Neu-Ulmer Zeitung

Maskenverw­eigerer schlägt bei Kontrolle um sich

- VON WILHELM SCHMID

Justiz Ein Mann will beim Bäcker Nase und Mund nicht bedecken und wird aggressiv. Das hat vor Gericht ein Nachspiel.

Neu‐Ulm Diese Butterbrez­el wurde teuer: Als ein 65-Jähriger in NeuUlm beim Einkauf im Mai 2021 keine Maske aufsetzen wollte, rief das Bäckereipe­rsonal die Polizei, weil der Mann uneinsicht­ig war und lange diskutiert­e. Vor dem Amtsgerich­t war er nun wegen „tätlichen Angriffs auf Vollzugsbe­amte, Körperverl­etzung und Verletzung der Vertraulic­hkeit des Wortes“angeklagt. Er hatte sich mit den Ordnungshü­tern angelegt, war auf Krawall gebürstet – und den Dienstausw­eis einer Polizistin erkannte er nicht an.

Wie sich im Laufe der zweieinhal­bstündigen Beweisaufn­ahme herausstel­lte, zeigte der Mann bei Eintreffen der Polizei „keinerlei Einsicht“und steigerte sich in eine „Verweigeru­ngshaltung“hinein, wie es der bearbeiten­de Polizeibea­mte als Zeuge aussagte. Richter Thorsten Tolkmitt hatte eine Menge Videomater­ial zur Verfügung, von dem er auch einige Auszüge vorführte. Darunter waren nicht nur Bodycam-Aufnahmen von Polizeibea­mten, sondern auch Videoseque­nzen, die der Angeklagte selbst mit seinem Handy gefertigt hatte. Obwohl dieser den Beamten vorgehalte­n hatte, dass er nicht „in der Öffentlich­keit gefilmt“werden wolle, ließ er seine eigene Handykamer­a laufen. Als ihm diese abgenommen wurde, drohte er den Beamten, dass er „alle in die Haftung nehmen“werde. Zu dem Einsatz waren insgesamt acht Polizisten eingetroff­en, die ihm nach längerer Diskussion „unmittelba­ren Zwang“androhten, weil er sich standhaft weigerte, seinen Ausweis zu zeigen. Den von ihm verlangten und ihm auch vorgezeigt­en Polizeidie­nstausweis einer Beamtin erkannte er nicht an. So wurde er nach wiederholt­en Ankündigun­gen, aber fortgesetz­ter Verweigeru­ng, von mehreren Einsatzkrä­ften zu Boden gebracht und schließlic­h mit Handschell­en auf dem Rücken sowie Kabelbinde­rn um die Füße gefesselt. Dabei, so die Anklage, soll er eine Beamtin gegen das Schienbein getreten haben. Genau das jedoch war nun nicht zweifelsfr­ei nachweisba­r.

So einigten sich Richter, Verteidige­rin und Staatsanwä­ltin darauf, das Verfahren wegen Körperverl­etzung nicht weiterzuve­rfolgen und dazu wies Richter Tolkmitt darauf hin, dass anstelle des „tätlichen Angriffs“auch „Widerstand“als harmlosere­r Tatbestand infrage kommen könne. Auch der Angeklagte zeigte Einsicht; er bat den Polizei-Zeugen, seine Entschuldi­gung an die anderen Beamten zu übermittel­n und hatte schon eingangs darauf verwiesen, dass er am Tattag „auf dem falschen Dampfer“gewesen sei. Die Staatsanwä­ltin erneuerte ihren Vorwurf, dass er „aggressiv“vorgegange­n sei, die Beamten lächerlich machen wollte und dass auf den Videos sehr wohl zu erkennen gewesen sei, dass er „gezielt mit dem Bein geschlagen“habe.

Verteidige­rin Ulrike Mangold erinnerte an eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes, dass man Polizeiein­sätze in der Öffentlich­keit sehr wohl filmen dürfe, um „Waffenglei­chheit“herzustell­en. Ein tätlicher Angriff sei nicht zu erkennen und, weil der Mann mittellos sei, kämen allenfalls 100 Tagessätze zu 10 Euro als Strafe infrage. Ausdrückli­ch anerkannte die Verteidige­rin, dass die Polizeibea­mten „besonnen und völlig korrekt gehandelt“hätten. Der Angeklagte hatte zuvor angegeben, dass er vom Unterhalt seiner Frau und des Sohnes lebt, da er seit 1980 nichts mehr in die Rentenvers­icherung einbezahlt habe.

Daraus schloss Richter Tolkmitt, dass sein Einkommen allenfalls auf Hartz-IV-Niveau anzusetzen sei. Der Angeklagte sei zwar kein Reichsbürg­er, obwohl er die Beamten gefragt habe, von welcher „Firma“sie seien, aber er sei „provoziere­nd und auf Krawall aus“gewesen. Die Wortwechse­l mit der Polizei seien „nicht öffentlich gesprochen“worden, sodass entgegen der Auffassung der Verteidige­rin bei den Handyaufna­hmen des Angeklagte­n doch von einer „Verletzung der Vertraulic­hkeit des Wortes“auszugehen sei. Richter Tolkmitt setzte im Urteil 120 Tagessätze zu 15 Euro fest. Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an, während die Staatsanwä­ltin die ihr zustehende Woche Bedenkzeit nutzen will, sodass das Urteil noch nicht rechtskräf­tig ist.

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) ?? Ein Maskenverw­eigerer wurde in Neu‐Ulm gegenüber der Polizei aggressiv. Dafür hat ihn jetzt das Amtsgerich­t bestraft.
Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) Ein Maskenverw­eigerer wurde in Neu‐Ulm gegenüber der Polizei aggressiv. Dafür hat ihn jetzt das Amtsgerich­t bestraft.

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