Die Deutsche Bank meldet sich zurück
Analyse Getrieben von Skandalen taumelte das Vorzeigeinstitut jahrelang dem Abgrund entgegen. Nun scheint Bankchef
Sewing die Wende geschafft zu haben. Das schafft Luft für eine weitere personelle Weichenstellung an der Spitze
Frankfurt/main Wie man sich selbst sieht und wie einen andere sehen, das kann manchmal deutlich auseinandergehen. Die Deutsche Bank lieferte Psychologie-interessierten zu diesem Phänomen in den vergangenen Jahren viel Studienmaterial. Mit Ursachen und Folgen dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen mussten sich aber vor allem Analysten und Anleger beschäftigen. Denn während der Konzern sich immer noch als erste Adresse der deutschen Finanzbranche wähnte, rutschte er in der öffentlichen Wahrnehmung immer tiefer in die Schmuddelecke.
Die tiefe Verstrickung in die Finanzkrise von 2008, diverse Finanzskandale in der Folge, massiver Personalabbau und die Neuausrichtung der skandalträchtigen Investmentsparte schlugen auch auf die Stimmung der Beschäftigten. An der Börse sank der Kurs der Aktie in Richtung einstelliger Werte.
Nun, so scheint es, hat das gefallene Vorzeigeinstitut die Wende geschafft – nicht nur weil sich der Kurs mittlerweile wieder, wenn auch nur knapp, im zweistelligen Bereich hält. Gerade erst hat die Deutsche Bank einen Nachfolger für den scheidenden Aufsichtsratschef Paul Achleitner präsentiert und damit für Überraschung in der Finanzwelt gesorgt. Der Holländer Alexander Wynaendts soll nach der Hauptversammlung im Mai kommenden Jahres Achleitners Nachfolger werden. Auch der Vorstand wird umgebaut. Zum 1. Juni soll Olivier Vigneron den Bereich Risiko verantworten. Amtsinhaber Stuart Lewis verlässt die Bank nach über 25 Jahren.
Klaus Nieding, Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vizepräsident der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), begleitet als kritischer Anlegervertreter die Entwicklung der Deutschen Bank seit Jahren. Bei der jährlichen Hauptversammlung hat er schon mehrere Vorstandschefs erlebt – und mit kritischen Nachfragen unter Rechtfertigungsdruck gesetzt. Derzeit ist er aber recht zufrieden mit der Arbeit des aktuellen Bank-chefs Christian Sewing: „Die Deutsche Bank ist auf gutem Weg, auch wenn sie die Krise noch nicht ganz hinter sich hat“, sagt Nieding unserer Redaktion. Sewing mache mit seinem Team einen guten Job. Die Frage sei nun, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. „Kann die Deutsche Bank auch in Zukunft mit ihrem Kerngeschäft Geld verdienen?“, erklärt der Anlageschützer.
Deutlich gespaltener sieht Nieding die Bilanz des bald zehn Jahre amtierenden Chefaufsehers Paul Achleitner. „Dass die Bank zeitweise in arge Turbulenzen geraten ist, war nicht die Schuld Achleitners. Aber er hat nicht bei allen Entscheidungen souverän gewirkt“, meint Nieding. Mit der Berufung Sewings an die Spitze habe Achleitner ein gutes Händchen bewiesen. „Im Grunde war dieser Spielzug ,all-in‘ für ihn“, sagt Nieding. „Sewing war der letzte Pfeil im Köcher.“
Was Nieding meint: Achleitner ist ins Risiko gegangen, als er das Deutsche-bank-eigengewächs Sewing an die Spitze berief. Denn wäre mit Sewing auch der vierte Vorstandschef in Achleitners Amtszeit an der Neuausrichtung des Instituts gescheitert, hätte wohl auch der 65-jährige Österreicher die Rückendeckung der Investoren verloren. Ein unrühmliches Ende für den seit Jahren bestbezahlten Aufsichtsratschef im Dax. Für solche Werte interessiert sich Niedings DSW traditionell besonders. Laut der jüngsten Untersuchung der Anlegerschützer erhielt Achleitner – trotz eines teilweisen Vergütungsverzichts im Corona-krisenjahr 2020 – für sein Mandat zuletzt gut 800000 Euro im Jahr. Er ist damit aber in guter Gesellschaft. Denn wie die DSW auch ermittelte, zahlte die Deutsche Bank mit rund 6,1 Millionen Euro auch insgesamt am meisten für ihr 20-köpfiges Kontrollgremium.
Die Bezüge stehen naturgemäß weniger in der Kritik, wenn die Ergebnisse stimmen. Da konnte der Vorstand zuletzt Boden gut machen. Bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal präsentierte Christian
Sewing Ende Oktober einen Gewinn vor Steuern von 554 Millionen Euro – mehr als erwartet, doch noch kein Grund zur Euphorie. Aber die Kosten sinken und die erwarteten Umbaukosten sind großteils verbucht.
Damit festigt sich ein Aufwärtstrend, der Achleitner nun zur Hoffnung berechtigen könnte, dass die Bank, pünktlich zu seinem Ausscheiden, erstmals seit dem Jahr 2018 wieder einen Gewinn ausschütten kann. Sein Nachfolger Wynaendts wiederum kann hoffen, dass nun, zehn Jahre später, stimmt, was der scheidende Vorstandschef Josef Ackermann kurz vor Achleitners Amtsantritt sagte: Das Haus ist „besenrein“.
Alexander Wynaendts war auch in der Bankenmetropole Frankfurt nicht allen ein Begriff, als die Deutsche Bank ihn präsentierte. Über viele prominente Kandidaten wurde zuvor spekuliert, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank ist schließlich immer noch einer der prestigeträchtigsten Posten in der Deutschen Wirtschaft. Das Institut begründete die Wahl mit Wynaendts´ umfassender Expertise und jahrzehntelanger Erfahrung im Finanzsektor weltweit.
Anlegeranwalt Nieding hält Wynaendts für keine schlechte Wahl: „Er bringt eine Menge mit, von dem, was die Bank jetzt braucht: Er ist sehr gut verdrahtet, auch zur Aufsicht, er spricht sechs Sprachen und er hat Erfahrung in der Finanzbranche.“Entscheidend für den Erfolg sei aber etwas anderes: „Es muss sich zeigen, wie er mit den Besonderheiten der Deutschen Bank und der deutschen Kultur klarkommt.“Das sei in der Vergangenheit schon zum Problem geworden, sagt Nieding. (mit dpa)
Die Deutsche Bank bezahlt ihre Aufsichtsräte üppig