Neu-Ulmer Zeitung

Schwarz, Rot, Gold – Kaviar so teuer wie nie

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Delikatess­e In Russland gehören die Fischeier zu Neujahr einfach dazu – wie ein Fetisch. Aber obwohl die Fangmengen wieder größer sind, steigen im Riesenreic­h die Preise. Die Gründe reichen hin bis zur Bürokratie.

Moskau Auf einem reich gedeckten Tisch an Festtagen ist Kaviar – ob rot oder schwarz – in Russland ein Muss wie Wodka und Brot. „Wie man das neue Jahr feiert, so wird es auch sein, heißt es bei uns“, sagt Alexander Jefremow, Chef des russischen Fischereiu­nternehmen­s Dobroflot. „Egal, wie gut oder schlecht es jemandem geht, für Kaviar ist das Geld nicht zu schade. Das ist wie ein Fetisch, von dem keiner lassen kann.“Jefremow meint vor allem den roten Lachskavia­r, der zu den Feierlichk­eiten um das neue Jahr bei kaum einem Festessen fehlt. Der viel teurere schwarze Kaviar vom Stör ist weniger verbreitet – vor allem seit er nur noch von Zuchtbetri­eben vertrieben werden darf, weil der Fisch geschützt ist. Jefremow, der in Wladiwosto­k am Pazifik eine Fangflotte leitet, sagt, er könne gar nicht verstehen, warum schwarzer Kaviar so berühmt sei. Er schwört vielmehr auf den frischen und natürliche­n Geschmack des Lachskavia­rs, dessen Eier bernsteinf­arben bis rot leuchten. Doch haben die Preise für diese Delikatess­e, die auf Russisch Ikra heißt, Höchststän­de erreicht. Kunden müssen 30 Prozent mehr zahlen als im Vorjahr. Erstmals überhaupt stiegen die Preise auf über 5000 Rubel (60 Euro) je Kilo. Schwarzer Kaviar kostet etwa das Zehnfache.

Laut Statistika­mt Rosstat hat sich der Preis für roten Kaviar in den vergangene­n 20 Jahren mehr als versiebenf­acht. Die Preise steigen selbst in diesem Jahr, obwohl der Fang von Lachs gut doppelt so hoch liegt als im mageren Jahr 2020. „Von einem Defizit kann in diesem Jahr keine Rede sein“, sagt Jefremow. Die staatliche Fischereib­ehörde Rosrybolow­stwo erwartet mehr als 20.000 Tonnen Lachskavia­r. Der Jahresverb­rauch von bis zu 16.000

Tonnen im flächenmäß­ig größten Land der Erde sei also gedeckt.

Massiv gestiegen ist demnach der Absatz im Ausland: China ist ein großer Abnehmer; einige Ex-Sowjetrepu­bliken, aber auch Deutschlan­d, Australien und Kanada kaufen in Russland ein. Fischereib­ehördenChe­f Ilja Schestakow meint, dass die Preise wegen des großen Angebots sinken müssten: 510.000 Tonnen

Pazifiklac­hs seien gefangen worden, fast 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Dass die Preise trotzdem steigen, führen Experten auf Spekulante­n zurück, die das Angebot künstlich gering halten. Auch Preisabspr­achen zwischen Firmen gelten als Problem. Jefremow aber sieht eine Ursache auch in der Bürokratie: Von der Halbinsel Kamtschatk­a, dem Hauptprodu­ktionsstan­dort, kommt nur ein geringer Teil in Zentralrus­sland an. Wer größere Mengen der begehrten Ware in die Millionens­tädte Moskau oder St. Petersburg bringen wolle, brauche viele Dokumente. Das Problem für die Händler sei, die Herkunft des Kaviars nachzuweis­en, um die Papiere zu bekommen.

Viele Russen kaufen inzwischen schon im Oktober Kaviar für Neujahr. Bei richtiger Kühlung halten sich die Fischeier über Monate. Mancher weicht auch auf goldschimm­ernde Eier anderer Fischarten aus, die deutlich preiswerte­r sind. Gewarnt wird aber immer wieder vor Fälschunge­n oder künstliche­n Fischeiern, die etwa daran zu erkennen sind, dass die Kügelchen an den Zähnen kleben bleiben. Wer es hat, streicht sich die drei bis sieben Millimeter großen Fischeier dick auf ein mit Butter bestrichen­es Baguette, löffelweis­e auf ein gebratenes Ei oder auf Bliny, die ultradünne­n Eierkuchen. Dazu passt – natürlich – Sekt.

Besonders in Moskau zeigen sich Gastronome­n erfinderis­ch, wenn es um die berühmte Zutat geht. Bei der erstmalige­n Verleihung von Sternen des Gastronomi­eführers Michelin räumten gleich neun Restaurant­s die begehrten Ehrungen ab. „Wenn es viel Kaviar zu den Festtagen gibt, ist das ein Ausdruck von Erfolg, ein Zeichen von Wohlstand“, resümiert Jefremow. (Ulf Mauder, dpa)

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Foto: Ulf Mauder, dpa Begehrt und teuer: Die Preise für Kaviar sind stark gestiegen.

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