Corona‐Frust auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt
Geduldsprobe Lange Warteschlangen vor den Testzentren, gähnende Leere auf dem Areal selbst:
Die einzige Großveranstaltung der Region zeigt deutlich auf, woran es derzeit auch an anderen Orten krankt
Ulm/Neu‐Ulm Auf den Ulmer Weihnachtmarkt zu kommen, war am Dienstagnachmittag anscheinend eine abendfüllende Aufgabe: Von Wartezeiten über eine Stunde am Testcenter im Theatro in der Hirschstraße berichten uns Leserinnen und Leser. Schließlich mit einem negativen Testergebnis ausgestattet, war es aber noch nicht getan. Eine „kilometerlange“Warteschlange vor den Eingängen gab es auch noch durchzustehen: Impfnachweis, Testergebnis und Registrierung gilt es bei jedem Besucher zu überprüfen. Der Corona-Frust greift um sich – aber längst nicht nur auf dem Weihnachtsmarkt. Die 2G-, 2G-plus- und auch 3G-Regeln binden die viel zu knappen Testkapazitäten.
Dass der Zutritt zur Arbeitsstätte nur noch Beschäftigten mit 3G-Status erlaubt ist – heißt, sie müssen gegen das Coronavirus geimpft, genesen oder negativ getestet sein – führt zu langen Warteschlangen vor den Test-Centern auch tagsüber. Eine halbe Stunde waren es am Donnerstag bei der terminfreien Testung in der Apotheke im Marktkauf in Senden. „Das ist schon heftig“, sagt Mitarbeiter Marten Weidner.
Auch Sportvereine berichten von Frust, Kapitulation und Trainingsabsagen. Doch nirgends wird die Problemlage derzeit so augenscheinlich wie auf dem Ulmer Münsterplatz: Wer spontan auf den Ulmer Weihnachtsmarkt will, hat dieser Tage kaum eine Chance. Einlass ist nur für Geimpfte oder Genesene erlaubt, die zusätzlich einen negativen Schnelltest präsentieren. Diese 2G-plus-Regel führt dazu, dass die wenig verbliebenen Teststationen in der Nähe auf Tage ausgebucht sind. Beispiel CovidSchnelltestzentrum im Theatro in der Hirschstraße: Samstag, 27. November, ist die Online-Terminvergabe komplett ausgebucht. Die Mitarbeiter des privaten Ulmer Sicherheitsdienstes sind nicht zu beneiden: „Ja, auch Geimpfte brauchen einen Test. Das tut mir leid“, ist der wohl häufigste Satz. Unverständnis ernten die Beschäftigten wenn sie Besucher samt Impfbuch und Testbescheinigung nach langer Wartezeit wegschicken müssen – zu einem anderen Eingang, weil die analoge Anmeldung nur am Eingang-Stadthaus möglich ist.
Die Neu-Ulmerin Monika Steck hat es am Mittwochabend dennoch geschafft, auf den Ulmer Weihnachtsmarkt zu kommen. Und sie fühlte sich ziemlich einsam vor dem Fahrenkamp-Glühweinstand. „Nichts, aber auch gar nichts war los.“Einen Eindruck, den Roswitha Högg, langjährige Mitarbeiterin des 1977 als Teefachgeschäft gegründeten Unternehmens, bestätigt. „Wenn es so weitergeht, wird es eine finanzielle Katastrophe für uns.“Vier Beschäftigte habe sie bereits entlassen müssen, denn es gebe nichts mehr zu tun. „Es ist einfach nur deprimierend.“Das Nadelöhr, da sind sich die Beschicker des Weihnachtsmarkts einig, sind die mangelnden Testkapazitäten. Frustriert ist auch Jürgen Eilts, als Geschäftsführer der Ulmer Messegesellschaft, und somit Chef des Veranstalters des Weihnachtsmarkts. „Die Test-Kapazitäten wurden fast auf null runtergefahren“, sagt Eilts. Und die verbliebenen seien nun schlicht überfordert. Es habe keinen Vorlauf gegeben, sich auf die 2G-plus-Regel vorzubereiten. Zumal die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz zusätzlich die wenigen Testkapazitäten binde. Nun will Eilts „mit Hochdruck“versuchen, zusätzliche Testkapazitäten an Land zu ziehen. Doch das sei schwierig. „Noch vor wenigen Wochen hat man die grundsätzliche Sinnhaftigkeit der Testzentren infrage gestellt“, so Eilts. Und jetzt gebe es nicht genügend Mitarbeiter, die man „quasi von heute auf morgen“einstellen könne. „Knall auf Fall“kamen neue Regelungen, das sei sehr unbefriedigend für alle. „Nun sind die Hürden für Weihnachtsmarktbesucher hoch.“Vielleicht zu hoch. Die unterschiedlichen Regelungen, insbesondere in der von zwei Bundesländern geprägten Grenzlage, führen nach Einschätzung Eilts zunehmend zu einer gewissen Resignation der Menschen. Test, Impfnachweis, medizinische Maske oder FFP2-Maske? Oder alles? Der Tenor: „Dann lass’ ich’s halt.“
Das merken freilich selbst nach anderthalb Tagen 2G-Plus die Standbetreiber: „So ist unser Stand nicht rentabel“, sagt Doris Kaim, von der „Vinothek am Michelsberg“. Allerdings ist die Hoffnung am Leben, dass sich die Regeln „einspielen“werden. Von „gemischten Gefühlen“spricht Peter Burger, der mit seinem Stand für Feuerwurst und Co verantwortlich zeichnet. Es könnte sein, dass 2G-Plus funktioniert. „Wenn die Infrastruktur funktioniert.“Das heißt: Mehr Testmöglichkeiten und eine schnellere Kontrolle der Einlass-Dokumente. „Grundsätzlich hätten die Menschen nämlich Lust auf den Budenzauber am Münsterplatz: „Die ersten zwei Tage waren eigentlich ganz gut.“Weit unter dem Niveau vor Corona, doch für die Umstände von 2G nicht schlecht. Die zusätzliche Testpflicht raubte Burger jetzt jedoch die Euphorie: „Wenn das jetzt die restlichen 27 Tage so weiter laufen würden, dann würde es keinen Sinn machen.“Ähnlich denkt Süßwarenhändler Michael Steinmüller aus Neu-Ulm. „Die Geschäfte sind bescheiden.“
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt bei vielen Beschickern und Beschickerinnen. Inge Frank etwa, von Schuhwaren Frank, glaubt an die Zugkraft des Weihnachtsmarkts. Gerade, weil er der Einzige in der Region ist. Die Thalfingerin verkauft seit 1977 Hausschuhe und Einlegesohlen. Sie hofft, dass die Auswärtigen sich an den weniger überlasteten Testzentren ihre Bescheinigung abholen und dann nach Ulm kommen. Die Stammkunden kommen vereinzelt auch so. Die Ulmerin Renate Hautmann etwa, die sich eigens testen ließ, um hier ihre neuen Schuhe zu kaufen. „Die gibt es nur hier.“Nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal, das ihr bei dem Thema einfällt. Für die Corona-Politik hat sie nur Kopfschütteln übrig: „So ein Chaos wie in Deutschland gibt’s sonst nirgends.“