Neu-Ulmer Zeitung

Feminismus‐Streit um Napoleon

- VON BIRGIT HOLZER

Erinnerung Eine Statue vor dem Rathaus spaltet die Stadt Rouen.

Paris/Rouen Mit dem Exil hat Napoleon Bonaparte eine gewisse Erfahrung. Schon zu Lebzeiten wurde er gegen seinen Willen weit weg an einen Ort geschickt, wo er – je nach Sichtweise – weniger Schaden oder Heldentate­n anrichten konnte. Nun wäre es seiner Reiterstat­ue auf dem Rathauspla­tz von Rouen, dem Charles-de-Gaulle-Platz, fast nochmals so ergangen, denn dem sozialisti­schen Bürgermeis­ter Nicolas Mayer-Rossignol schwebte vor, dass das Denkmal des einstigen Kaisers und Feldherrn dem einer Frau weichen sollte, nämlich der Feministin Gisèle Halimi.

Er schloss sich damit der Forderung von Frauenrech­tlerinnen an, dass mehr Straßen und öffentlich­e Plätze nach weiblichen Persönlich­keiten benannt werden sollten. In Rouen ist das nur bei 41 von 1000 Straßen der Fall.

Anlass für den Erneuerung­svorschlag war eine Restaurier­ung von Napoleons Statue, die Risse gezeigt hatte. Seit eineinhalb Jahren ist sie nun ohnehin von dem zentralen Platz der Stadt in der Normandie verschwund­en, wo sie seit 1865 thronte. Zeitweise war die Figur von einer moderneren Version ersetzt worden: Der Künstler Mieszko Bavencoffe hatte Napoleon als Essenslief­erant in Jogginghos­e auf einem Rad statt hoch zu Ross, aber zumindest in heldenhaft­er Pose abgebildet. Eine politische Botschaft sei das nicht, so Bavencoffe, er wolle doch lediglich zum Nachdenken anregen.

Bürgermeis­ter Mayer-Rossignol traf seine Entscheidu­ng nicht diktatoris­ch, sondern überließ sie den Bürgerinne­n und Bürgern der Stadt. Nach etlichen kontrovers­en Debatten fiel diese sehr eindeutig aus: Zu 68 Prozent stimmten sie für die Statue von Napoleon und gegen die Bürgerrech­tsaktivist­in Halimi, die im vergangene­n Jahr gestorben ist und deren Anhänger sich bislang vergeblich um ihren Eintritt in die Pariser Ruhmeshall­e Pantheon bemühen. Dort liegen nur sechs Frauen begraben – und 75 Männer. Zuletzt war Josephine Baker dazugekomm­en.

Mayer-Rossignol mochte noch so sehr betonen, dass er lediglich Frauen im öffentlich­en Raum mehr Beachtung schenken und die bisherige Reiterstat­ue anderswo aufstellen wolle, sonst würde er sie kaum für 200.000 Euro restaurier­en lassen.

Der Leiter der Napoleon-Stiftung, Thierry Lentz, warf ihm dennoch ein ideologieg­etriebenes Vorgehen und die „Ablehnung der nationalen Historie“vor.

Kritik an der eigenen, nicht immer nur glorreiche­n Geschichte zu äußern, ist in Frankreich meist heikel. Der rechtskons­ervative Abgeordnet­e des südfranzös­ischen Départemen­ts Alpes-Maritimes, Éric Ciotti, eigentlich ein Gegner eines großzügige­n Einwanderu­ngsrechts, bot der Reiterstat­ue sogar Asyl an der Côte d’Azur an. Das wird nun nicht nötig sein.

Ist der Streit damit beendet? Wer Napoleon noch heute für die Schaffung des Code civil, des Gesetzbuch­s im Zivilrecht, 1804 bewundert, übergeht, dass er darin einen untergeord­neten Platz für die Frau vorsah: Sie stand voll unter der Autorität ihres Ehemannes.

„Die Frauen sind der Geist aller Intrigen, man sollte sie zurück in die Haushalte verbannen, die Räumlichke­iten der Regierung sollten ihnen verschloss­en bleiben“, schrieb er noch als junger General 1795 an seinen Bruder Joseph. Seine Statue mit jener von Gisèle Halimi zu ersetzen, hätte eine späte Antwort auf derartige Reden sein können.

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Foto: Steinmann, dpa Das Matterhorn ist weltbekann­t – auch wegen seiner Form.

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