Der Winter unseres Missvergnügens
Es war ein kurzer Sommer der Befreiung, als so viele glauben wollten, dass die Pandemie wohl hinter uns liegt. Und nun stecken wir ziemlich drin in diesem Winter unseres Missvergnügens, um mal einen Satz zu klauen, den William Shakespeare dem finsteren König Richard III. in den Mund gelegt hat. Wobei: Das Wort Missvergnügen wirkt schon fast beschönigend. Zorn, Ärger, Wut und auch ein Stück weit Resignation wären wohl passender, angesichts dieser wuchtigen vierten Welle, vor der Wissenschaftler zwar gewarnt hatten, was die meisten Politiker aber nicht wahrhaben wollen. Ministerpräsident Markus Söder hat sich ja kürzlich blamiert, als er fälschlicherweise behauptete, Wissenschaftler und Fachleute hätten die neue
Welle in ihrer Wucht und Geschwindigkeit nicht richtig eingeschätzt. Jetzt müssen wir uns mit einem neuen Wust an Regeln herumschlagen, die gehörig auf die Nerven gehen. Nehmen wir das Gezerre um den Ulmer Weihnachtsmarkt. Dort galt zuerst 2G, mittlerweile 2G-Plus. Wer rein will muss nicht nur genesen oder geimpft, sondern zusätzlich auch getestet sein. Doch wie soll das gehen, wenn die Testzentren keine Termine mehr frei haben? Die Kapazitäten wurden ja vor noch nicht allzu langer Zeit reduziert. Vor Teststationen wie am Neu-Ulmer Donaucenter stehen die Menschen in sehr langen Schlangen. Es hat sich bisher niemand getraut, den Ulmer Weihnachtsmarkt abzusagen, doch mit der Regelung 2G-Plus wurde der Zugang so massiv beschränkt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann die Händler entnervt ihre Buden dicht machen. Wer stellt sich schon irgendwo lange an, wenn er oder sie nur mal kurz in der Mittagspause über den Markt bummeln will? Für langfristig geplante Kulturtermine mag 2G-Plus okay sein, um sich mit gewissem Vorlauf einen Testtermin zu besorgen. Aber für spontane Besuche taugt sie nicht und wird eher zum Betretungsverbot durch die Hintertür.
Lange Schlagen bildeten sich auch vor dem Impfzentrum Weißenhorn. Erst nachdem dort Termine vergeben wurden, hat sich die Lage entzerrt. Wäre das nicht gleich so gegangen? Nun ja, der Gedanke, zunächst ein möglichst niederschwelliges Angebot zu machen, war ja grundsätzlich richtig: Vorbeikommen, Spritze abholen, heimfahren – leichter wäre es nur, wenn mobile Impfteams von Haus zu Haus gingen. Aber das wäre eher nicht durchführbar. Angesichts dieser Entwicklung – überlastete Hausärzte, überlastetes Impfzentrum – wurde es höchste Zeit, dass der Landkreis nun in Illertissen und Neu-Ulm zusätzliche provisorische Immunisierungszentren schafft, wie er am Freitagnachmittag bekannt gegeben hat.
Viele Menschen verstehen nicht, dass die Anfang Oktober dicht gemachten Einrichtungen nicht zügig wieder eröffnet wurden. Nun steht eben der Impfbus an festen Tagen in den beiden Städten vor einer Halle, damit Wartende nicht frieren müssen. Das ist nach zwei Wochen, in denen es bei der Immunisierungskampagne im Landkreis drunter und drüber gegangen ist, wenigstens mal eine einigermaßen gute Nachricht.