Neu-Ulmer Zeitung

Muslime kochen für die Ärmsten der Armen

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Wohltätigk­eit Wie Angehörige einer islamische­n Gemeinscha­ft in einer katholisch­en Einrichtun­g in Ulm bedürftige Menschen mit Gerichten aus der alten Heimat versorgen.

Ulm Wäre er nicht etwas weihnachtl­ich geschmückt, wäre der einfach eingericht­ete Aufenthalt­sraum im Ulmer Caritas-Treff 39 an der Ecke Bessererst­raße/Wilhelmstr­aße für den einen oder anderen wohl keine Stube der ganz großen Behaglichk­eit. Doch mit der Speisung der sich als Reformbewe­gung des Islams verstehend­en Religionsg­emeinschaf­t Ahmadiyya ändert sich das.

Für Bedürftige, Wohnsitz- oder Obdachlose ist der Treff 39 eine willkommen­e Anlaufstel­le, um sich in manchen Dingen beraten zu lassen, vor allem aber, um sich jetzt in der kalten Jahreszeit etwas aufzuwärme­n, ein Frühstück oder mittags eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen und etwas Unterhaltu­ng zu haben – falls gewünscht.

Nicht jeder Besucher möchte dies, mancher kann es auch nicht. Denn Ungeimpfte haben keinen Zutritt in diese Einrichtun­g der katholisch­en Caritas. Sie bekommen ihr Essen, das es normalerwe­ise für einen besseren Spottpreis gibt, durchs Fenster gereicht und ziehen wieder von dannen.

Unmittelba­r nach Weihnachte­n ist der Raum am Vormittag noch halbwegs verwaist. Vereinzelt haben Menschen mit Abstand an den Tischen Platz genommen. Die Ruhe vor dem (An-)Sturm? Mitnichten. Mehr Leben kommt erst in den Treff, als drei junge Männer recht schwer bepackt die Küche betreten, die dem Aufenthalt­sraum direkt angegliede­rt ist und die eine große Durchreich­e besitzt. Razwan Ahmad, Ummar Mohammad und Talha Waqar sind junge, muslimisch­e, perfekt Deutsch sprechende Pakistani der Ahmadiyya-Jugendorga­nisation Ulm.

Seit zehn Jahren sorgt sich die bundesweit­e Organisati­on, also auch in Ulm, mit diversen Aktionen um Hilfsbedür­ftige, zum Beispiel mit einer Speisung wie gerade jetzt. Zusammen werkeln die drei in der Küche. „Wir haben zu Hause das Essen gekocht und in 25 Schalen verpackt“, berichtete Razwan Ahmad. „Es gibt eine Linsensupp­e und dann

Reis mit Linsen.“Das Interessan­te an dem Essen sind die Gewürze aus der Heimat der Pakistani. Fleisch und Fisch werden im Treff auch sonst eher selten gereicht, denn es gibt unter den Abnehmern Vegetarier.

„Früher sind wir durch die Stadt gelaufen und haben die Obdachlose­n besucht“, erzählte Razwan Ahmad. „Dann waren wir mit unserer Aktion beim Deutschen Roten Kreuz, nun verteilen wir bei der Caritas die Speisen.“Was einem Gast imponiert: „Ich finde das toll, dass Muslime zu einer katholisch­en Einrichtun­g kommen. Und das Essen sagt mir wirklich zu.“Eine Frau, die offensicht­lich im Treff 39 gut bekannt ist, ergänzt: „Ja, miteinande­r statt gegeneinan­der, das ist stark. Und das Essen ist absolut lecker.“„Früher haben sich bei uns immer zehn bis 15 Leute an der Aktion beteiligt, die wir immer in unterschie­dlichen Monaten machen“, sagt Ummar Mohammad. „Aber jetzt während Corona machen wir das mit so wenig Angehörige­n unserer Organisati­on wie möglich.“Das Trio hat alles selbst gerichtet. Das von ihrer Gemeinde gespendete Mahl haben sie selbst zubereitet und verpackt und dazu noch Mineralwas­ser besorgt, das dann zum Essen gereicht wurde. Das alles haben die Helfer in Kisten in die Bessererst­raße 39 gefahren und dort die Bedürftige­n bedient – im Raum oder durchs Fenster.

Der Andrang im Treff so direkt nach Weihnachte­n war geringer als erwartet und erhofft. Ab elf Uhr wurde bedient, aber es gingen nicht alle Essen weg, was nicht so tragisch war, denn die höchst akkurat und hygienisch in Aluschalen verpackten Speisen ließen sich am Tag darauf in der Mikrowelle gut aufwärmen. Während die Caritas-Mitarbeite­r vor allem in Küche und Aufenthalt­sraum nach den Corona-Regeln arbeiten und sich auch die drei jungen Muslime streng nach diesen verhielten, verweist Norman Kurock, einer der fünf Caritas-Sozialarbe­iter, ebenfalls mit Maske und

Abstand ein paar Stockwerke höher darauf, dass das Haus als Tagesstätt­e täglich bis 16 Uhr geöffnet ist und die Gäste dort auch fernsehen und duschen können. „Dazu gibt es bei uns eine Kleiderkam­mer“, sagt Kurock, „aus der unsere Besucher sich warme Kleidung, eine Isomatte oder einen Schlafsack gegen Minibeträg­e aussuchen können. Wir führen auch Beratungsg­espräche, was aber nicht jeder will.“

Eines will die Caritas auf jeden Fall: Spenden. „Die sind hier gerne gesehen und die brauchen wir“, sagt Norman Kurock weiter. Und so kam auch die Essensspen­de von der Ahmadiyya-Jugendorga­nisation bestens an.

 ?? Foto: Stefan Kümmritz ?? Die jungen Pakistani Razwan Ahmad, Ummar Mohammad und Talha Waqar bedienen bei der Caritas in Ulm bedürftige Menschen. Sie haben das Essen selbst gekocht und es wurde kostenlos gereicht. Es gab Linsensupp­e und dann Linsen mit Reis. Hier haben sie gerade eine Frau bedient, der das Essen absolut mundete.
Foto: Stefan Kümmritz Die jungen Pakistani Razwan Ahmad, Ummar Mohammad und Talha Waqar bedienen bei der Caritas in Ulm bedürftige Menschen. Sie haben das Essen selbst gekocht und es wurde kostenlos gereicht. Es gab Linsensupp­e und dann Linsen mit Reis. Hier haben sie gerade eine Frau bedient, der das Essen absolut mundete.

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