König der Wintergemüse
Genuss Aus der italienischen Küche ist Schwarzkohl nicht wegzudenken. Auch die Portugiesen mögen ihn. Es wird also Zeit, dass die alte Sorte, die es vor allem in Gärtnereien, Bio-läden und auf Märkten zu kaufen gibt, auch bei uns bekannter wird
Augsburg Ein italienisches Sprichwort sagt: „Wenn du die Krankheiten zum Teufel schicken willst, denk an die Heilkräfte des Kohls.“Deutsche Ernährungsmediziner unterschreiben das sofort. Kohl gilt als Immun-booster ersten Ranges. Bis tief in den Winter hinein liefert er Vitamin C, Ballaststoffe, Mineralstoffe und Antioxidantien. Darunter der – bei uns erstaunlich wenig bekannte – Schwarzkohl. Er steht noch auf dem Feld oder im Garten, wenn andere heimische Gemüse längst abgeerntet sind. „In der Regel bleibt er bis nach Weihnachten oder ins neue Jahr hinein draußen. Damit haben wir etwas Frisches, mit dem wir Lagergemüse ergänzen können“, erklärt Felix Starck vom Kartoffelkombinat. Die genossenschaftliche Gärtnerei in Egenhofen (b. Odelzhausen) baut für ihre Mitglieder in und um München 70 verschiedene Gemüsesorten an. Schwarzkohl hat laut Starck den Vorteil, dass er ziemlich robust und frosttolerant ist. Mit Hitze kommt er weniger zurecht als mit Kälte.
„Nur Schneedruck und längere Frostperioden mag er nicht“, weiß Annette Mayer-albrecht aus Igling (Landkreis Landsberg). Ihre Familie kultiviert den Blattkohl seit drei Jahren. Die Gärtnersfrau bringt ihn (und anderes Gemüse) samstags in der Markthalle in Dießen an den Mann oder die Frau. Das passende Rezept gibt es von ihr gratis dazu, denn Schwarzkohl ist ihr Favorit. Ob als Eintopf, Quiche, für Pastasoßen oder im Gemüsestrudel, für Schwarzkohl fällt Mayer-albrecht immer wieder etwas Neues ein. An ihm mag sie das Milde, Feine. „Er schmeckt weniger nach Kohl als der krause Grünkohl“, sein bekannterer Bruder. Zudem ist Schwarzkohl schneller zubereitet als Grünkohl, wenn man nur das Blattgrün verwendet. Es wird dazu einfach mit zwei Fingern von der festen Mittelrippe gestrippt. Schwarzkohl kann man auch roh verzehren. Klein geschnitten lässt er sich als Salat zubereiten, etwa mit Rucola, Radicchio, etwas gutem Öl, Senf und Orangensaft. Er passt gut in grüne Smoothies oder zwei bis drei Minuten mit etwas (Oliven)öl gedünstet als feine Beilage zu Fisch und Fleisch oder in einer Pasta-soße. Der bekannte britische Koch Jamie Oliver macht ein Nudel-pesto draus, klassisch mit Parmesan, Knoblauch und Olivenöl. Mayer-albrecht liebt Schwarzkohl hingegen im Vollkorn-dinkel-gemüsestrudel (siehe Rezept) oder ei
leckeren Quiche. Als Zutat für Eintöpfe wie die italienische Ribollita mit weißen Bohnen ist Schwarzkohl eh bekannt.
Nicht von ungefähr wird er auch cavolo nero, Toskanischer oder Italienischer Kohl, genannt. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Schwarzkohl bei uns häufig angebaut. Dann verschwand er aus den Hausgärten, während er in Mittelund Norditalien weiter auf dem
Speisezettel blieb. Vor allem in der Toskana kultiviert man ihn. Für die Spitzenköchin Maria Luisa Scolastra (Foligno bei Perugia) ist er sogar der „König der Wintergemüse“, den sie in einem Risotto zu einem kräftigen Ossobuco reicht.
Experten vermuten, dass es sich beim Schwarzkohl (Brassica oleracea var. palmifolia) um eine Urform des deutlich krauseren Grünkohls handelt oder zumindest um eine Vaner riante davon, die bereits von den alten Römern angebaut wurde. Seinen deutschen Namen verdankt er den dunkel- bis schwarzgrünen Blättern, die schmal und länglich sind und ein bisschen wie Palmwedel aussehen, weshalb man ihn manchmal auch Palmkohl nennt. Wäre er ein Vogel, würden sie ihm als Federn gut stehen, schrieb einmal ein humorvoller Mensch. Das passt!
Auf jeden Fall ist Palmkohl ein
Eyecatcher, er macht etwas her. So, dass Profis das schmucke Gemüse nicht nur im Beet, sondern auch als Zierelement in Pflanzkisten oder Blumenkübeln ziehen, wie bei der Bayerischen Gartenakademie in Veitshöchheim mit Erfolg praktiziert. „Wir haben ausprobiert, ob das geht, und in Kübeln ist der Kohl etwa 80 Zentimeter hoch geworden, im Hochbeet waren es etwa 1,20 Meter“, erzählt Gartenbautechniker Gottfried Röll vom Beratungstelefon für Freizeitgärtner und Gärtnerinnen.
Bis zu drei Meter soll die zweijährige Pflanze in Ausnahmefällen erreichen. Früher hat man aus den harten Bestandteilen angeblich sogar Spazierstöcke gemacht. Verifizieren kann das Röll nicht. Doch vorstellen kann er es sich, weil der Strunk von Kohl sehr hart ist und der von Palmkohl etwa fünf Zentimeter Durchmesser erreichen kann. Was Hobbygärtner noch wissen sollten: Schwarz- oder Palmkohl ist ein Starkzehrer wie andere Sorten auch. Er braucht etwa 20 Gramm reinen Stickstoff pro Quadratmeter, also etwa 200 Gramm Horndünger, wird im Haus ausgesät, im Mai oder Juni ins Freie gesetzt. Nach acht Wochen schon können die ersten Blätter (von unten bzw. außen nach innen) abgeerntet werden. Und er braucht viel Platz, sagt Röll.
Bio-anbau ist auf jeden Fall vorzuziehen, denn sonst wird er wegen Schädlingen wie Läusen und Kohlfliegen stark gespritzt. Für Biogärtner ist der Anbau aufwendig. „Wir decken die Pflanzen mit großen weißen Kulturschutz- und Pflanzenschutznetzen gegen Schädlingsbefall ab“, erläutert Annette Albrechts Mann Werner. Frisch ist der Schwarzkohl, wenn die Blätter dunkelgrün sind. Hat er gelbe oder welke Stellen, ist er überlagert. Im Kühlschrank in ein feuchtes Tuch eingeschlagen lagern, in Plastik würde er bald anfangen zu faulen.
Hobbyköche sollten auf kurze Garzeiten achten, sonst kochen sie den zarten Kohl und seine guten Inhaltsstoffe (neben Vitamin C auch Vitamin B6) schnell tot. Sie haben zu viel davon gekauft? Kein Problem: Aufgeschnitten und kurz blanchiert lässt sich Schwarzkohl prima einfrieren und bei passender Gelegenheit schnell verwenden.
Das Beratungstelefon für Freizeit gärtner (0931/9801 3333) ist mon tags und donnerstags jeweils von 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr besetzt. Fragen kann man auch per Mail unter bay.garten akademie@lwg.bayern.de stellen.