Ihr Vater gab die Schüsse ab
Ermittlungen Nach dem Verbrechen mit zwei toten Kindern in einem Einfamilienhaus nahe Hamburg gewinnen Polizei und Staatsanwaltschaft erschütternde Erkenntnisse.
Glinde Zwei weiße Kuscheltier-Bären mit Weihnachtsmann-Mützen sitzen am Dienstag vor dem Gartenzaun des Einfamilienhauses mit der dunklen Tür. In einem Brief dazu steht in Kinderschrift: „Wir werden euch vermissen! Ruhet in Frieden!“Dazu hat das schreibende Kind einen Engel gemalt.
Der Brief richtet sich wohl an die zwei Jungen, die am zweiten Weihnachtsfeiertag in diesem Haus im schleswig-holsteinischen Glinde erschossen wurden. Nach neuesten Erkenntnissen vom eigenen Vater.
Die Obduktion der drei Toten aus dem Haus hat den Familienvater als Täter identifiziert und bestätigt. Seine beiden elf und 13 Jahre alten Söhne kamen demnach durch jeweils einen Schuss ums Leben, wie ein Sprecher der Lübecker Staatsanwaltschaft am Dienstag sagte. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen ergaben zudem, dass der Vater sich „offensichtlich“selber erschoss.
Am späten Abend des zweiten
Weihnachtsfeiertages wurden nach Schüssen in dem Wohnhaus in der kleinen Stadt Glinde die Leichen der zwei Kinder gefunden. Der Vater starb trotz Wiederbelebungsversuchen noch im Haus. Die Mutter wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gefahren. Am Montag war sie nicht mehr in Lebensgefahr. Schon kurz nach der Tat gingen die Ermittlerinnen und Ermittler davon aus, dass die Schüsse einen familiären Hintergrund haben. Die Frau sei zunächst auch noch ansprechbar gewesen, hieß es am Montag von Polizei und Staatsanwaltschaft. Sie habe aber zum Tatgeschehen selbst keine weiteren Hinweise geben können.
Die Auswertung des Notrufs habe ebenfalls ergeben, dass der 44-Jährige derjenige war, „der für die Schüsse verantwortlich war“. Den Angaben zufolge setzte seine Ehefrau den Notruf ab. Sie lag am Dienstag mit mehreren Schussverletzungen noch immer im künstlichen Koma. Hinweise auf ein Motiv hätten sich durch den Notruf nicht ergeben. Der Tatort sei für weitere Ermittlungen in dieser Sache von der Spurensicherung zunächst noch nicht freigegeben, erklärte der Sprecher weiter.
Nach bereits 15-stündiger Arbeit am Montag setzten die Techniker der Kriminalpolizei am Dienstag ihre Arbeit fort. Sie suchten in dem Haus nach weiteren Spuren und sicherten sie. Dazu gehören beispielsweise die Projektile, Einschusslöcher und Blutspritzer.
Glinde ist eine 18.000-Einwohner-Stadt im schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn. Zur Nationalität der Familie wollte der Sprecher mit Hinweis auf den Pressekodex – nach dem die Nationalität nicht genannt werden muss, wenn sie nicht tatrelevant oder von begründetem öffentlichen Interesse ist – nichts sagen. Vorbestraft waren den Angaben zufolge weder Mutter noch Vater.
Das Haus steht in einer Straße mit vielen Einfamilienhäusern und wirkt mit seiner weißen Fassade frisch saniert. Auch das Dach scheint erst kürzlich neu gedeckt worden zu sein. „Es ist keine typische Brennpunktsiedlung“, so beschrieb es der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Blumen, Kerzen und Briefe am Gartenzaun werden im Lauf des Dienstags immer mehr. Auf Zetteln steht zum Beispiel geschrieben: „Ich werde euch nie vergessen.“Auch die Weihnachtsbeleuchtung am Haus brennt weiterhin.
Glinde ist nicht das erste Mal der Schauplatz eines Verbrechens innerhalb einer Familie. Im Januar 2014 hatte ein Mann in religiösem Wahn seinem sechsjährigen Sohn und seiner vierjährigen Tochter im Schlaf die Kehlen durchgeschnitten. Der aus Afghanistan stammende Mann kam in die geschlossene Psychiatrie. Der Zahnarzt galt als nicht schuldfähig und konnte deshalb nicht wegen des zweifachen Mordes zur Verantwortung gezogen werden. (dpa)