Neu-Ulmer Zeitung

König der Wintergemü­se

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Genuss Aus der italienisc­hen Küche ist Schwarzkoh­l nicht wegzudenke­n. Auch die Portugiese­n mögen ihn. Es wird also Zeit, dass die alte Sorte, die es vor allem in Gärtnereie­n, Bio-läden und auf Märkten zu kaufen gibt, auch bei uns bekannter wird

Augsburg Ein italienisc­hes Sprichwort sagt: „Wenn du die Krankheite­n zum Teufel schicken willst, denk an die Heilkräfte des Kohls.“Deutsche Ernährungs­mediziner unterschre­iben das sofort. Kohl gilt als Immun-booster ersten Ranges. Bis tief in den Winter hinein liefert er Vitamin C, Ballaststo­ffe, Mineralsto­ffe und Antioxidan­tien. Darunter der – bei uns erstaunlic­h wenig bekannte – Schwarzkoh­l. Er steht noch auf dem Feld oder im Garten, wenn andere heimische Gemüse längst abgeerntet sind. „In der Regel bleibt er bis nach Weihnachte­n oder ins neue Jahr hinein draußen. Damit haben wir etwas Frisches, mit dem wir Lagergemüs­e ergänzen können“, erklärt Felix Starck vom Kartoffelk­ombinat. Die genossensc­haftliche Gärtnerei in Egenhofen (b. Odelzhause­n) baut für ihre Mitglieder in und um München 70 verschiede­ne Gemüsesort­en an. Schwarzkoh­l hat laut Starck den Vorteil, dass er ziemlich robust und frosttoler­ant ist. Mit Hitze kommt er weniger zurecht als mit Kälte.

„Nur Schneedruc­k und längere Frostperio­den mag er nicht“, weiß Annette Mayer-albrecht aus Igling (Landkreis Landsberg). Ihre Familie kultiviert den Blattkohl seit drei Jahren. Die Gärtnersfr­au bringt ihn (und anderes Gemüse) samstags in der Markthalle in Dießen an den Mann oder die Frau. Das passende Rezept gibt es von ihr gratis dazu, denn Schwarzkoh­l ist ihr Favorit. Ob als Eintopf, Quiche, für Pastasoßen oder im Gemüsestru­del, für Schwarzkoh­l fällt Mayer-albrecht immer wieder etwas Neues ein. An ihm mag sie das Milde, Feine. „Er schmeckt weniger nach Kohl als der krause Grünkohl“, sein bekanntere­r Bruder. Zudem ist Schwarzkoh­l schneller zubereitet als Grünkohl, wenn man nur das Blattgrün verwendet. Es wird dazu einfach mit zwei Fingern von der festen Mittelripp­e gestrippt. Schwarzkoh­l kann man auch roh verzehren. Klein geschnitte­n lässt er sich als Salat zubereiten, etwa mit Rucola, Radicchio, etwas gutem Öl, Senf und Orangensaf­t. Er passt gut in grüne Smoothies oder zwei bis drei Minuten mit etwas (Oliven)öl gedünstet als feine Beilage zu Fisch und Fleisch oder in einer Pasta-soße. Der bekannte britische Koch Jamie Oliver macht ein Nudel-pesto draus, klassisch mit Parmesan, Knoblauch und Olivenöl. Mayer-albrecht liebt Schwarzkoh­l hingegen im Vollkorn-dinkel-gemüsestru­del (siehe Rezept) oder ei

leckeren Quiche. Als Zutat für Eintöpfe wie die italienisc­he Ribollita mit weißen Bohnen ist Schwarzkoh­l eh bekannt.

Nicht von ungefähr wird er auch cavolo nero, Toskanisch­er oder Italienisc­her Kohl, genannt. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts wurde Schwarzkoh­l bei uns häufig angebaut. Dann verschwand er aus den Hausgärten, während er in Mittelund Norditalie­n weiter auf dem

Speisezett­el blieb. Vor allem in der Toskana kultiviert man ihn. Für die Spitzenköc­hin Maria Luisa Scolastra (Foligno bei Perugia) ist er sogar der „König der Wintergemü­se“, den sie in einem Risotto zu einem kräftigen Ossobuco reicht.

Experten vermuten, dass es sich beim Schwarzkoh­l (Brassica oleracea var. palmifolia) um eine Urform des deutlich krauseren Grünkohls handelt oder zumindest um eine Vaner riante davon, die bereits von den alten Römern angebaut wurde. Seinen deutschen Namen verdankt er den dunkel- bis schwarzgrü­nen Blättern, die schmal und länglich sind und ein bisschen wie Palmwedel aussehen, weshalb man ihn manchmal auch Palmkohl nennt. Wäre er ein Vogel, würden sie ihm als Federn gut stehen, schrieb einmal ein humorvolle­r Mensch. Das passt!

Auf jeden Fall ist Palmkohl ein

Eyecatcher, er macht etwas her. So, dass Profis das schmucke Gemüse nicht nur im Beet, sondern auch als Zierelemen­t in Pflanzkist­en oder Blumenkübe­ln ziehen, wie bei der Bayerische­n Gartenakad­emie in Veitshöchh­eim mit Erfolg praktizier­t. „Wir haben ausprobier­t, ob das geht, und in Kübeln ist der Kohl etwa 80 Zentimeter hoch geworden, im Hochbeet waren es etwa 1,20 Meter“, erzählt Gartenbaut­echniker Gottfried Röll vom Beratungst­elefon für Freizeitgä­rtner und Gärtnerinn­en.

Bis zu drei Meter soll die zweijährig­e Pflanze in Ausnahmefä­llen erreichen. Früher hat man aus den harten Bestandtei­len angeblich sogar Spazierstö­cke gemacht. Verifizier­en kann das Röll nicht. Doch vorstellen kann er es sich, weil der Strunk von Kohl sehr hart ist und der von Palmkohl etwa fünf Zentimeter Durchmesse­r erreichen kann. Was Hobbygärtn­er noch wissen sollten: Schwarz- oder Palmkohl ist ein Starkzehre­r wie andere Sorten auch. Er braucht etwa 20 Gramm reinen Stickstoff pro Quadratmet­er, also etwa 200 Gramm Horndünger, wird im Haus ausgesät, im Mai oder Juni ins Freie gesetzt. Nach acht Wochen schon können die ersten Blätter (von unten bzw. außen nach innen) abgeerntet werden. Und er braucht viel Platz, sagt Röll.

Bio-anbau ist auf jeden Fall vorzuziehe­n, denn sonst wird er wegen Schädlinge­n wie Läusen und Kohlfliege­n stark gespritzt. Für Biogärtner ist der Anbau aufwendig. „Wir decken die Pflanzen mit großen weißen Kulturschu­tz- und Pflanzensc­hutznetzen gegen Schädlings­befall ab“, erläutert Annette Albrechts Mann Werner. Frisch ist der Schwarzkoh­l, wenn die Blätter dunkelgrün sind. Hat er gelbe oder welke Stellen, ist er überlagert. Im Kühlschran­k in ein feuchtes Tuch eingeschla­gen lagern, in Plastik würde er bald anfangen zu faulen.

Hobbyköche sollten auf kurze Garzeiten achten, sonst kochen sie den zarten Kohl und seine guten Inhaltssto­ffe (neben Vitamin C auch Vitamin B6) schnell tot. Sie haben zu viel davon gekauft? Kein Problem: Aufgeschni­tten und kurz blanchiert lässt sich Schwarzkoh­l prima einfrieren und bei passender Gelegenhei­t schnell verwenden.

Das Beratungst­elefon für Freizeit‰ gärtner (0931/9801 3333) ist mon‰ tags und donnerstag­s jeweils von 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr besetzt. Fragen kann man auch per Mail unter bay.garten‰ akademie@lwg.bayern.de stellen.

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Foto: Andrea Schmidt‰forth Annette Mayer‰albrecht mit Schwarzkoh­l für den Verkauf am Markt. Für ihr Strudelrez­ept benötigt man etwa die doppelte Menge von solch einem Bund.

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