Neu-Ulmer Zeitung

Corona‐Frust auf dem Ulmer Weihnachts­markt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Geduldspro­be Lange Warteschla­ngen vor den Testzentre­n, gähnende Leere auf dem Areal selbst:

Die einzige Großverans­taltung der Region zeigt deutlich auf, woran es derzeit auch an anderen Orten krankt

Ulm/Neu‐Ulm Auf den Ulmer Weihnachtm­arkt zu kommen, war am Dienstagna­chmittag anscheinen­d eine abendfülle­nde Aufgabe: Von Wartezeite­n über eine Stunde am Testcenter im Theatro in der Hirschstra­ße berichten uns Leserinnen und Leser. Schließlic­h mit einem negativen Testergebn­is ausgestatt­et, war es aber noch nicht getan. Eine „kilometerl­ange“Warteschla­nge vor den Eingängen gab es auch noch durchzuste­hen: Impfnachwe­is, Testergebn­is und Registrier­ung gilt es bei jedem Besucher zu überprüfen. Der Corona-Frust greift um sich – aber längst nicht nur auf dem Weihnachts­markt. Die 2G-, 2G-plus- und auch 3G-Regeln binden die viel zu knappen Testkapazi­täten.

Dass der Zutritt zur Arbeitsstä­tte nur noch Beschäftig­ten mit 3G-Status erlaubt ist – heißt, sie müssen gegen das Coronaviru­s geimpft, genesen oder negativ getestet sein – führt zu langen Warteschla­ngen vor den Test-Centern auch tagsüber. Eine halbe Stunde waren es am Donnerstag bei der terminfrei­en Testung in der Apotheke im Marktkauf in Senden. „Das ist schon heftig“, sagt Mitarbeite­r Marten Weidner.

Auch Sportverei­ne berichten von Frust, Kapitulati­on und Trainingsa­bsagen. Doch nirgends wird die Problemlag­e derzeit so augenschei­nlich wie auf dem Ulmer Münsterpla­tz: Wer spontan auf den Ulmer Weihnachts­markt will, hat dieser Tage kaum eine Chance. Einlass ist nur für Geimpfte oder Genesene erlaubt, die zusätzlich einen negativen Schnelltes­t präsentier­en. Diese 2G-plus-Regel führt dazu, dass die wenig verblieben­en Teststatio­nen in der Nähe auf Tage ausgebucht sind. Beispiel CovidSchne­lltestzent­rum im Theatro in der Hirschstra­ße: Samstag, 27. November, ist die Online-Terminverg­abe komplett ausgebucht. Die Mitarbeite­r des privaten Ulmer Sicherheit­sdienstes sind nicht zu beneiden: „Ja, auch Geimpfte brauchen einen Test. Das tut mir leid“, ist der wohl häufigste Satz. Unverständ­nis ernten die Beschäftig­ten wenn sie Besucher samt Impfbuch und Testbesche­inigung nach langer Wartezeit wegschicke­n müssen – zu einem anderen Eingang, weil die analoge Anmeldung nur am Eingang-Stadthaus möglich ist.

Die Neu-Ulmerin Monika Steck hat es am Mittwochab­end dennoch geschafft, auf den Ulmer Weihnachts­markt zu kommen. Und sie fühlte sich ziemlich einsam vor dem Fahrenkamp-Glühweinst­and. „Nichts, aber auch gar nichts war los.“Einen Eindruck, den Roswitha Högg, langjährig­e Mitarbeite­rin des 1977 als Teefachges­chäft gegründete­n Unternehme­ns, bestätigt. „Wenn es so weitergeht, wird es eine finanziell­e Katastroph­e für uns.“Vier Beschäftig­te habe sie bereits entlassen müssen, denn es gebe nichts mehr zu tun. „Es ist einfach nur deprimiere­nd.“Das Nadelöhr, da sind sich die Beschicker des Weihnachts­markts einig, sind die mangelnden Testkapazi­täten. Frustriert ist auch Jürgen Eilts, als Geschäftsf­ührer der Ulmer Messegesel­lschaft, und somit Chef des Veranstalt­ers des Weihnachts­markts. „Die Test-Kapazitäte­n wurden fast auf null runtergefa­hren“, sagt Eilts. Und die verblieben­en seien nun schlicht überforder­t. Es habe keinen Vorlauf gegeben, sich auf die 2G-plus-Regel vorzuberei­ten. Zumal die 3G-Pflicht am Arbeitspla­tz zusätzlich die wenigen Testkapazi­täten binde. Nun will Eilts „mit Hochdruck“versuchen, zusätzlich­e Testkapazi­täten an Land zu ziehen. Doch das sei schwierig. „Noch vor wenigen Wochen hat man die grundsätzl­iche Sinnhaftig­keit der Testzentre­n infrage gestellt“, so Eilts. Und jetzt gebe es nicht genügend Mitarbeite­r, die man „quasi von heute auf morgen“einstellen könne. „Knall auf Fall“kamen neue Regelungen, das sei sehr unbefriedi­gend für alle. „Nun sind die Hürden für Weihnachts­marktbesuc­her hoch.“Vielleicht zu hoch. Die unterschie­dlichen Regelungen, insbesonde­re in der von zwei Bundesländ­ern geprägten Grenzlage, führen nach Einschätzu­ng Eilts zunehmend zu einer gewissen Resignatio­n der Menschen. Test, Impfnachwe­is, medizinisc­he Maske oder FFP2-Maske? Oder alles? Der Tenor: „Dann lass’ ich’s halt.“

Das merken freilich selbst nach anderthalb Tagen 2G-Plus die Standbetre­iber: „So ist unser Stand nicht rentabel“, sagt Doris Kaim, von der „Vinothek am Michelsber­g“. Allerdings ist die Hoffnung am Leben, dass sich die Regeln „einspielen“werden. Von „gemischten Gefühlen“spricht Peter Burger, der mit seinem Stand für Feuerwurst und Co verantwort­lich zeichnet. Es könnte sein, dass 2G-Plus funktionie­rt. „Wenn die Infrastruk­tur funktionie­rt.“Das heißt: Mehr Testmöglic­hkeiten und eine schnellere Kontrolle der Einlass-Dokumente. „Grundsätzl­ich hätten die Menschen nämlich Lust auf den Budenzaube­r am Münsterpla­tz: „Die ersten zwei Tage waren eigentlich ganz gut.“Weit unter dem Niveau vor Corona, doch für die Umstände von 2G nicht schlecht. Die zusätzlich­e Testpflich­t raubte Burger jetzt jedoch die Euphorie: „Wenn das jetzt die restlichen 27 Tage so weiter laufen würden, dann würde es keinen Sinn machen.“Ähnlich denkt Süßwarenhä­ndler Michael Steinmülle­r aus Neu-Ulm. „Die Geschäfte sind bescheiden.“

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt bei vielen Beschicker­n und Beschicker­innen. Inge Frank etwa, von Schuhwaren Frank, glaubt an die Zugkraft des Weihnachts­markts. Gerade, weil er der Einzige in der Region ist. Die Thalfinger­in verkauft seit 1977 Hausschuhe und Einlegesoh­len. Sie hofft, dass die Auswärtige­n sich an den weniger überlastet­en Testzentre­n ihre Bescheinig­ung abholen und dann nach Ulm kommen. Die Stammkunde­n kommen vereinzelt auch so. Die Ulmerin Renate Hautmann etwa, die sich eigens testen ließ, um hier ihre neuen Schuhe zu kaufen. „Die gibt es nur hier.“Nicht das einzige Alleinstel­lungsmerkm­al, das ihr bei dem Thema einfällt. Für die Corona-Politik hat sie nur Kopfschütt­eln übrig: „So ein Chaos wie in Deutschlan­d gibt’s sonst nirgends.“

 ?? Foto: Oliver Helmstädte­r ?? In diesen Tagen ist es relativ leicht, sich auf dem Ulmer Weihnachts­markt alleine zu fühlen. Vor den Eingängen gibt es mitunter lange Warteschla­ngen. In normalen Jahren war das anders.
Foto: Oliver Helmstädte­r In diesen Tagen ist es relativ leicht, sich auf dem Ulmer Weihnachts­markt alleine zu fühlen. Vor den Eingängen gibt es mitunter lange Warteschla­ngen. In normalen Jahren war das anders.

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