So leiden Kinder und Jugendliche unter Corona
Bilanz Junge Menschen waren im Landkreis Neu-Ulm besonders stark von den Pandemie-Beschränkungen betroffen
Landkreis Neu‐Ulm Während dieser vierten Coronawelle drohen möglicherweise wieder Kontaktbeschränkungen. Die haben in den vergangenen gut eineinhalb Jahren zwar alle getroffen, doch Kinder und Jugendliche besonders stark. Wie sehr sie darunter gelitten haben, darüber gibt ein Bericht Auskunft, der jetzt dem Jugendhilfeausschuss des Landkreises vorgelegt wurde. In dem steht auch, dass junge Menschen sich im Schnitt deutlich vernünftiger verhalten haben, als das die Erwachsenen gerne wahrhaben wollten.
In ihrem Bericht stellt Bettina Ohorn, Leiterin des Fachbereichs Jugend und Familie im Landratsamt, besonders heraus, dass den Jungen nicht nur der soziale Kontakt zu Gleichaltrigen, sondern auch stark eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten und die fehlenden Angebote der Jugendarbeit zugesetzt haben. Das bedeute einen „erheblichen Verlust an Lebensqualität“, was sich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ausgewirkt habe. Die Jungen beschäftigten sich verstärkt mit sozialen Medien und bewegten sich zu wenig, was sich wiederum auf die Psyche niederschlug. Ohorn berichtet von Vereinsamungstendenzen, Ängstlichkeit und depressiven Verstimmungen. Teilweise werde auch von Essstörungen berichtet, doch dazu gebe es keine belastbaren Daten.
Zwar waren alle jungen Menschen von den Einschränkungen betroffen, doch die Risiken für Kinder und Jugendliche in „anfälligen Lebenslagen“seien ungleich höher als bei Gleichaltrigen „mit einem vergleichsweise stabilen sozialen Umfeld“. Und natürlich wirkt sich nach den Worten Ohorns auch aus, ob eine Familie in stabilen finanziellen Verhältnissen lebt oder nicht. Mit zunehmender Dauer der Pandemie „zeigten sich deutlich die Nachteile für arme und von Armut bedrohten Familien“. Denen mangelte es zu Hause an Platz und an digitaler Ausstattung, um ein vernünftiges Homeschooling zu gewährleisten. Fehlende direkte Kontakte mit Gleichaltrigen machten sich auch bemerkbar, wenn für junge Menschen etwa ein neuer Lebensabschnitt oder eine andere Veränderung anstand, etwa beim Übergang vom Kindergarten in die Schule oder beim Wechseln der Klassenstufe, bei Schulwechsel, Berufsausbildung oder Studienbeginn. Da fehlte einfach der Austausch mit anderen, um sich Unterstützung, Informationen oder einfach Rat zu holen.
Was die unterschiedlichen Unterstützungsangebote im Bereich der Jugendhilfe betrifft, so musste eben verstärkt auf digitale Kommunikationsmittel zurückgegriffen werden, etwa bei der Erziehungsberatung. Die wird seit April dieses Jahres deutlich stärker benötigt als in den Monaten zuvor. Das sei auf die „lang andauernde Belastung der Familien durch die Corona-Maßnahmen zurückzuführen“.
Nach Ansicht von Ohorn wurden junge Menschen in öffentlichen, medialen oder politischen Diskussionen überwiegend auf die Rolle „Schülerinnen und Schüler“reduziert. Teilweise seien sie zu Unrecht als „Corona-Partygeneration“und „Randalierende“verunglimpft worden. „Tatsächlich haben die jungen Menschen ganz überwiegend die Maßnahmen mitgetragen und sich sehr verantwortungsvoll verhalten.“Ihre Belange seien dagegen nur unzureichend in den Blick genommen worden.
All die Einschränkungen der Coronamaßnahmen haben nach Ansicht von Ohorn „negative Folgen auf die Entwicklungs- und Teilhabechancen junger Menschen und führen bei diesen teilweise auch zu Zukunftsängsten“. Rein schulisch betrachtet sind die Defizite offenbar nicht so hoch, doch dafür wurde aus den Schulen gemeldet, dass viele Kinder wegen der fehlenden Kontaktmöglichkeiten kein soziales Miteinander lernen oder etwa Strategien entwickeln konnten, mit Konflikten umzugehen. Einigen fiel es auch schwer, sich wieder an eine Tagesstruktur anzupassen oder sich in Gruppen angemessen zu verhalten. „Auffällig sind auch Defizite im sprachlichen Bereich.“
Die Probleme in den Schulen konnte Schulamtschef Ansgar Batzner (FDP) nur bestätigen. Er hat sich dort gründlich informiert und kommt zu dem Schluss, dass es wegen „Problemen im sozialen Bereich als Folge der Pandemie einen „erhöhten Bedarf an Schulsozialarbeit“gebe.