Keine Dreadlocks für weiße Frauen? Das ist Haarspalterei
Debatte Bei den Haaren hört für Fridays for Future die Toleranz auf. Die Klimaaktivisten lassen eine Sängerin nicht auftreten – weil sie die falsche Frisur hat. Was für eine Anmaßung.
Es gehört zu den wunderlichen Wahrheiten des Lebens, dass gerade jene, die sich für besonders tolerant und liberal halten, bisweilen mit erstaunlicher Härte darüber bestimmen, was geht und was gar nicht geht. Dreadlocks zum Beispiel. Diese Verfilzung des Haupthaares gilt in weiten Teilen der Bevölkerung, nicht nur beim konservativ verfilzten Publikum also, als Frisur gewordene Auflehnung gegen das akkurat gescheitelte Establishment.
Dreadlocks, oder auch Rastalocken, haben eine lange Geschichte – in verschiedenen Kulturen auf verschiedenen Kontinenten. Für manche sind sie ein Sinnbild des Kampfes gegen Unterdrückung und Sklaverei, für andere eher ein Ausdruck von Stolz. Heute drücken sie im Empfinden vieler junger Menschen vor allem ein entspanntes, ein liberales Lebensgefühl aus. In Bayern würde man sagen, leben und leben lassen. Doch für die Klima-Aktivisten von Fridays for Future hören bei den Haaren Toleranz und Liberalität auf.
Sie haben die Folk-Musikerin Ronja Maltzahn von einer Demonstration in Hannover wieder ausgeladen. Und zwar weil sie Dreadlocks trägt. Das wäre kein Problem, käme die 28-Jährige aus einem Kulturkreis, in der diese Frisur Tradition hat. Allerdings ist sie weiß und kommt aus Bad Pyrmont. Und für jemanden aus der niedersächsischen Provinz gehen Dreadlocks nun mal gar nicht. Sagt Fridays for Future und stellt der Sängerin anheim, die Haare abzuschneiden, sollte sie doch noch auftreten wollen. Andernfalls muss sie eben zu Hause bleiben.
Dazu muss man wissen: Die Sache hat einen durchaus ernsthaften Hintergrund. Es geht darum, ob wir Symbole anderer Kulturen einfach so kopieren, uns zu eigen machen dürfen. Die entscheidende Frage lautet: Ist das respektlos oder sogar eine Verhöhnung – erst recht dann, wenn diese Symbole für einen verzweifelten Kampf gegen Unterdrückung stehen, den wir nie zu kämpfen hatten? Nur: Diese These ist schon an sich fragwürdig für eine Multi-Kulti-Bewegung, die propagiert, dass es keine Rolle spielen darf, woher man kommt, wie man aussieht, woran man glaubt, ob man reich ist oder arm, schwarz oder weiß. Im speziellen Fall von Ronja
Maltzahn wirkt die Unterstellung der „kulturellen Aneignung“noch absurder. Sie ist eine einzige Anmaßung. Die Musikerin, die mit der Absage im Übrigen sehr souverän umgeht, macht sich mit ihrer Frisur über niemanden lustig, sie beleidigt niemanden. Genauso wenig übrigens wie Kinder, die Cowboy und Indianer spielen. Im Gegenteil.
Sie wollte bei der Veranstaltung ein Zeichen für Frieden setzen – und gegen Diskriminierung. Nach eigener Aussage geht es der jungen Frau darum, „kultureller Vielfalt eine Bühne zu geben, sie wertzuschätzen und zu zelebrieren“. Darf sie aber nicht. Stattdessen wird sie auf Äußerlichkeiten reduziert. Weil ihre Haare (!) als Diskriminierung empfunden werden könnten, wird sie selbst diskriminiert. Was für eine Haarspalterei.