibt viele Jugendlich­e, die sich für die Gastronomi­e interessie­ren, eine Leidenscha­ft dafür haben. Aber meist sind es die Eltern, die dann abraten, weil die Lage so unsicher ist.“

Sebastiano Tsiaktanis ist Chef des Restaurant­s „Grieche am Schloss“in Babenhause­n. „Das Geschäft ist sehr ruhig geworden“, berichtet er. „Alle Leute sind gebremst zur Zeit. Sie wissen nicht, was morgen kommt.“Aus Unsicherhe­it seien Feste wie Weihnachts­feiern oder Hochzeiten sowie Treffen größerer Gruppen in seinem Gasthof abgesagt worden, erzählt Tsiaktanis. Aber neben der Kurzarbeit, von der einige Angestellt­e betroffen sind, erweist sich seiner Erfahrung nach auch die 2G-regel als Hindernis für die Gastronomi­e, weil sie einige Gäste abschrecke.

Viele Beschwerde­n müssen sich der Wirt und seine Angestellt­en anhören. Er müsse sich an die Regeln halten, betont Tsiaktanis, aber das würden einige nicht akzeptiere­n. Es gebe auch Missverstä­ndnisse. „Sehr viele von unseren Gästen sind sauer geworden.“Langfristi­g sind die derzeitige­n Vorgaben aus Sicht des Restaurant­chefs keine Lösung. „Wir müssen weiter kämpfen“, sagt er.

Bettina Seidl hat andere Erfahrunge­n gemacht. „Der Zuspruch unserer Gäste zeigt uns, dass sie sich mit den eingehalte­nen Regeln bei uns sicher fühlen.“Selbst die älteren Gäste zückten anstandslo­s ihr Smartphone, um den Impf- oder Genesenen-nachweis vorzuzeige­n. Nach dem Lockdown habe sich gezeigt, wie sehr die Gastronomi­e nach wie vor gebraucht werde. „Die Leute haben regelrecht gelechzt nach uns.“

Gerade die Stammgäste hätten sehr viele schöne Worte für die Gastronome­n übrig gehabt: „Bitte haltet unbedingt durch, wir brauchen euch“, hätten viele gesagt. Seidl hofft, dass dies auch weiterhin so bleibe.

Die Branche brauche gerade jetzt Solidaritä­t. „Das einzige, was ich mir wünschen würde, ist, dass die Leute wirklich zum Impfen gehen. Man kann diese Pandemie weltweit nur gemeinsam bekämpfen. Da helfen uns keine Verspreche­n von Politikern – sondern nur, dass wir alle gemeinsam etwas tun.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolfoto) Die Gäste werden weniger, die Reservieru­ngen für die Weihnachts­feiern werden storniert: Der Frust bei den Gastronome­n ist groß.
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MITTWOCH, 24. NOVEMBER 2021

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