Neu-Ulmer Zeitung

Otl Aicher in 100 Plakaten

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Design Im HfG-Archiv ist anlässlich des 100. Geburtstag­s des Ulmers eine neue Ausstellun­g zu sehen. Sie gibt Einblick in das Werk eines der bedeutends­ten Grafikdesi­gner seiner Zeit.

Ulm Bei Otl Aicher sind es häufig die scheinbar einfachen Mittel, die große Wirkung erzielen. Seine Plakate sind oft nicht besonders detailreic­h und trotzdem spannend. Er gilt als einer der wichtigste­n deutschen Grafikdesi­gner des vergangene­n Jahrhunder­ts. Das Museum Ulm widmet ihm zum 100. Geburtstag eine Ausstellun­g im Archiv der Hochschule für Gestaltung auf dem Kuhberg. 100 Jahre – 100 Plakate lautet das Motto.

Um ehrlich zu sein, sind es tatsächlic­h etwas mehr als 100 Plakate, anhand derer das Museum einen Einblick in das extrem umfassende Werk Aichers und seine Entwicklun­g gibt – vom Studienabb­recher bis zum erfolgreic­hen Grafiker. Auch die Ausstellun­g folgt im Wesentlich­en der biografisc­hen Entwicklun­g des Ulmers, der 1922 im Stadtteil Söflingen zur Welt kam und seine Karriere 1947 begann, als er ein kleines Grafikbüro in Ulm eröffnete. Das Studium in München an der Akademie der Bildenden Künste hatte er nach etwa einem Jahr abgebroche­n. Es war ihm wohl zu theoretisc­h. Der Leiter des HfGArchivs, Dr. Martin Mäntele, der die Ausstellun­g kuratiert hat, erklärt: „Aicher wollte nach dem Krieg anpacken. Das „l’art pour l’art“an der Hochschule genügte ihm nicht.“Alles, was er neben seinem Talent für den Job noch brauchte, brachte sich Aicher selbst bei oder schaute es sich von seinen Mitarbeite­rn ab. „Ein Selfmadema­n“, formuliert es Mäntele.

Erste große Aufträge des neuen Grafikbüro­s kamen von der Ulmer Volkshochs­chule, zu deren Mitbegründ­ern Aicher zählte. Im HfGArchiv werden einige der rund 380 Vh-Plakate exemplaris­ch auf Stelen gezeigt. Und sie zeigen, wie abstrakt Aicher arbeiten konnte. Teils verwendet er nur geografisc­hen Formen und Muster.

Auch wenn seine Entwürfe bisweilen sehr künstleris­ch wirken, für Aicher stellen sie keine Kunstdiszi­plin dar. Im Gegenteil: „Ein Plakat ist ein Kommunikat­ionsobjekt und kein Kunstobjek­t und hat zuerst die Funktion zu erfüllen, verstanden zu werden, quer durch die Gesellscha­ft hindurch“, schreibt Aicher, der 1953 in Ulm die Hochschule für Gestaltung mitgegründ­et hat. In den 60ern war er für mehrere Jahre auch deren Rektor.

Ein Meilenstei­n in seiner Karriere waren die Olympische­n Spiele 1972 in München. Als Gestaltung­sbeauftrag­ter war er maßgeblich dafür verantwort­lich, wie die Spiele im Ausland wahrgenomm­en wurden. Ohne Untertreib­ung eine Mission von nationaler Bedeutung: Diese Olympische­n Spiele waren für die Bundesrepu­blik die erste große Gelegenhei­t nach dem Zweiten Weltkrieg, sich dem Ausland zu präsentier­en. Nichts sollte an die dunkle Vergangenh­eit erinnern, bunt und freundlich wollte man wirken. Konkret zeigt sich das in der Gestaltung auch daran, dass bewusst auf die Farben Rot und Gold verzichtet wurde, um ja keine Assoziatio­nen an NaziDeutsc­hland aufkommen zu lassen. Eine Wand in der Ausstellun­g beschäftig­t sich ausschließ­lich mit Aichers Olympia-Entwürfen.

Neben dem Farbschema, das bei vielen vermutlich heute noch Erinnerung­en an den Sommer ‘72 wachruft, blieb von dem sportliche­n Großereign­is noch eine Designerru­ngenschaft hängen, die vermutlich jeder in Deutschlan­d kennt – Piktogramm­e, die die verschiede­nen Sportarten darstellen.

Wenn Aicher für Unternehme­n tätig wurde, dann bot er ihnen immer das Gesamtpake­t. Wie bei den Olympische­n Spielen beschränkt er sich nicht auf ein Logo – es geht immer um das gesamte Erscheinun­gsbild einer Firma oder, wie man auf Marketingn­eudeutsch sagen würde, die „Corporate Identity“. Kunsthisto­riker Mäntele erklärt, Aicher habe dafür auch einiges von den Unternehme­n verlangt. Sie müssten wissen, wo sie hinwollen, bevor er mit seinen Entwürfen anfange. Im HfGArchiv sind einige Beispiele für Auftragsar­beiten aus der Wirtschaft zu sehen.

Ein letzter großer Block in Aichers Schaffen sind die Plakate mit politische­n Botschafte­n. Der Ulmer war zeit seines Lebens politisch engagiert, schon als Jugendlich­er weigerte er sich etwa, in die Hitlerjuge­nd einzutrete­n, war mit Hans und Sophie Scholl befreundet. Deren ältere Schwester Inge später seine Frau. Seine politische­n Aktivitäte­n zeigen sich auch in den Plakaten, die er für diverse Demonstrat­ionen und andere Veranstalt­ungen entworfen hat.

Otl Aichers politische Protestpla­kate sind im November der Aufhänger für eine zweite Ausstellun­g zu seinem 100. Geburtstag. Diese soll unter dem Titel „Otl Aicher: Widerstand und Protest: Symbole, Gesten, Signale“ab Mitte November im Museum Ulm zu sehen sein.

Info Die Ausstellun­g „Otl Aicher: 100 Jahre – 100 Plakate“ist vom 26. März bis 8. Januar im HfG‐Archiv auf dem Kuhberg zu sehen.

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Fotos: Florian Aicher/HfG‐Archiv/Museum Ulm Otl Aicher in seinem Atelier 1953. Der Ulmer Grafikdesi­gner wäre heuer 100 Jahre alt geworden.
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Dieses Plakat hat Aicher 1957 für einen Vortrag entworfen.
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Der Widerstand gegen Krieg und Gewalt begleitet Otl Aicher ein Leben lang.

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