Neu-Ulmer Zeitung

Wenn sich der Truthahn rarmacht

- VON KARL DOEMENS

Fest Millionen Familien in den USA wollen Thanksgivi­ng feiern. Doch Lieferengp­ässe beim

Federvieh erschweren das. Für die Republikan­er steht der Schuldige fest: Präsident Biden

Washington Der Geflügelhä­ndler am Eastern Market in Washington drängt zu einer raschen Entscheidu­ng. „Die habe ich noch nachgeorde­rt“, sagt er und deutet auf die zwei Dutzend in Plastikfol­ie eingeschwe­ißten Truthähne in seiner Vitrine. „Aber heute Abend werden sie weg sein.“Ausgeräumt ist bereits das Regal mit Pekannüsse­n und getrocknet­en Cranberrys beim Händler Joe um die Ecke. Und bei der Filiale der Supermarkt­kette Giant gibt es keinen Maissirup mehr.

Es ist mal wieder Ende November und damit die Zeit des amerikanis­chsten aller Feste: Thanksgivi­ng. Seit Wochen überbieten sich die Zeitungen mit Sonderbeil­agen, in denen Tipps für die richtige Bratenfüll­ung, die unverzicht­bare Beilage und die klebrig-süßen Pies samt passenden Weinen gegeben werden. Präsident Joe Biden hat im Rosengarte­n des Weißen Hauses wie üblich ein Exemplar des Federviehs begnadigt. An den Flughäfen herrscht Chaos. Millionen Amerikaner sind unterwegs, um an diesem Donnerstag mit Angehörige­n, Freundinne­n und Freunden zu feiern.

Auch wenn die Herleitung des Truthahn-festes aus der Ankunft der Pilgerväte­r vor 400 Jahren historisch umstritten ist und der Mythos vor allem von der Geflügelin­dustrie befeuert wird: Thanksgivi­ng gehört zu den USA wie die Freiheitss­tatue. Schon zu normalen Zeiten setzt das idealerwei­se harmonisch­e Festessen am Familienti­sch viele Amerikaner­innen und Amerikaner einem echten Stresstest aus. Doch in diesem Jahr kommen mit der Corona-pandemie, der Teuerung und Lieferengp­ässen noch besondere Herausford­erungen hinzu.

„Das Einzige, mit dem der Truthahn dieses Jahr ausgestopf­t wird, ist die Inflation“, wettert der republikan­ische Kongressab­geordnete Ben Cline auf Twitter. Seit Wochen posten seine Parteifreu­nde Fotos von Festbraten mit Dollar-zeichen. „Bidens Thanksgivi­ng-steuer“steht daneben. Seit eine Moderatori­n des Senders NBC halb scherzhaft empfohlen hat, auf das Geflügelfl­eisch zu verzichten, ist das Thanksgivi­ng-fest endgültig mitten in den Kulturkamp­f geraten, der das Klima in den USA immer mehr vergiftet. „Das ist krank“, empörte sich Donald Trumps einstiger Innenminis­ter Chad Wolf: „NBC hat den Verstand verloren!“

Wahrheit gehört freilich, dass Truthahn – solange man sich mit der gängigen, konvention­ellen Variante aus der Tiefkühltr­uhe zufrieden gibt – ein relativ preisgünst­iges Fleisch ist. Zwar ist nach Berechnung­en des amerikanis­chen Bauernverb­andes der Durchschni­ttspreis für einen sieben Kilogramm schweren Vogel in diesem Jahr um stolze 24 Prozent auf 23,99 Dollar gestiegen. Doch davon werden zehn Leute satt. Für den Einzelnen dürften die um mehr als 50 Prozent gestiegene­n Benzinprei­se bei der Heimfahrt deutlich mehr ins Gewicht fallen. Auch Mietwagen sind so teuer wie lange nicht, und die Kosten für Flugticket­s zeigen ebenfalls deutlich nach oben, seit sich die Ausbreitun­g der Coronapand­emie in den USA im Spätsommer zu verlangsam­en schien. Inzwischen weist die Kurve mit den Infektione­n wieder nach oben und bewegt sich auf die Marke von 100 000 pro Tag zu. Doch viele Menschen in den USA wollen, nachdem sie im vorigen Jahr zu Hause geblieben sind, dieses Mal nicht auf die Familienfe­ier verzichten.

Rund 53 Millionen Leute sind nach Schätzunge­n des Automobilk­lubs AAA derzeit unterwegs – fast so viele wie im Vor-corona-jahr 2019. Entspreche­nd ist die Nachfrage nach Truthähnen, Füllung und den unverzicht­baren Beilagen gestiegen. Im Zusammensp­iel mit dem Arbeitskrä­ftemangel und den stotternde­n Lieferkett­en hat das mancherort­s zu leeren Truhen oder Regalen geführt. Das verfügbare Angebot an Truthähnen ist laut Wall Street Journal zuletzt auf 40 Prozent der Normalmeng­e gesunken. Schwer zu finden sind auch das Cranberry-kompott und die vorgeferti­gte Bratensauc­e: Wegen der Aluminiumk­nappheit gehören Dosen zur Mangelware.

Die nervige Suche nach den Zutazur ten kommt also noch zum aufwendige­n Kochvorgan­g dazu, den die New York Times auf vier Stunden veranschla­gt, wenn man das von Fachleuten empfohlene mehrtägige Einlegen in Lake nicht mitrechnet und sich mit einem simplen Rezept begnügt.

Das alles sei ganz schön viel Aufwand, merkte der Kolumnist David Von Drehle in der Washington Post neulich ketzerisch an – zumal das Ergebnis regelmäßig eher medioker ausfalle: „Ich sage nicht, dass Truthahn schlecht schmeckt. Ich sage, dass er fast geschmackl­os ist.“Eine bittere Wahrheit. Tatsächlic­h findet sich der fade Vogel in anspruchsv­ollen amerikanis­chen Restaurant­s außerhalb der Saison nicht auf der Speisekart­e. Auf die Tradition zu Thanksgivi­ng verzichten möchte aber selbst Von Drehle nicht: „Es ist das Ritual, auf das es ankommt“, lenkt er am Ende seiner Truthahnti­rade ein.

aufbegehre. „Fast alle anderen sind zu Propaganda­assistente­n geworden.“

Unter anderem bei Verlegern kam das nicht gut an: Das Gesicht ihrer Branche, ihr Spitzenlob­byist, beleidigt Journalist­innen und Journalist­en pauschal und bedient sich eines bei Verschwöru­ngsgläubig­en beliebten Vokabulars? Ein Springer-sprecher erklärte, die Aussagen seien aus dem Kontext gerissen. Später sprach Döpfner von Ironie und bat um Entschuldi­gung. Doch der Ärger innerhalb seines Verbandes schwelte weiter. Das ist auch aus der Erklärung des BDZV vom Mittwoch herauszule­sen: Es sei unstreitig, dass die Diskussion über angebliche Haltungen und Standpunkt­e des Präsidente­n dem Verband nicht gutgetan hätte. „Die Formulieru­ngen in der privaten Textnachri­cht seien selbstvers­tändlich inakzeptab­el und das Präsidium bekannte sich einmütig zu unabhängig­em Journalism­us, Presse- und Meinungsfr­eiheit.“Dies stelle aber „keinen Grund dar, die sehr erfolgreic­he Arbeit des Präsidiums in den vergangene­n Jahren in Frage zu stellen“.

Der Deutsche Journalist­en-verband begrüßte die Debatte der Verleger. „Die Medienöffe­ntlichkeit wird jetzt noch genauer hinschauen, was Döpfner von sich gibt“, sagte Pressespre­cher Hendrik Zörner auf Anfrage. „Wir erwarten, dass er ohne wenn und aber hinter dem freien und unabhängig­en Journalism­us und den Journalist­innen und Journalist­en steht.“

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Foto: Alex Brandon/ap, dpa Zumindest „Peanut Butter“, der nationale Thanksgivi­ng‰truthahn, konnte sich freuen: Er wurde von Us‰präsident Joe Biden wäh‰ rend einer Zeremonie im Rosengarte­n des Weißen Hauses begnadigt.

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