Muslime kochen für die Ärmsten der Armen
Wohltätigkeit Wie Angehörige einer islamischen Gemeinschaft in einer katholischen Einrichtung in Ulm bedürftige Menschen mit Gerichten aus der alten Heimat versorgen.
Ulm Wäre er nicht etwas weihnachtlich geschmückt, wäre der einfach eingerichtete Aufenthaltsraum im Ulmer Caritas-Treff 39 an der Ecke Bessererstraße/Wilhelmstraße für den einen oder anderen wohl keine Stube der ganz großen Behaglichkeit. Doch mit der Speisung der sich als Reformbewegung des Islams verstehenden Religionsgemeinschaft Ahmadiyya ändert sich das.
Für Bedürftige, Wohnsitz- oder Obdachlose ist der Treff 39 eine willkommene Anlaufstelle, um sich in manchen Dingen beraten zu lassen, vor allem aber, um sich jetzt in der kalten Jahreszeit etwas aufzuwärmen, ein Frühstück oder mittags eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen und etwas Unterhaltung zu haben – falls gewünscht.
Nicht jeder Besucher möchte dies, mancher kann es auch nicht. Denn Ungeimpfte haben keinen Zutritt in diese Einrichtung der katholischen Caritas. Sie bekommen ihr Essen, das es normalerweise für einen besseren Spottpreis gibt, durchs Fenster gereicht und ziehen wieder von dannen.
Unmittelbar nach Weihnachten ist der Raum am Vormittag noch halbwegs verwaist. Vereinzelt haben Menschen mit Abstand an den Tischen Platz genommen. Die Ruhe vor dem (An-)Sturm? Mitnichten. Mehr Leben kommt erst in den Treff, als drei junge Männer recht schwer bepackt die Küche betreten, die dem Aufenthaltsraum direkt angegliedert ist und die eine große Durchreiche besitzt. Razwan Ahmad, Ummar Mohammad und Talha Waqar sind junge, muslimische, perfekt Deutsch sprechende Pakistani der Ahmadiyya-Jugendorganisation Ulm.
Seit zehn Jahren sorgt sich die bundesweite Organisation, also auch in Ulm, mit diversen Aktionen um Hilfsbedürftige, zum Beispiel mit einer Speisung wie gerade jetzt. Zusammen werkeln die drei in der Küche. „Wir haben zu Hause das Essen gekocht und in 25 Schalen verpackt“, berichtete Razwan Ahmad. „Es gibt eine Linsensuppe und dann
Reis mit Linsen.“Das Interessante an dem Essen sind die Gewürze aus der Heimat der Pakistani. Fleisch und Fisch werden im Treff auch sonst eher selten gereicht, denn es gibt unter den Abnehmern Vegetarier.
„Früher sind wir durch die Stadt gelaufen und haben die Obdachlosen besucht“, erzählte Razwan Ahmad. „Dann waren wir mit unserer Aktion beim Deutschen Roten Kreuz, nun verteilen wir bei der Caritas die Speisen.“Was einem Gast imponiert: „Ich finde das toll, dass Muslime zu einer katholischen Einrichtung kommen. Und das Essen sagt mir wirklich zu.“Eine Frau, die offensichtlich im Treff 39 gut bekannt ist, ergänzt: „Ja, miteinander statt gegeneinander, das ist stark. Und das Essen ist absolut lecker.“„Früher haben sich bei uns immer zehn bis 15 Leute an der Aktion beteiligt, die wir immer in unterschiedlichen Monaten machen“, sagt Ummar Mohammad. „Aber jetzt während Corona machen wir das mit so wenig Angehörigen unserer Organisation wie möglich.“Das Trio hat alles selbst gerichtet. Das von ihrer Gemeinde gespendete Mahl haben sie selbst zubereitet und verpackt und dazu noch Mineralwasser besorgt, das dann zum Essen gereicht wurde. Das alles haben die Helfer in Kisten in die Bessererstraße 39 gefahren und dort die Bedürftigen bedient – im Raum oder durchs Fenster.
Der Andrang im Treff so direkt nach Weihnachten war geringer als erwartet und erhofft. Ab elf Uhr wurde bedient, aber es gingen nicht alle Essen weg, was nicht so tragisch war, denn die höchst akkurat und hygienisch in Aluschalen verpackten Speisen ließen sich am Tag darauf in der Mikrowelle gut aufwärmen. Während die Caritas-Mitarbeiter vor allem in Küche und Aufenthaltsraum nach den Corona-Regeln arbeiten und sich auch die drei jungen Muslime streng nach diesen verhielten, verweist Norman Kurock, einer der fünf Caritas-Sozialarbeiter, ebenfalls mit Maske und
Abstand ein paar Stockwerke höher darauf, dass das Haus als Tagesstätte täglich bis 16 Uhr geöffnet ist und die Gäste dort auch fernsehen und duschen können. „Dazu gibt es bei uns eine Kleiderkammer“, sagt Kurock, „aus der unsere Besucher sich warme Kleidung, eine Isomatte oder einen Schlafsack gegen Minibeträge aussuchen können. Wir führen auch Beratungsgespräche, was aber nicht jeder will.“
Eines will die Caritas auf jeden Fall: Spenden. „Die sind hier gerne gesehen und die brauchen wir“, sagt Norman Kurock weiter. Und so kam auch die Essensspende von der Ahmadiyya-Jugendorganisation bestens an.