Neu-Ulmer Zeitung

Mit leeren Taschen in die nächste Welle

- VON KARL DOEMENS

Corona In den USA kehrt wohl die Pandemie zurück. Aber der Regierung geht das Geld aus.

Washington Seit Wochen kennt die Kurve nur eine Richtung: nach unten. Gerade einmal 29.000 Neuinfekti­onen in den ganzen USA am Tag – das klingt im Vergleich zum Höchststan­d Mitte Januar, als die Fallzahl auf über eine Million geschossen war, beinahe lächerlich. Entspreche­nd haben die amerikanis­chen Behörden fast alle CoronaAufl­agen fallen lassen. Das Weiße Haus öffnet nach zweijährig­er Pause wieder seine Türen für Besuchergr­uppen. Nur noch eingefleis­chte Linksliber­ale tragen beim Einkauf im Supermarkt eine Maske.

Doch das Gefühl der postpandem­ischen Sicherheit, in dem sich viele Amerikaner wiegen, könnte täuschen. „Es ist verfrüht, jetzt einen Sieg zu verkünden“, warnt Anthony Fauci, der Chefberate­r der BidenRegie­rung: „Wir müssen für die Ausbreitun­g einer neuen Variante vorbereite­t sein.“Angesichts der gewaltigen Ansteckung­swelle in Europa sagt er einen kräftigen Anstieg der Infektione­n auch in den USA voraus. Der Bostoner Epidemiolo­ge John Brownstein warnte beim Sender ABC: „Darauf sind wir nicht vorbereite­t.“Die veröffentl­ichten Neuinfekti­onszahlen hält er für viel zu niedrig. Tatsächlic­h wird vielerorts in den USA gar nicht mehr getestet. Anderswo sind die Bürger auf Selbsttest­s umgestiege­n, deren Ergebnisse selten gemeldet werden.

So dürfte die Abwärtskur­ve bei den Fallzahlen trügen. Abwasserun­tersuchung­en in 120 Städten und Gemeinden deuten auf eine tatsächlic­he Verdoppelu­ng der Infektione­n in der vergangene­n Woche hin. Nach Daten der Seuchensch­utzbehörde CDC gehen je nach Region zwischen 20 Prozent im Mittleren Westen und 39 Prozent in New York und New Jersey an der Ostküste auf die noch ansteckend­ere Omikron-Variante BA.2 zurück.

Die CDC orientiert sich bei ihren Empfehlung­en jedoch an den offizielle­n Infektions­zahlen. Entspreche­nd hat sie vor einem Monat fast das ganze Land von „Rot“auf „Grün“gestellt und Maskengebo­te aufgehoben. Viele Experten bezweifeln, dass diese Entwicklun­g im Falle einer neuerliche­n Welle zurückzudr­ehen wäre.

Noch problemati­scher ist, dass der Washington­er Regierung im Kampf gegen die Pandemie das Geld ausgeht. Präsident Biden hatte beim Kongress 22,5 Milliarden Dollar für ein neues Corona-Paket beantragt, mit denen ein Ausbau der Test-Infrastruk­tur, die Anschaffun­g von weiterem Impfstoff und die Forschung an Medikament­en subvention­iert werden sollte. Das war den Republikan­ern aus ideologisc­hen Gründen zu viel. Notgedrung­en schrumpfte die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, das Paket auf 15,6 Milliarden Dollar. Doch nun stellen sich linke Demokraten quer. Ein Ausweg aus der gegenseiti­gen Blockade ist nicht in Sicht. Die Mittel werden tatsächlic­h knapp. So mussten am Mittwoch die bislang kostenlose­n Tests und Behandlung­en für mehr als 30 Millionen unversiche­rte Amerikaner bis auf Weiteres eingestell­t werden.

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