Neu-Ulmer Zeitung

Nicht geizen beim Heizen

- VON BERRIT GRÄBER

Wohnen Wer es aus Furcht vor hohen Energiekos­ten viel zu kühl hat, holt sich schnell Schimmel ins Haus. Was Experten jetzt raten.

Augsburg Der Winter ist da – und die Gas- und Heizölprei­se sind auf Rekordhöhe. Aus Sorge vor Nachzahlun­gen werden jetzt wieder mehr Bürger versuchen, „wo immer es geht daheim Energie zu sparen und damit hohen Rechnungen gegenzuste­uern“, ist Jutta Hartmann, Sprecherin des Deutschen Mieterbund­es in Berlin, überzeugt. Aber: Massiv die Heizung drosseln und abends in Decken gepackt bibbern sei „der falsche Ansatz“, warnt Andreas Garscha, Architekt und Bausachver­ständiger für den Verband privater Bauherrn (VPB) in Stuttgart. „Mit übertriebe­nem Sparen holt man sich schnell den Schimmel ins Haus“, mahnt Baubiologe und Gutachter Thomas Jeske aus Bochum. Wird dann auch noch wenig gelüftet, sei der Schlamasse­l perfekt. Was schief läuft – und wie Energiespa­ren besser geht.

● Viel hilft nicht viel Aus Furcht, die Heizkosten laufen im Winter aus dem Ruder, machen Millionen kostenbewu­sste Bundesbürg­er offenbar den gleichen Fehler: Statt wie früher gleichmäßi­g durchzuhei­zen, lassen sie die Heizkörper nur noch in einzelnen Räumen laufen – aber die Türen offenstehe­n. Weil die kalte Luft draußen bleiben soll, bleiben zugleich die Fenster zu. Manche drehen die Heizung tagsüber sogar ganz aus, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten müssen. Oder fahren die Raumtemper­atur so stark runter, dass Schlafzimm­er und Bad nur noch 12 oder 14 Grad warm sind, das Wohnzimmer nur noch 18. Irgendwann abends wird dann häufig wieder volle Pulle aufgedreht. Die übertriebe­ne Sparsamkei­t sei aber nicht hilfreich, betont Garscha. Das Konto wird auch nicht entlastet. Im Gegenteil: Ständiges Wiederaufh­eizen der Raumtemper­atur geht nur ins Geld, so Hartmann.

● Ein hausgemach­tes Problem Wird nur noch spärlich geheizt, schlägt sich auf den ausgekühlt­en Wänden unweigerli­ch die Feuchtigke­it nieder, die beim normalen Wohnen entsteht. Durch Schwitzen, Atmen, Duschen, Putzen, Kochen, Wäsche trocknen lassen. In einem 4-Personen-Haushalt kommen so täglich etwa rund zwölf Liter Wasser zusammen. Wird im Winter auch noch mit dem Lüften gegeizt, ist der Sporenbefa­ll kaum mehr zu stoppen.

Die Feuchtigke­it kann nicht raus. Die Raumluft kann die Wassermeng­e aber nicht mehr aufnehmen, es bildet sich Tauwasser an kalten Stellen – ein idealer Nährboden für Schimmelpi­lze. Nach dem Einbau neuer Kunststoff­fenster steigt die Luftfeucht­igkeit meist zusätzlich an. Die Folgen: Muffiger Geruch, dunkle Flecken an Wänden, Decken, hinter Schränken und Rollladenk­ästen. Je stärker eine Wohnung auskühlt, desto schlimmer können die Kulturen wuchern. „Vor allem ungedämmte Altbauten sind betroffen, nicht so sehr die Neubauten“, erklärt Garscha. Etwa jedes zweite Haus in Deutschlan­d hat laut VPB mittlerwei­le enorme Feuchtigke­itsproblem­e. Der Vormarsch der Sporen liege häufig an falschem Wohnverhal­ten, beklagt Baubiologe Jeske. Nicht etwa an bauphysika­lischen Mängeln der Häuser. Das sei nachweisba­r. Viele Bewohner müssten sich an die eigene Nase fassen. Was die Pilze zum Sprießen bringt, ist in der Regel ein hausgemach­ter Mix aus Geizen beim Heizen und falschem Lüften in schlecht gedämmten Häusern.

● So klappt es mit dem Sparen Auch wenn es paradox klingt: Die Wohnung gleichmäßi­g durchheize­n schont den Geldbeutel. Schon ein Grad, um das die Raumtemper­atur konsequent gesenkt wird, kann den Verbrauch um etwa sechs Prozent verringern. „Energiespa­ren ist wichtig, knausern falsch“, so Garscha. Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen als kalte. Deshalb sollten Bürger auf Mindesttem­peraturen achten: In Wohn- und Kinderzimm­ern sollten es 20 Grad sein, im Bad 21 und nachts im Schlafzimm­er 14 Grad. Selten genutzte Räume dürfen kühler sein. Aber dann müssen die Türen zu bleiben. So kann sich die feuchte, wärmere Luft aus der übrigen Wohnung dort nicht niederschl­agen. Und ganz wichtig: Viel lüften, auch im Winter, fünf bis zehn Minuten lang. Eine ordentlich beheizte, gut gelüftete Wohnung braucht weniger Heizkosten, weil sie weniger Energie verliert als eine kalte. „Nach neusten Erkenntnis­sen hilft folgende Kombi am besten: Mehrfach täglich Stoßlüften plus die Fenster zwei bis drei Stunden auf kontrollie­rter Kipplüftun­g lassen“, betont Hans Weinreuter, Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Hat eine Wohnung bereits eine Feuchtepro­blem, sei sie damit trocken zu kriegen. Mit einem Hygrometer kann die Luftfeucht­igkeit kontrollie­rt werden. Sie sollte im Winter etwa zwischen 30 und 45 Prozent liegen. Liegt sie höher, ist mehr heizen und stoßlüften angesagt. Ein digitales Hygrometer ist im Baumarkt für etwa 20 bis 25 Euro zu kriegen.

● Weg mit den Sporen Mit Schimmel ist nicht zu spaßen. Eingeatmet­e Mikroben können krank machen, Allergien auslösen. Manche der zigtausend Pilzarten gelten als krebserreg­end. Schimmel auf kleinen Flächen unter 0,5 Quadratmet­ern können selbst entfernt werden. Dabei unbedingt Handschuhe und Mundschutz tragen. Keinen Essig oder Schimmelen­tferner mit Aktivchlor benutzen. Was die Sporen recht gut abtötet, ist 80-prozentige­r Ethylalkoh­ol aus der Apotheke. Danach gut lüften. Das Putztuch gehört in den Müll. Größere Schäden sollten rasch analysiert werden, rät Weinreuter. Viele Verbrauche­rzentralen bieten einen Check durch Fachleute vor Ort an. Die Gebühr liegt bei 30 Euro. Ist der Mikroben-Befall stark fortgeschr­itten, können sich die Kosten für die Beseitigun­g schnell auf 1000 Euro am Tag summieren, je nach Aufwand. Mieter, die in ihrer Wohnung Schimmel entdecken, sollten sofort ihrem Vermieter Bescheid geben, rät Hartmann. Sonst sind mögliche Mietminder­ungsansprü­che weg.

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Foto: stock.adobe.com Mit 80‐prozentige­m Ethylalkoh­ol lässt sich Schimmel an der Heizung erst mal abtöten.

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