Ulm setzt Meilensteine für die Landesgartenschau
Städtebau Jetzt ist klar, wie der Weg zum Großereignis weitergeht – samt Millionenkosten und dem Ärger um drohendes Aus für einen Ulmer Traditionsverein.
Ulm Die Mehrheit im Ulmer Bauausschuss ist sich einig: Die Schützengilde muss weg. Der Verein gilt als einer der traditionsreichsten in Ulm und schießt im Graben der Wilhelmsburg seit fast 100 Jahren. Dort stören die Schützen allerdings das erklärte Ziel, diesen für alle Menschen zugänglich zu machen.
Beim Thema Schützengilde ist es um die ansonsten verbreitete Harmonie in Sachen Landesgartenschau unter Ulmer Stadträten vorbei. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Thomas Kienle, sprach im Ulmer Bauausschuss mit reichlicher kriegerischer Rhetorik von einem „Angriff“auf den Verein und einer „Trümmer-Diplomatie“. Baubürgermeister Tim von Winning hingegen von einer „einmaligen Chance“, den Graben begehbar zu machen.
Der Graben der westlichen Bergfront, die Caponnieren, die Wilhelmsburg, die Kienlesbergbastion und die Gaisenbergbastion gelten als eine in Größe und Zusammenhang erhaltene Anlage der Bundesfestung, wie sie in Deutschland einmalig ist. Der Burggraben biete die einmalige Chance, die Festungsanlage über einen größeren Zusammenhang erlebbar zu machen. Es gebe im gesamten Stadtgebiet keinen vergleichbar erhaltenen Ort, an dem die Festungsanlagen so weitgehend erhalten sind und ungestört freigelegt werden können. Nur ist die Anlage der Schützengilde im Weg. Sämtliche Fraktionen sprachen sich dafür aus, eine (bisher vergebliche) Suche nach einem neuen Standort für den Verein zu verstärken.
Ein Antrag der CDU/Alfa-Fraktion, dass die Stadt Ulm sich verpflichtet, durch den Zwangs-Umzug der Schützengilde angeblich entstehende Kosten von 2,5 Millionen Euro komplett zu übernehmen, fand keine Mehrheit. 2,5 Millionen Euro sind laut einer Stellungnahme des Vereins, „das absolute Minimum“zur Aufrechterhaltung des bisherigen Schießbetriebs an einem anderen Ort. Beschlossen wurde, dass der Verein mit seiner 625-jährigen Geschichte nach fast 100 Jahren vor Ort den Graben verlassen muss. Die Mehrheit war sich einig: Das Interesse des Gemeinwohls an einem durchgängigen Burggraben als (Spazier-) Weg zur Wilhelmsburg wiegt schwerer als das Interesse des Vereins.
Fest steht jetzt auch, was die Ausrichtung der Landesgartenschau im Jahr 2030 ungefähr kosten wird:
Insgesamt werden laut Rahmenplan voraussichtlich 141 Millionen Euro ausgegeben, davon 85 Million Euro reine Baukosten. Der Baubürgermeister betonte, dass viel Geld ohnehin ausgegeben werden müsste, um „Unorte“, also die Bausünden der Nachkriegszeit, zu beseitigen. Die Stadt könne mit 45 Prozent Förderung rechnen. Eintrittsgelder werden als Einnahme mit elf Millionen Euro verplant, sodass derzeit ein Defizit von zwölf Millionen Euro bestehe. Der Umbau der B10 am Blaubeurer Tor samt Untertunnelung schlägt mit gut 188 Millionen Euro zu Buche und wird nicht zum Budget der Landesgartenschau gerechnet.
Mal abgesehen von seinem Unverständnis rund um den Umgang mit der Schützengilde sprach auch Kienle von einem „tollen Konzept“. Doch der Jurist äußerte Zweifel, dass Besucher der Wilhelmsburg den schweißtreibenden Weg durch den Graben hoch zur Wilhelmsburg nutzen werden. „Dann lieber mit der Seilbahn.“Wohlwissend, dass eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie dieses Transportmittel als nicht machbar einstufte. Fördergelder wären etwa aufgrund zu geringer Fahrgastzahlen nicht zu erwarten. Zudem gelten Eingriffe in den Naturraum und das Denkmal als sehr extrem und nicht genehmigungsfähig. Lediglich eine Zahnradbahn ist noch nicht gänzlich vom Tisch. So oder so ist das Thema in
Ulm nicht totzukriegen: Auch Gerhard Bühler (Freie Wähler) betonte, dass der Gartenschau etwas fehle, das sie einmalig mache. Auch Dorothee Kühne (SPD) sagte, dass die Schau keine Jubelschreie auslösen werde und sozusagen auf der Torte die Kirsche fehle. „Wir brauchen ein Highlight.“Eine reine Sanierung der „Unorte“der Stadt sei nicht genug.
Von Winning sah das anders: Die Landesgartenschau sei ein Strauß mit vielen Blumen. Und eine rage durchaus heraus: Die Wilhelmsburg, die von ihrer baugeschichtlichen Bedeutung auf einer Stufe mit dem Ulmer Münster stehe, habe durchaus Potenzial jenes gesuchte „Highlight“zu werden, wenn sie in Szene gesetzt werde. Denn außerhalb von Ulm wüssten eigentlich nur Experten, dass die größte Burg Deutschlands und – je nach Definition – auch Europas in der Münsterstadt stehe.
Einen Ansatzpunkt, die Kosten zu drücken, fand der Bauausschuss bereits. Wenngleich auf Kosten eines Hinguckers: Die anvisierten Brücken für Radfahrer und Fußgänger im Bereich Ehinger Tor, Scholl-Gymnasium, Bismarckring werden nicht gebaut. Um hier Brücken mit akzeptablen Steigungen zu errichten, müssten riesige Bauwerke entstehen, deren Kosten der Baubürgermeister mit bis zu 16 Millionen Euro veranschlagt. Nachdem die Eckpunkte, auch eine Neuplanung am Ehinger Tor und Bismarckring, um hier Flächen vom Autoverkehr zu befreien, feststehen, wird nun ein Architektenwettbewerb vorbereitet. Das Ziel ist, im November dieses Jahres einem Planungsbüro den Auftrag zu geben, sodass in zwei Jahren bereits gebuddelt werden kann.