Wie der Schrecken seinen Lauf nahm
Rückblick Es ist kaum zu glauben, dass das Coronavirus schon fast zwei Jahre lang das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verändert. In Deutschland wurde nun eine traurige Marke überschritten. Eine Chronologie
Augsburg Es ist nur eine kleine, unscheinbare Meldung auf einer Seite unserer Zeitung. „59 Chinesen an mysteriöser Lungenkrankheit erkrankt“, steht dort. Die Nachricht stammt vom 6. Januar 2020. Sie ist symptomatisch für den Beginn der Pandemie: eine Randnotiz, aus der jedoch schnell mehr wird. Schnell herrscht Unsicherheit und Millionen von Menschen fragen sich: Wird sich das Virus außerhalb der betroffenen Stadt Wuhan ausbreiten? Ist die Gefahr größer als bei den Sars- und Mers-Epidemien Jahre zuvor?
Was zum Jahreswechsel von 2019 auf 2020 erstmals als rätselhafte Lungenkrankheit in China entdeckt wurde, bestimmt seit fast zwei Jahren unser aller Alltag und fordert Tag für Tag mehr Menschenleben. Seit Beginn der Pandemie sind über fünf Millionen Menschen weltweit an oder mit Covid-19 gestorben. In Deutschland sind es jetzt mehr als 100 000 Menschen.
Am 11. Januar 2020 vermeldet China den ersten Todesfall in Zusammenhang mit der Krankheit. Da ist das Virus schon dabei, sich immer rasanter auszubreiten. Bald wird der erste Fall außerhalb Chinas entdeckt, nicht einmal drei Wochen später hat sich der erste Mensch in Deutschland angesteckt.
Es gehen schreckliche Bilder um die Welt. In Europa trifft das Coronavirus Italien besonders hart, in Bergamo sterben im März 2020 so viele Menschen, dass der Platz in Krematorien und Leichenhallen nicht mehr ausreicht. Das Militär transportiert die Toten mit Lastwagen dorthin, wo es noch Kapazitäten gibt. In den USA wird New York City zum Epizentrum der Pandemie. Krankenhäuser müssen die Toten in Kühllastern lagern, die in Reihen auf der Straße stehen. Schlimme Zustände herrschen auch in Spanien, Brasilien, Indien, Peru, Mexiko – die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.
Seit Beginn der Pandemie gibt es immer wieder Meldungen aus Ländern, in denen die Menschen verzweifelt gegen das Virus kämpfen – und den Kampf oft verlieren. Mit dem heutigen Wissen lässt sich sagen: Deutschland hatte zu Beginn der Pandemie einen Vorteil – man wusste immerhin ein bisschen, was auf das Land zukam. Die Bilder aus
Italien machten klar, wie ernst die Lage war – und wogegen man sich wappnen musste.
Am 27. Januar erreicht das Coronavirus dann Deutschland. Ein Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto im oberbayerischen Stockdorf – genannt „Patient null“– hat sich bei einer chinesischen Kollegin angesteckt. Bald folgen weitere Erkrankte. Am 9. März werden die ersten beiden Todesfälle in Deutschland gemeldet: eine 89-jährige Frau aus Essen und ein 78-jähriger Mann aus dem im Frühjahr 2020 besonders stark betroffenen Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Was folgt, wird vielen wohl noch lange im Gedächtnis bleiben: Deutschland geht in den ersten Lockdown, Veranstaltungen werden abgesagt, Geschäfte, Hotels, Restaurants, Schulen und Kitas werden geschlossen. Das Leben wird komplett heruntergefahren, von Tag zu Tag verfolgt man die Entwicklung von R-Wert und Inzidenz. Es sind Begriffe, die Anfang 2020 noch kaum jemand kennt und die mittlerweile zum allgemeinen Wortschatz dazugehören.
Fast zwei Jahre später verzeichnet Deutschland über 100 000 Corona-Tote. Immer wieder gibt es Phasen, in denen weniger Menschen sterben. Und dann wieder solche, in denen das Robert-Koch-Institut wöchentlich über 5000 Tote registriert. Das Sterben geschieht, wie auch das Anstecken, in Wellen.
Anfang des Jahres 2021 ist eine neue Zahl hinzugekommen. Eine, die Hoffnung macht: die Anzahl der Geimpften. Auch wenn es immer wieder Kritik an der Impfstrategie gibt, sind schon bald Millionen Dosen verabreicht. Aktuell sind in Deutschland über 56 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das entspricht einer Quote von immerhin 68 Prozent.
Im Sommer 2021, als schon viele
Menschen in Deutschland geimpft oder genesen sind, sieht das Leben schon fast wieder normal aus. Die Zahlen sind relativ niedrig, im Alltag gibt es nur noch wenig Beschränkungen. Mit 2G, 3G und weiter geltenden Abstands- und Hygieneregeln ist ein vorsichtiger Schritt auf dem Weg in die Normalität möglich. Clubs öffnen, die Studierenden kehren in die Hörsäle zurück und die Menschen fahren wieder in den Urlaub. Doch die vierte Corona-Welle bahnt sich bereits an, die Zahlen steigen langsam wieder. Aber gewaltig. Die pandemische Normalität steht auf wackeligen Beinen. Überall auf der Welt.
Die USA öffnen Anfang Oktober ihr Land für den Tourismus, obwohl die Zahlen hoch sind. Moskau geht in den Lockdown, Russlands Präsident Wladimir Putin bemängelt die niedrige Impfquote in seinem Land. Impfstoffe sind auf der Welt sehr ungleich verteilt – zum Schaden vieler Menschen. Doch der Kampf gegen neue Virusvarianten wird auch zum Problem für Länder mit hohen Impfquoten. Die Angst wächst, dass sich das Virus in einer Region stark ausbreitet und gefährlichere Mutationen wahrscheinlicher werden.
Die vierte Welle hat schließlich auch Deutschland wieder voll im Griff, mittlerweile mit höheren Inzidenzen als je zuvor. Manche Landkreise verzeichnen Werte weit über 1000. Es gelten verschärfte CoronaRegeln, um die ungebremste Ausbreitung des Virus aufzuhalten.
Das Virus wird vor allem zu einer Belastung für die Krankenhäuser. Viele Menschen, die im Medizinund Pflegebereich arbeiten, sind am Rande der Belastungsgrenze oder haben diese schon überschritten. Wichtige Operationen müssen verschoben werden. Manche Kliniken bereiten sich auf die Triage vor. Denn wenn Krankenhäuser voll sind und nicht mehr alle Kranken ausreichend versorgt werden können, müssen Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wer noch ein Bett auf einer Intensivstation bekommt und wer nicht.
Die Impfquote ist immer noch zu niedrig, um die vierte Welle zu brechen, auch wenn die Nachfrage zuletzt wieder gestiegen ist. Aktuell wird eine Impfpflicht diskutiert – für bestimmte Berufsgruppen, aber auch für alle Menschen, die sich impfen lassen können.