Otl Aicher in 100 Plakaten
Design Im HfG-Archiv ist anlässlich des 100. Geburtstags des Ulmers eine neue Ausstellung zu sehen. Sie gibt Einblick in das Werk eines der bedeutendsten Grafikdesigner seiner Zeit.
Ulm Bei Otl Aicher sind es häufig die scheinbar einfachen Mittel, die große Wirkung erzielen. Seine Plakate sind oft nicht besonders detailreich und trotzdem spannend. Er gilt als einer der wichtigsten deutschen Grafikdesigner des vergangenen Jahrhunderts. Das Museum Ulm widmet ihm zum 100. Geburtstag eine Ausstellung im Archiv der Hochschule für Gestaltung auf dem Kuhberg. 100 Jahre – 100 Plakate lautet das Motto.
Um ehrlich zu sein, sind es tatsächlich etwas mehr als 100 Plakate, anhand derer das Museum einen Einblick in das extrem umfassende Werk Aichers und seine Entwicklung gibt – vom Studienabbrecher bis zum erfolgreichen Grafiker. Auch die Ausstellung folgt im Wesentlichen der biografischen Entwicklung des Ulmers, der 1922 im Stadtteil Söflingen zur Welt kam und seine Karriere 1947 begann, als er ein kleines Grafikbüro in Ulm eröffnete. Das Studium in München an der Akademie der Bildenden Künste hatte er nach etwa einem Jahr abgebrochen. Es war ihm wohl zu theoretisch. Der Leiter des HfGArchivs, Dr. Martin Mäntele, der die Ausstellung kuratiert hat, erklärt: „Aicher wollte nach dem Krieg anpacken. Das „l’art pour l’art“an der Hochschule genügte ihm nicht.“Alles, was er neben seinem Talent für den Job noch brauchte, brachte sich Aicher selbst bei oder schaute es sich von seinen Mitarbeitern ab. „Ein Selfmademan“, formuliert es Mäntele.
Erste große Aufträge des neuen Grafikbüros kamen von der Ulmer Volkshochschule, zu deren Mitbegründern Aicher zählte. Im HfGArchiv werden einige der rund 380 Vh-Plakate exemplarisch auf Stelen gezeigt. Und sie zeigen, wie abstrakt Aicher arbeiten konnte. Teils verwendet er nur geografischen Formen und Muster.
Auch wenn seine Entwürfe bisweilen sehr künstlerisch wirken, für Aicher stellen sie keine Kunstdisziplin dar. Im Gegenteil: „Ein Plakat ist ein Kommunikationsobjekt und kein Kunstobjekt und hat zuerst die Funktion zu erfüllen, verstanden zu werden, quer durch die Gesellschaft hindurch“, schreibt Aicher, der 1953 in Ulm die Hochschule für Gestaltung mitgegründet hat. In den 60ern war er für mehrere Jahre auch deren Rektor.
Ein Meilenstein in seiner Karriere waren die Olympischen Spiele 1972 in München. Als Gestaltungsbeauftragter war er maßgeblich dafür verantwortlich, wie die Spiele im Ausland wahrgenommen wurden. Ohne Untertreibung eine Mission von nationaler Bedeutung: Diese Olympischen Spiele waren für die Bundesrepublik die erste große Gelegenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, sich dem Ausland zu präsentieren. Nichts sollte an die dunkle Vergangenheit erinnern, bunt und freundlich wollte man wirken. Konkret zeigt sich das in der Gestaltung auch daran, dass bewusst auf die Farben Rot und Gold verzichtet wurde, um ja keine Assoziationen an NaziDeutschland aufkommen zu lassen. Eine Wand in der Ausstellung beschäftigt sich ausschließlich mit Aichers Olympia-Entwürfen.
Neben dem Farbschema, das bei vielen vermutlich heute noch Erinnerungen an den Sommer ‘72 wachruft, blieb von dem sportlichen Großereignis noch eine Designerrungenschaft hängen, die vermutlich jeder in Deutschland kennt – Piktogramme, die die verschiedenen Sportarten darstellen.
Wenn Aicher für Unternehmen tätig wurde, dann bot er ihnen immer das Gesamtpaket. Wie bei den Olympischen Spielen beschränkt er sich nicht auf ein Logo – es geht immer um das gesamte Erscheinungsbild einer Firma oder, wie man auf Marketingneudeutsch sagen würde, die „Corporate Identity“. Kunsthistoriker Mäntele erklärt, Aicher habe dafür auch einiges von den Unternehmen verlangt. Sie müssten wissen, wo sie hinwollen, bevor er mit seinen Entwürfen anfange. Im HfGArchiv sind einige Beispiele für Auftragsarbeiten aus der Wirtschaft zu sehen.
Ein letzter großer Block in Aichers Schaffen sind die Plakate mit politischen Botschaften. Der Ulmer war zeit seines Lebens politisch engagiert, schon als Jugendlicher weigerte er sich etwa, in die Hitlerjugend einzutreten, war mit Hans und Sophie Scholl befreundet. Deren ältere Schwester Inge später seine Frau. Seine politischen Aktivitäten zeigen sich auch in den Plakaten, die er für diverse Demonstrationen und andere Veranstaltungen entworfen hat.
Otl Aichers politische Protestplakate sind im November der Aufhänger für eine zweite Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag. Diese soll unter dem Titel „Otl Aicher: Widerstand und Protest: Symbole, Gesten, Signale“ab Mitte November im Museum Ulm zu sehen sein.
Info Die Ausstellung „Otl Aicher: 100 Jahre – 100 Plakate“ist vom 26. März bis 8. Januar im HfG‐Archiv auf dem Kuhberg zu sehen.