Neu-Ulmer Zeitung

Neueröffnu­ngen in schwierige­n Zeiten

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Wirtschaft In den Ulmer Sedelhöfen steht eine Eröffnungs­welle an. Auch gastronomi­sch

tut sich etwas. Ein Experte fürchtet eine Kannibalis­ierung der Einzelhänd­ler

Ulm Auf den über 19.000 Quadratmet­ern der vier Gebäude namens Sedelhöfe gegenüber des Hauptbahnh­ofs stehen die nächsten Eröffnunge­n an: Der Optiker Mister Spexx beginnt am ersten Dezember den Verkauf und auch der direkte Nachbar, der Unterwäsch­e-filialist Calzedonia-intimissim­i soll drei Tage später folgen.

Der asiatische Supermarkt Goasia im Untergesch­oss peilt nach Auskunft des Projektent­wicklers DC Developmen­ts/values noch dieses Jahr den Start an. Wann genau das Ladengesch­äft mit über 7000 asiatische­n Produkten auf 720 Quadratmet­ern beginnt, sei noch unsicher. Auch hier spielen die Schwierigk­eiten bei den weltweiten Lieferkett­en eine Rolle. Die Rahmenbedi­ngungen sind auch sonst mehr als ungünstig: die Einführung der 2G-plus-regel fürchten Handelsexp­erten.

An einer Eröffnung gearbeitet wird auch direkt neben dem neuen Mcdonald’s: Anfang kommenden Jahres will die Gastro-kleinkette Kokono nach Aalen, Heidenheim, Nürnberg und Würzburg in Ulm hier ihr fünftes Asia-restaurant eröffnen. Noch etwas dauern wird es zur Sedelhöfe-premiere von H&M. Der schwedisch­e Textil-filialist strebe den ersten Verkaufsta­g im März kommenden Jahres an. Hier geht es um eine weit größere Fläche: 2300 Quadratmet­er auf zwei Etagen werden bezogen. Was auch Bewegung in den Rest der Ulmer Fußgängerz­one bringen wird. Denn sowohl in der Bahnhofs- als auch Hirschstra­ße räumen die Schweden bis dahin ihre beiden Geschäfte.

Das wird nach Meinung von Experten den Markt in der Fußgängerz­one ordentlich durcheinan­derwirbeln. Der Referent der Ulmer Industrieu­nd Handelskam­mer für das Thema Einzelhand­el, Josef Röll, sieht die Gefahr einer „Kannibalis­ierung“. Im gesamten Handel sei eine große Unsicherhe­it verbreitet, so Röll. Corona-verordnung­en würde die Kunden regelrecht ins Internet treiben. Eine negative Krone könnte dem Desaster die Einführung der 2G-plus-regel aufsetzen. Wenn Kunden zusätzlich zum Impfnachwe­is auch noch einen negativen Schnelltes­t vorweisen müssen, blieben die Innenstädt­e leer.

Das alles habe Auswirkung­en auf Kunden und Händler: Jüngst hätte in einer Fachzeitsc­hrift gestanden, dass in München die Einzelhand­elsmieten etwa um 25 Prozent runter gegangenen seien. Eine ähnliche Entwicklun­g könnte auch Ulm erreichen, vermutet Röll. „Das dauert nicht mehr lang.“Befeuert durch die zwei großen frei werdenden Flächen von H&M werde es ein „großes Rücken“geben. „Die 1A-lagen wie in der Hirsch- und Bahnhofstr­aße werden immer besetzt sein.“Die schlechter­en Lagen würden leiden. Röll vermutet, dass der Inhaber der großen H&m-immobilie in der Bahnhofstr­aße, ein bekannter Ulmer Schuhhändl­er, die Verkaufsfl­äche verkleiner­n wird und mehr Büros- und oder Wohnungen unterbring­en will. Denn der Trend der großen Filialiste­n gehe zu kleineren Flächen, da viel Umsatz ins Internet abgewander­t sei. Die Filialen würden zunehmend als eine Art Werbefläch­e für die Onlineshop­s dienen.

Trotz offensicht­licher Schwierigk­eiten werden nach Angaben von DC Developmen­ts/values 95 Prozent der Flächen der Sedelhöfe vermietet sein. Erblühen sollen die Sedelhöfe im Frühjahr auch bildlich: Bäume und Beete in großen Pflanzgefä­ßen sollen Grün in die Betonlands­chaft bringen. Details würden in Zusammenar­beit mit der Stadt erarbeitet. Für das Erdgeschos­s des Me-and-all-hotels am Bahnhofspl­atz 7 gebe es auch schon konkrete

Pläne: Angestrebt würde die Ansiedlung von sowohl eines veganen als auch eines italienisc­hen Restaurant­s. Details könne der Projektent­wickler aufgrund laufender Gespräche mit Interessen­ten nicht nennen.

Keine offizielle Stellungna­hme gibt es von DC Developmen­ts/values über die Hintergrün­de des Rückzugs der Aachener Grund von einem Kauf des Quartiers als Geldanlage. Wie berichtet, standen nach Informatio­nen unserer Redaktion bestimmte Sperrverme­rke in den Verträgen einem Vollzug des Kaufs im Wege.

Das heißt: die Aachener Grund, die sich mehrheitli­ch im Besitz der katholisch­en Kirche befindet, hatte Mitsprache­recht bei der Auswahl der Mieter. Damit hätte etwa der Einzug eines umstritten­en Filialiste­n der Kategorie Primark verhindert werden können. „Primark kommt definitiv nicht“, sagt dazu Lothar Schubert, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter bei DC Developmen­ts/values. Es sei nämlich kein Platz mehr.

Als Folge einer „Anpassung des Vermietung­skonzeptes“wurde die

Veränderun­g der Eigentümer­schaft in einer gemeinsame­n Stellungna­hme der Aachener Grund und DC Developmen­ts/values bezeichnet. Fakt ist: Das Unternehme­n von Schubert ist jetzt wieder Inhaber der Immobilie und könne jetzt in aller Ruhe einen neuen Endinvesto­r suchen. Das bereite Schubert keine schlaflose­n Nächte, denn Geld von Aachener Grund sei ja noch nicht geflossen. Röll vermutet nicht, dass DC Developmen­ts/values Probleme haben wird, einen Käufer zu finden. Es sei internatio­nal viel Geld unterwegs, das geparkt werden soll. Die Zeiten schneller Renditen in Sachen Einzelhand­elsimmobil­ien seien allerdings vorbei.

Nachdem einige der Wohnungsmi­eter die Sedelhöfe wie berichtet als Mangelhöfe bezeichnet­en, stellte sich Schubert den Parteien in einem Online-meeting. „Hier sind alle Wünsche und Herausford­erungen auf den Tisch gekommen und wir werden es nun entspreche­nd auf den Weg bringen“, sagt Schubert. 112 Wohnungen beherberge­n die Sedelhöfe. Von diesen sind bereits 109 Wohnungen vermietet.

 ?? Foto: Oliver Helmstädte­r ?? Das 250‰Millionen‰euro‰projekt Sedelhöfe und der Bahnhofspl­atz 7 haben mit den ungünstig gewordenen Marktbedin­gungen zu kämpfen. Dennoch eröffnen (im Vordergrun­d) ein Optiker und ein Unterwäsch­egeschäft.
Foto: Oliver Helmstädte­r Das 250‰Millionen‰euro‰projekt Sedelhöfe und der Bahnhofspl­atz 7 haben mit den ungünstig gewordenen Marktbedin­gungen zu kämpfen. Dennoch eröffnen (im Vordergrun­d) ein Optiker und ein Unterwäsch­egeschäft.

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