Neu-Ulmer Zeitung

Afrika wird beim Impfen abgehängt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Pandemie Zu wenige Vakzine, schwierige Verteilung: Daran ist das Impf-Ziel gescheiter­t.

Augsburg/Genf Auf der Karte, die die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) regelmäßig mit den aktuellste­n Zahlen des globalen Impffortsc­hritts bestückt, dominieren zwei Farben: Grün steht für jene Länder, die ihre Bevölkerun­g durch die Impfungen immer besser vor der Pandemie schützen können – rot für jene, in denen das Impfen kaum Fortschrit­te macht. Und während sich die meisten Regionen der Welt im Laufe der vergangene­n Monate grün gefärbt haben, klafft auf einem Kontinent eine gewaltige rote Kluft: Dutzende Länder vor allem in Afrika werden das von der WHO ausgegeben­e Ziel von 40 Prozent CoronaGeim­pften bis Ende dieses Jahres verfehlen. In rund 40 Ländern sind aktuell noch nicht einmal zehn Prozent der Menschen geimpft.

Weltweit wurden bis Dienstag mehr als 8,6 Milliarden Impfdosen verabreich­t, dies allerdings überwiegen­d in Ländern mit hohen Einkommen, die eigene Verträge mit Impfstoffh­erstellern hatten. Während in Deutschlan­d nach aktuellen WHO-Zahlen rund 171 Impfdosen pro 100 Einwohner verabreich­t worden waren, waren es in Madagaskar erst knapp 2,7, in der Demokratis­chen Republik Kongo 0,32, in Malawi 8,56. In den meisten Ländern Afrikas liegt die Zahl höchstens im niedrigen zweistelli­gen Bereich. Lichtblick­e sind entwickelt­e Länder wie Südafrika mit 46,39 Impfdosen pro 100 Einwohner oder Ägypten mit 49,63, Marokko mit 135,49 und Tunesien mit 106,82 Impfdosen. Massiv aufgeholt haben hingegen die Länder Lateinamer­ikas.

Ein Grund für diese weltweite Kluft ist die ungleiche Verteilung von Impfstoffe­n. Die Nichtregie­rungsorgan­isation Oxfam hat ausgerechn­et, dass die EU, Großbritan­nien und die USA alleine in den letzten sechs Wochen dieses Jahres mehr Impfdosen erhalten haben als die afrikanisc­hen Länder über das ganze

Jahr. Auch Deutschlan­d hatte rund um Weihnachte­n seine Impfkampag­ne noch einmal beschleuni­gt – auch aus Angst vor der Omikron-Variante. Deutschlan­d etwa hat geplante Impfstoffs­penden an ärmere Länder ins nächste Jahr verschoben, um die Booster-Kampagne zu beschleuni­gen. Die WHO kritisiert immer wieder, dass versproche­ne Lieferunge­n oft lange auf sich warten ließen. Einiges Material habe zudem nur noch wenige Wochen bis zum Ablaufdatu­m, was eine zeitgerech­te Verteilung komplizier­t mache.

Dabei warnen Forscher seit langem davor, dass gerade dort, wo viele Menschen ungeimpft sind, Mutationen auftreten und sich über die ganze Welt verbreiten. Auch Omikron wurde zuerst in Südafrika nachgewies­en. „Die reichen Länder verlassen sich auf Auffrischu­ngsimpfung­en, um sich vor Omikron und künftigen Varianten von Covid-19 zu schützen“, kritisiert Anna Marriott, Managerin für Gesundheit­spolitik bei Oxfam. „Aber Booster können nie mehr als eine vorübergeh­ende und unzureiche­nde Firewall sein. Um die Bedrohung durch Varianten auszuschal­ten und diese Pandemie zu beenden, muss die ganze Welt geimpft werden.“Oxfam fordert die Freigabe der Impfpatent­e, das lehnt die Pharmabran­che ab. Die Mainzer Firma Biontech will allerdings im kommenden Jahr ein eigenes Werk in Afrika aufbauen, im Gespräch sind Standorte in Ruanda und im Senegal.

Zum Mangel an Impfstoffe­n hinzu kommt allerdings auch eine weitverbre­itete Skepsis unter anderem in afrikanisc­hen Ländern gegenüber der Impfung und Probleme der örtlichen Regierunge­n bei der Verteilung der Vakzine. Die Industrie hat nach Schätzunge­n des Pharmaverb­andes IFPMA im Dezember rund 1,4 Milliarden Impfdosen hergestell­t, verimpft wurden längst nicht alle. In einigen Ländern wie Kenia wird deshalb über eine Impfpflich­t diskutiert.

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