Er will nicht mehr funktionieren
Porträt Vor einem Jahr machte Komiker Kurt Krömer öffentlich, dass er wegen einer Depression in Behandlung ist. Nun hat er ein Buch über seine Krankheit geschrieben.
Die Lieblingsfrage der Depressiven, sagt Kurt Krömer, ist natürlich: „Wie geht’s dir?“Weil sie so einfach ist, das Flunkern so leicht macht. „Ich habe einfach immer gesagt, dass es mir gut geht. Aber genau so wurde ich auch erzogen, man darf eben nicht klagen.“So formuliert es Krömer in seinem Buch, das er in einer Phase geschrieben hat, in der es ihm überhaupt nicht gut ging. „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“, heißt es, und Krömer verarbeitet darin seine Depression.
Krömer, 47, ist Komiker, seine Show im rbb ist nach ihm benannt, sie heißt „Chez Krömer“. Er lädt dorthin oft Menschen ein, die er nicht leiden kann, Frauke Petry zum Beispiel oder Erika Steinbach. Menschen, mit denen Krömer sich gut streiten kann. Er hat einen eigenwilligen Humor, kann oft rotzig sein, unter die Gürtellinie zielen, man hat den Eindruck, er ist kein einfacher Gesprächspartner.
Über den Menschen hinter dem Komiker war bisher nicht viel bekannt, das will Krömer nun mit seinem Buch ändern. Es fängt schon beim Namen an: Krömer heißt eigentlich Alexander Bojcan, ist alleinerziehender Vater von vier Kindern, trockener Alkoholiker. Bojcan und Krömer, der echte Mensch und die Kunstfigur. Beide, erzählte er zuletzt, verschwimmen mittlerweile immer öfter.
Seit 30 Jahren sei er depressiv gewesen – ohne es zu wissen, schreibt Kurt Krömer in seinem Buch. Er habe ein Doppelleben geführt: nach außen der selbstbewusste, lakonische Komiker und im Inneren eine traurige, verzweifelte, depressive Seite, von der er nie gewusst habe, woher sie kommt. In seinem Buch legt Krömer all das offen, schreibt über den schwierigen Vater, die Alkoholsucht und über jene acht Wochen im Herbst 2020, die er in einer Klinik verbracht hat, um seine Depression zu heilen. Dort lernt er von seiner Therapeutin, dass Menschen anders als Roboter nicht immer funktionieren können. „Wenn jemand sagt: ,Ich funktioniere nicht mehr richtig‘, dann zucke ich immer zusammen“, erzählte Krömer vor kurzem in einem Interview. „Funktionieren ist gleichzusetzen mit Hamsterrad. Funktionieren ist ganz doof.“
Im Frühjahr 2021 macht Krömer seine Depression öffentlich, in einer Folge seiner Sendung mit Comedian Torsten Sträter, der selbst sehr offen über seine Depression spricht. Danach erreichten Krömer tausende Nachrichten. Das habe ihn komplett überrannt, sagt er. Menschen schreiben ihm Mails, Nachrichten auf Instagram, verfassen handschriftliche Briefe, die sie ihm schicken. Viele erzählen ihre Geschichte, berichten von den düsteren Situationen, in denen sie selbst sich befinden. Für Krömer ist das der Moment, in dem er beschließt, ein Buch zu schreiben. „Ich kann nicht akut helfen“, hat er dort notiert. „Alles, was ich kann, ist meine Geschichte erzählen.“Sarah Schierack