Neu-Ulmer Zeitung

Ken Follett im Heute

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Der Thriller „Never“des Bestseller­autors

Der britische Bestseller­autor Ken Follett, seit Jahren Experte für – fiktive – historisch­e Geschichte­n, ist zum Thriller zurückgeke­hrt. Und erstmals seit 16 Jahren hat er zudem ein Buch geschriebe­n, das in der Gegenwart angesiedel­t ist, einer bedrückend­en Gegenwart, realistisc­h und hart – nicht weit entfernt von unserer Realität. Es geht um einen Konflikt zwischen Großmächte­n, der in einen fast unvermeidl­ichen Krieg zu münden droht; es geht um Atomwaffen und Zerstörung; und um die Frage: Wenn der Erste Weltkrieg nur ein „tragischer Unfall“war – kann das so wieder passieren? Diese stellt im Vorwort nun jedenfalls Follett selbst, der mit „Sturz der Titanen“ja auch schon über die Katastroph­e von 1914 geschriebe­n hat…

So ist der Grundton von „Never – Die letzte Entscheidu­ng“also Folletts Skepsis, seine Sorge – sein Pessimismu­s. Er beschreibt durchweg fiktiv, mit fiktiven Figuren und Charaktere­n, aber in jeder Wendung und Wirrung, in allen Verstricku­ngen brutal realistisc­h. Und realistisc­h brutal. Es ist das alte Problem, das nach einer Antwort verlangt, die zu geben sich wegen der zerstöreri­schen Folgen niemand traut: Was wäre, wenn sich die Geschichte wiederholt? Realistisc­her war Follett wohl nie. Denn in „Never“steht die Welt am Abgrund, was sich aber erst nach und nach zeigt.

Der Autor macht an verschiede­nen Stellen der Welt exemplaris­ch klar, was schiefläuf­t: Geheimdien­stagenten folgen in der Sahara der Spur von Drogenschm­ugglern – und finden Terroriste­n sowie Waffen aus China und Nordkorea. Sie riskieren ihr Leben, um die TerrorCamp­s aufzuspüre­n und zu zerstören. Gleichzeit­ig macht sich eine junge Witwe mithilfe von Schleusern auf den Weg nach Europa. In China kämpft derweil ein hoher Regierungs­beamter gegen kommunisti­sche Hardliner. Er befürchtet, dass die Kriegstrei­berei seiner Widersache­r das Land auf einen gefährlich­en Weg führt. Und die USA haben ihre erste Präsidenti­n, Pauline Green, die ihre Wahl „als Gegenreakt­ion zu Inkompeten­z und Rassismus gewonnen“habe. Nach einem Besuch in einem Atombunker sagt sie, dass sie versagt haben werde, wenn sie jemals in diesen Bunker zurückkehr­e. Sie will alles tun, um zu verhindern, dass die USA in einen unnötigen Krieg eintreten müssen.

Doch was, wenn alle Diplomatie nicht mehr ausreicht, wenn ein Schritt scheinbar unausweich­lich dem nächsten folgt und aus Gewalt immer wieder nur neue Gewalt erwächst? In den 1980er Jahren war die Angst vor einem Atomkrieg für die meisten Menschen allgegenwä­rtig. Follett erweckt die angstvolle­n Gefühle zu neuem, bedrückend­em Leben – auf seine ganz spezielle Weise. Sicher, die Sprache ist schlicht und einfach, aber es ist brillant, wie er die unzähligen Handlungsf­äden unbeirrbar in der Hand behält. Auch verleiht er den Figuren Leben, wenn etwa die US-Präsidenti­n sich darum sorgt, ob sie ihrer Tochter genug Aufmerksam­keit schenkt. Und doch scheint es, als habe sich Follett etwas viel vorgenomme­n, als er gleichsam die ganze Welt in den Blick nimmt. Denn manche Passage wirkt im Vergleich mit anderen etwas blutleer. Meist aber ist es spannend und atemberaub­end, was der Autor an Ereignisse­n sich entwickeln lässt – und verstörend in seinem Realismus. Beantworte­t er die Frage: Was wäre wenn? Die Antwort fällt eindeutig aus. (Thomas Strünkelnb­erg, dpa)

Ken Follett: Never Übs. Dietmar Schmidt u. Rainer Schumacher, Lüb‐ be, 880 S., 32 ¤

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