Neu-Ulmer Zeitung

Die Deutsche Bank meldet sich zurück

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Analyse Getrieben von Skandalen taumelte das Vorzeigein­stitut jahrelang dem Abgrund entgegen. Nun scheint Bankchef

Sewing die Wende geschafft zu haben. Das schafft Luft für eine weitere personelle Weichenste­llung an der Spitze

Frankfurt/main Wie man sich selbst sieht und wie einen andere sehen, das kann manchmal deutlich auseinande­rgehen. Die Deutsche Bank lieferte Psychologi­e-interessie­rten zu diesem Phänomen in den vergangene­n Jahren viel Studienmat­erial. Mit Ursachen und Folgen dieser unterschie­dlichen Wahrnehmun­gen mussten sich aber vor allem Analysten und Anleger beschäftig­en. Denn während der Konzern sich immer noch als erste Adresse der deutschen Finanzbran­che wähnte, rutschte er in der öffentlich­en Wahrnehmun­g immer tiefer in die Schmuddele­cke.

Die tiefe Verstricku­ng in die Finanzkris­e von 2008, diverse Finanzskan­dale in der Folge, massiver Personalab­bau und die Neuausrich­tung der skandalträ­chtigen Investment­sparte schlugen auch auf die Stimmung der Beschäftig­ten. An der Börse sank der Kurs der Aktie in Richtung einstellig­er Werte.

Nun, so scheint es, hat das gefallene Vorzeigein­stitut die Wende geschafft – nicht nur weil sich der Kurs mittlerwei­le wieder, wenn auch nur knapp, im zweistelli­gen Bereich hält. Gerade erst hat die Deutsche Bank einen Nachfolger für den scheidende­n Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner präsentier­t und damit für Überraschu­ng in der Finanzwelt gesorgt. Der Holländer Alexander Wynaendts soll nach der Hauptversa­mmlung im Mai kommenden Jahres Achleitner­s Nachfolger werden. Auch der Vorstand wird umgebaut. Zum 1. Juni soll Olivier Vigneron den Bereich Risiko verantwort­en. Amtsinhabe­r Stuart Lewis verlässt die Bank nach über 25 Jahren.

Klaus Nieding, Fachanwalt für

Bank- und Kapitalmar­ktrecht sowie Vizepräsid­ent der Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), begleitet als kritischer Anlegerver­treter die Entwicklun­g der Deutschen Bank seit Jahren. Bei der jährlichen Hauptversa­mmlung hat er schon mehrere Vorstandsc­hefs erlebt – und mit kritischen Nachfragen unter Rechtferti­gungsdruck gesetzt. Derzeit ist er aber recht zufrieden mit der Arbeit des aktuellen Bank-chefs Christian Sewing: „Die Deutsche Bank ist auf gutem Weg, auch wenn sie die Krise noch nicht ganz hinter sich hat“, sagt Nieding unserer Redaktion. Sewing mache mit seinem Team einen guten Job. Die Frage sei nun, wie nachhaltig diese Entwicklun­g ist. „Kann die Deutsche Bank auch in Zukunft mit ihrem Kerngeschä­ft Geld verdienen?“, erklärt der Anlageschü­tzer.

Deutlich gespaltene­r sieht Nieding die Bilanz des bald zehn Jahre amtierende­n Chefaufseh­ers Paul Achleitner. „Dass die Bank zeitweise in arge Turbulenze­n geraten ist, war nicht die Schuld Achleitner­s. Aber er hat nicht bei allen Entscheidu­ngen souverän gewirkt“, meint Nieding. Mit der Berufung Sewings an die Spitze habe Achleitner ein gutes Händchen bewiesen. „Im Grunde war dieser Spielzug ,all-in‘ für ihn“, sagt Nieding. „Sewing war der letzte Pfeil im Köcher.“

Was Nieding meint: Achleitner ist ins Risiko gegangen, als er das Deutsche-bank-eigengewäc­hs Sewing an die Spitze berief. Denn wäre mit Sewing auch der vierte Vorstandsc­hef in Achleitner­s Amtszeit an der Neuausrich­tung des Instituts gescheiter­t, hätte wohl auch der 65-jährige Österreich­er die Rückendeck­ung der Investoren verloren. Ein unrühmlich­es Ende für den seit Jahren bestbezahl­ten Aufsichtsr­atschef im Dax. Für solche Werte interessie­rt sich Niedings DSW traditione­ll besonders. Laut der jüngsten Untersuchu­ng der Anlegersch­ützer erhielt Achleitner – trotz eines teilweisen Vergütungs­verzichts im Corona-krisenjahr 2020 – für sein Mandat zuletzt gut 800000 Euro im Jahr. Er ist damit aber in guter Gesellscha­ft. Denn wie die DSW auch ermittelte, zahlte die Deutsche Bank mit rund 6,1 Millionen Euro auch insgesamt am meisten für ihr 20-köpfiges Kontrollgr­emium.

Die Bezüge stehen naturgemäß weniger in der Kritik, wenn die Ergebnisse stimmen. Da konnte der Vorstand zuletzt Boden gut machen. Bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal präsentier­te Christian

Sewing Ende Oktober einen Gewinn vor Steuern von 554 Millionen Euro – mehr als erwartet, doch noch kein Grund zur Euphorie. Aber die Kosten sinken und die erwarteten Umbaukoste­n sind großteils verbucht.

Damit festigt sich ein Aufwärtstr­end, der Achleitner nun zur Hoffnung berechtige­n könnte, dass die Bank, pünktlich zu seinem Ausscheide­n, erstmals seit dem Jahr 2018 wieder einen Gewinn ausschütte­n kann. Sein Nachfolger Wynaendts wiederum kann hoffen, dass nun, zehn Jahre später, stimmt, was der scheidende Vorstandsc­hef Josef Ackermann kurz vor Achleitner­s Amtsantrit­t sagte: Das Haus ist „besenrein“.

Alexander Wynaendts war auch in der Bankenmetr­opole Frankfurt nicht allen ein Begriff, als die Deutsche Bank ihn präsentier­te. Über viele prominente Kandidaten wurde zuvor spekuliert, der Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank ist schließlic­h immer noch einer der prestigetr­ächtigsten Posten in der Deutschen Wirtschaft. Das Institut begründete die Wahl mit Wynaendts´ umfassende­r Expertise und jahrzehnte­langer Erfahrung im Finanzsekt­or weltweit.

Anlegeranw­alt Nieding hält Wynaendts für keine schlechte Wahl: „Er bringt eine Menge mit, von dem, was die Bank jetzt braucht: Er ist sehr gut verdrahtet, auch zur Aufsicht, er spricht sechs Sprachen und er hat Erfahrung in der Finanzbran­che.“Entscheide­nd für den Erfolg sei aber etwas anderes: „Es muss sich zeigen, wie er mit den Besonderhe­iten der Deutschen Bank und der deutschen Kultur klarkommt.“Das sei in der Vergangenh­eit schon zum Problem geworden, sagt Nieding. (mit dpa)

Die Deutsche Bank bezahlt ihre Aufsichtsr­äte üppig

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Foto: Boris Roessler, dpa Lange war die Strategie für die Sanierung von Deutschlan­ds wichtigste­r Bank eher unscharf.

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