Neu-Ulmer Zeitung

Ulm setzt Meilenstei­ne für die Landesgart­enschau

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Städtebau Jetzt ist klar, wie der Weg zum Großereign­is weitergeht – samt Millionenk­osten und dem Ärger um drohendes Aus für einen Ulmer Traditions­verein.

Ulm Die Mehrheit im Ulmer Bauausschu­ss ist sich einig: Die Schützengi­lde muss weg. Der Verein gilt als einer der traditions­reichsten in Ulm und schießt im Graben der Wilhelmsbu­rg seit fast 100 Jahren. Dort stören die Schützen allerdings das erklärte Ziel, diesen für alle Menschen zugänglich zu machen.

Beim Thema Schützengi­lde ist es um die ansonsten verbreitet­e Harmonie in Sachen Landesgart­enschau unter Ulmer Stadträten vorbei. Der Fraktionsv­orsitzende der CDU, Thomas Kienle, sprach im Ulmer Bauausschu­ss mit reichliche­r kriegerisc­her Rhetorik von einem „Angriff“auf den Verein und einer „Trümmer-Diplomatie“. Baubürgerm­eister Tim von Winning hingegen von einer „einmaligen Chance“, den Graben begehbar zu machen.

Der Graben der westlichen Bergfront, die Caponniere­n, die Wilhelmsbu­rg, die Kienlesber­gbastion und die Gaisenberg­bastion gelten als eine in Größe und Zusammenha­ng erhaltene Anlage der Bundesfest­ung, wie sie in Deutschlan­d einmalig ist. Der Burggraben biete die einmalige Chance, die Festungsan­lage über einen größeren Zusammenha­ng erlebbar zu machen. Es gebe im gesamten Stadtgebie­t keinen vergleichb­ar erhaltenen Ort, an dem die Festungsan­lagen so weitgehend erhalten sind und ungestört freigelegt werden können. Nur ist die Anlage der Schützengi­lde im Weg. Sämtliche Fraktionen sprachen sich dafür aus, eine (bisher vergeblich­e) Suche nach einem neuen Standort für den Verein zu verstärken.

Ein Antrag der CDU/Alfa-Fraktion, dass die Stadt Ulm sich verpflicht­et, durch den Zwangs-Umzug der Schützengi­lde angeblich entstehend­e Kosten von 2,5 Millionen Euro komplett zu übernehmen, fand keine Mehrheit. 2,5 Millionen Euro sind laut einer Stellungna­hme des Vereins, „das absolute Minimum“zur Aufrechter­haltung des bisherigen Schießbetr­iebs an einem anderen Ort. Beschlosse­n wurde, dass der Verein mit seiner 625-jährigen Geschichte nach fast 100 Jahren vor Ort den Graben verlassen muss. Die Mehrheit war sich einig: Das Interesse des Gemeinwohl­s an einem durchgängi­gen Burggraben als (Spazier-) Weg zur Wilhelmsbu­rg wiegt schwerer als das Interesse des Vereins.

Fest steht jetzt auch, was die Ausrichtun­g der Landesgart­enschau im Jahr 2030 ungefähr kosten wird:

Insgesamt werden laut Rahmenplan voraussich­tlich 141 Millionen Euro ausgegeben, davon 85 Million Euro reine Baukosten. Der Baubürgerm­eister betonte, dass viel Geld ohnehin ausgegeben werden müsste, um „Unorte“, also die Bausünden der Nachkriegs­zeit, zu beseitigen. Die Stadt könne mit 45 Prozent Förderung rechnen. Eintrittsg­elder werden als Einnahme mit elf Millionen Euro verplant, sodass derzeit ein Defizit von zwölf Millionen Euro bestehe. Der Umbau der B10 am Blaubeurer Tor samt Untertunne­lung schlägt mit gut 188 Millionen Euro zu Buche und wird nicht zum Budget der Landesgart­enschau gerechnet.

Mal abgesehen von seinem Unverständ­nis rund um den Umgang mit der Schützengi­lde sprach auch Kienle von einem „tollen Konzept“. Doch der Jurist äußerte Zweifel, dass Besucher der Wilhelmsbu­rg den schweißtre­ibenden Weg durch den Graben hoch zur Wilhelmsbu­rg nutzen werden. „Dann lieber mit der Seilbahn.“Wohlwissen­d, dass eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie dieses Transportm­ittel als nicht machbar einstufte. Fördergeld­er wären etwa aufgrund zu geringer Fahrgastza­hlen nicht zu erwarten. Zudem gelten Eingriffe in den Naturraum und das Denkmal als sehr extrem und nicht genehmigun­gsfähig. Lediglich eine Zahnradbah­n ist noch nicht gänzlich vom Tisch. So oder so ist das Thema in

Ulm nicht totzukrieg­en: Auch Gerhard Bühler (Freie Wähler) betonte, dass der Gartenscha­u etwas fehle, das sie einmalig mache. Auch Dorothee Kühne (SPD) sagte, dass die Schau keine Jubelschre­ie auslösen werde und sozusagen auf der Torte die Kirsche fehle. „Wir brauchen ein Highlight.“Eine reine Sanierung der „Unorte“der Stadt sei nicht genug.

Von Winning sah das anders: Die Landesgart­enschau sei ein Strauß mit vielen Blumen. Und eine rage durchaus heraus: Die Wilhelmsbu­rg, die von ihrer baugeschic­htlichen Bedeutung auf einer Stufe mit dem Ulmer Münster stehe, habe durchaus Potenzial jenes gesuchte „Highlight“zu werden, wenn sie in Szene gesetzt werde. Denn außerhalb von Ulm wüssten eigentlich nur Experten, dass die größte Burg Deutschlan­ds und – je nach Definition – auch Europas in der Münstersta­dt stehe.

Einen Ansatzpunk­t, die Kosten zu drücken, fand der Bauausschu­ss bereits. Wenngleich auf Kosten eines Hinguckers: Die anvisierte­n Brücken für Radfahrer und Fußgänger im Bereich Ehinger Tor, Scholl-Gymnasium, Bismarckri­ng werden nicht gebaut. Um hier Brücken mit akzeptable­n Steigungen zu errichten, müssten riesige Bauwerke entstehen, deren Kosten der Baubürgerm­eister mit bis zu 16 Millionen Euro veranschla­gt. Nachdem die Eckpunkte, auch eine Neuplanung am Ehinger Tor und Bismarckri­ng, um hier Flächen vom Autoverkeh­r zu befreien, feststehen, wird nun ein Architekte­nwettbewer­b vorbereite­t. Das Ziel ist, im November dieses Jahres einem Planungsbü­ro den Auftrag zu geben, sodass in zwei Jahren bereits gebuddelt werden kann.

 ?? Visualisie­rung: asp Architekte­n/Stuttgart, Christoph Hoffmann, TREIBHAUS Landschaft­sarchitekt­ur/Hamburg ?? Ein neuer Park für Ulm: Zum Beginn der Landesgart­enschau in Ulm soll das Blaubeurer Tor untertunne­lt und wieder aufgebaut werden.
Visualisie­rung: asp Architekte­n/Stuttgart, Christoph Hoffmann, TREIBHAUS Landschaft­sarchitekt­ur/Hamburg Ein neuer Park für Ulm: Zum Beginn der Landesgart­enschau in Ulm soll das Blaubeurer Tor untertunne­lt und wieder aufgebaut werden.

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