Neu-Ulmer Zeitung

Lechwerke müssen Netz massiv ausbauen

- VON MICHAEL KERLER

Bilanz Um all den künftig fließenden Sonnenstro­m überhaupt aufnehmen zu können, braucht es viele neue Leitungen und Trafos. Der Energieanb­ieter will eine halbe Milliarde Euro investiere­n – und warnt vor hohen Energiepre­isen.

Augsburg Bisher spüren die Kundinnen und Kunden der Lechwerke die steigenden Preise an den Energiemär­kten nicht. Das Unternehme­n hat über den Jahreswech­sel seine Tarife konstant gelassen, in der Grundverso­rgung sind die Kosten sogar leicht gesenkt worden, nachdem die Ökostromum­lage zum Jahreswech­sel zurückgega­ngen war. Die komfortabl­e Lage könnte sich aber ändern. „Die Preise an den Energiemär­kten sind in den letzten Monaten förmlich explodiert“, sagte Vorstand Dietrich Gemmel auf der Jahrespres­sekonferen­z des Unternehme­ns. „Sie liegen sowohl für Strom als auch für Gas ein Vielfaches über dem Niveau, das wir noch 2020 gesehen haben“, warnte er. „Der Krieg in der Ukraine hat die sehr angespannt­e Situation weiter verschärft“, sagte Gemmel.

Die Lechwerke kaufen Strom im Großhandel, der an die Endkunden weiterverk­auft wird. Traditione­lle Energieanb­ieter erwerben diese Strommenge­n häufig langfristi­g und profitiere­n von geringeren Preisen in der Vergangenh­eit. „Durch unsere Beschaffun­gsstrategi­e können wir Preissprün­ge vorübergeh­end abfedern und extreme Preisspitz­en kappen“, sagte Gemmel. „Einem umfassende­n und langfristi­gen Markttrend können auch wir uns nicht entziehen“, warnte er. Durch die Insolvenz von Billiganbi­etern hat das Unternehme­n Ende 2021 zudem mehrere tausend Kundinnen und Kunden in die Ersatzvers­orgung aufgenomme­n, für die es kurzfristi­g Strom zukaufen musste.

Ob, wie und wann Strompreis­e für die Kundschaft steigen, könne man heute noch nicht sicher sagen, berichtete Gemmel. Zum einen fällt ab 1. Juli die EEG-Umlage für Kunden komplett weg. Das hilft. „Selbstvers­tändlich geben wir dies weiter“, sagte Gemmel. Unklar ist zudem, welche Entlastung­en die Regierung noch beschließe­n könnte. Dem stehen die stark gestiegene­n Großhandel­spreise für Strom gegenüber.

Gemmel forderte deshalb eine weitere Entlastung für alle Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r – beispielsw­eise eine „Senkung der Stromsteue­r auf das europäisch­e Mindestmaß“und eine „Reduzierun­g der Umsatzsteu­er“. Derzeit liege der Anteil von Steuern und Abgaben an den Stromkoste­n bei über 50 Prozent. Am Ende müssen die Folgen für jeden LEW-Stromtarif extra kalkuliert werden.

Sicher ist indes, dass der Ukraine

Krieg die deutsche Energiewen­de nochmals beschleuni­gt. Die Lechwerke stellen sich auf viel Arbeit ein, machte LEW-Vorstand Markus Litpher deutlich. Bis 2035 soll die Stromverso­rgung in Deutschlan­d nach dem Willen der Bundesregi­erung klimaneutr­al sein. „Das Vorhaben ist gigantisch, die Zeit ist knapp“, warnte Litpher. Bis 2030 sollen in Deutschlan­d 200 Gigawatt Leistung an Photovolta­ik bereitsteh­en. Übertragen auf unsere Region bedeute dies, dass sich die aktuelle Leistung von zwei Gigawatt Photovolta­ik im LEW-Netz binnen acht Jahren auf mehr als sieben Gigawatt erhöhen müsse – mehr als das Dreifache.

Um den Sonnenstro­m überhaupt im Netz aufnehmen zu können, plant das regionale Energieunt­ernehmen Rekordinve­stitionen. In den Jahren 2022, 2023 und 2024 sollen jeweils mehr als 160 Millionen Euro investiert werden, sagte Litpher. „Insgesamt also rund 500 Millionen Euro.“Bisher investiert LEW rund 120 Millionen Euro pro Jahr. Das Geld fließt vor allem in Stromleitu­ngen und Trafos. Grob geschätzt müsse die bestehende Netzinfras­truktur und die Kapazität des Verteilnet­zes in nur acht Jahren um rund 50 Prozent erweitert werden, erklärte Litpher. „Wir brauchen tausende neue Ortsnetzst­ationen, zusätzlich­e Transforma­toren und Umspannwer­ke und erhebliche­n Leitungszu­bau auf allen Spannungse­benen“, sagte er.

Das vergangene Geschäftsj­ahr schloss das Unternehme­n mit einem um 18 Prozent höheren Umsatz ab, dieser lag bei 1,9 Milliarden Euro. Grund dafür seien aber vor allem die gestiegene­n Börsenprei­se für Strom, erklärte Litpher. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern blieb mit 146 Millionen Euro praktisch stabil. Den Aktionärin­nen und Aktionären wollen die Lechwerke wie im Vorjahr 2,80 Euro pro Papier als Dividende zahlen. Prognosen für dieses Jahr seien angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs „schwierige­r denn je“, sagte Litpher. Aktuell gehe man davon aus, einen Gewinn auf der Höhe des Vorjahres zu erzielen. Angestrebt werde auch „eine Dividende in der Größenordn­ung des Vorjahres“.

Tief betroffen zeigte sich das Unternehme­n vom Krieg in der Ukraine. „Dieser Krieg bringt unendliche­s Leid über die Menschen in der Ukraine und über Millionen, die auf der Flucht sind“, sagte Litpher. Um Frauen, Kindern und Männern auf der Flucht zu helfen, plant man nach einer Spendenakt­ion unter anderem auch, Werkswohnu­ngen für Geflüchtet­e bereitzust­ellen.

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Foto: Matthias Becker Die Lechwerke investiere­n 500 Millionen Euro ins Stromnetz.

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