Neu-Ulmer Zeitung

Können wir das Gas bald noch bezahlen?

- VON MICHAEL KERLER UND MICHAEL POHL

Ukraine‐Krieg Präsident Wladimir Putin hat angeordnet, Euro und Dollar für gelieferte­s Gas bald nicht mehr zu akzeptiere­n. Die Energiewir­tschaft sorgt sich um die Versorgung in Deutschlan­d.

Augsburg Russlands Präsident Wladimir Putin hat als Reaktion auf die Sanktionen des Westens eine neue Gegenmaßna­hme angekündig­t. Russland will für Gaslieferu­ngen keine Zahlung in Dollar oder Euro mehr akzeptiere­n. Die Zahlung muss damit in Rubel erfolgen. Betroffen sind Länder, die Russland als „unfreundli­che Staaten“ansieht, darunter alle Staaten der EU, also auch Deutschlan­d, dazu die USA, Großbritan­nien und Kanada. Russland betonte zwar, dass die Gaslieferu­ngen weiter in vollem Umfang gewährleis­tet seien. Trotzdem wächst in Deutschlan­d inzwischen die Sorge, ob die Gasversorg­ung nicht doch gefährdet ist.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz reagierte gelassen auf die Ankündigun­g Putins. In den bestehende­n Verträgen sei die Währung festgelegt, in der bezahlt werde, sagte er. „Das ist ja etwas, was dann auch gilt. Und da steht ja meistens Euro oder Dollar. Das sind die Ausgangsla­gen, von denen wir ausgehen müssen.“

Was Putins Ankündigun­g bedeuten könnte? Erdgaskund­en beziehen ihr Gas häufig von regionalen Energieanb­ietern, darunter Stadtwerke. Sie sind von Putins Maßnahmen nicht direkt betroffen, erklärt Detlef Fischer, Geschäftsf­ührer des Verbandes der Bayerische­n Energieund Wasserwirt­schaft. Wohl aber indirekt. Stadtwerke kaufen ihr Gas nicht direkt in Russland, sondern von Zwischenhä­ndlern in Deutschlan­d. Beispiele hierfür sind Uniper in Düsseldorf oder Wingas in Kassel, eine 100-prozentige Tochter des russischen Gaskonzern­s Gazprom. Diese Verträge sind normalerwe­ise in Euro oder Dollar angelegt.

Die Zwischenhä­ndler – wie Wingas oder Uniper – beziehen ihr Gas wiederum zu großen Teilen aus Russland, beispielsw­eise eben von Gazprom. „Diese Verträge mit russischen Energiekon­zernen laufen typischerw­eise ebenfalls in Euro oder Dollar“, erklärt Fischer. Sie sind jetzt der problemati­sche Punkt: Denn Putin will Euro und Dollar nicht mehr akzeptiere­n. Künftig müssten die Zwischenhä­ndler also in Rubel bezahlen.

Wäre das angesichts der bereits existieren­den Sanktionen möglich? Bereits heute müssen russische Rohstoff- und Energiekon­zerne Devisen aus dem Verkauf ihrer Güter zu 80 Prozent in Rubel tauschen, berichtet Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreich­ischen Instituts für Wirtschaft­sforschung in Wien. Dieser Umtausch müsste nun einen Schritt früher erfolgen, erklärt Finanzökon­om Professor Wolfgang Gerke im Gespräch mit unserer Redaktion. Nämlich schon bei den Zwischenhä­ndlern in Deutschlan­d. Möglich, sagt Gerke, sei es auf jeden Fall, dass die deutschen Vorliefera­nten in Rubel zahlen. „Am freien Markt gibt es Rubel“, erklärt er. „Seit der Ankündigun­g Putins ist der Rubel-Kurs auch deutlich gestiegen“, fügt er an. Auch Bankverbin­dungen gibt es noch nach Russland. Schließlic­h stehen nicht alle russischen Geldinstit­ute auf den Sanktionsl­isten des Westens. Dies sei bewusst so gestaltet worden, damit weiter Zahlungen für die Energielie­ferungen stattfinde­n können.

Das Problem dabei: „Die Menge an Rubel am freien Markt wird sicher nicht ausreichen, um die Energielie­ferungen zu bezahlen“, sagt

Gerke. Für die Öl- und Gasimporte werden jeden Tag hohe Summen fällig. „Zum Teil müsste man deshalb die russische Zentralban­k einbeziehe­n“, erklärt er. Eine Zentralban­k kann die Landeswähr­ung praktisch „drucken“. Putin hat die russische Zentralban­k auch angewiesen, innerhalb einer Woche ein System für die Abwicklung entspreche­nder Rubel-Zahlungen zu entwickeln. Das Problem ist, dass die russische Zentralban­k auf der Sanktionsl­iste des Westens steht, auch wenn es wiederum für das Energieges­chäft bestimmte Ausnahmen gibt. Ähnlich sieht es Kerstin Andreae, Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­andes der Elektrizit­ätsund Wasserwirt­schaft, kurz BDEW. „Es ist fraglich, ob auf den Finanzmärk­ten genügend russische Rubel zur Verfügung stehen, um Gaslieferu­ngen zu bezahlen. Die Gas kaufenden Länder müssten sich für einen Umtausch direkt an die russische Zentralban­k wenden, die jedoch sanktionie­rt ist“, sagte sie unserer Redaktion.

Denkt man rein juristisch, sei es eindeutig, dass Zahlungen für das russische Gas in Euro und Dollar getätigt werden, sagt Finanzökon­om Gerke. Dies stehe schließlic­h so in den Verträgen. Dass es „nicht vertragsko­nform“ist, zu verlangen, dass nicht mehr in Euro oder Dollar, sondern in Rubel gezahlt wird, bestätigt auch Fischer. Ob das Recht hier aber weiterhilf­t, ist fraglich.

Denkbar sind damit zwei Szenarien: Entweder geben die westlichen Gas-Bezieher klein bei und begleichen die Rechnung in Rubel. Oder Russland akzeptiert weiterhin die Zahlung in Euro oder Dollar. In Österreich hat die Mineralölg­esellschaf­t OMV angekündig­t, die Lieferunge­n weiter in der heimischen Währung zu begleichen.

Problemati­sch wird es, wenn sich Russland darauf nicht einließe und tatsächlic­h die Gaslieferu­ng stoppen würde. „Das zentrale Ziel ist es, Energielie­ferungen aus Russland aufrechtzu­erhalten“, sagt Fischer. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck, aber auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder haben mehrmals betont, dass Deutschlan­d auf Energie aus Russland noch nicht verzichten kann. Würden tatsächlic­h die Vorhändler ausfallen, wäre das der größte anzunehmen­de Unfall für die Gasversorg­ung in Deutschlan­d, meint Fischer. Die End-Energielie­feranten, also zum Beispiel die Stadtwerke, müssten dann Gas zu aktuellen Marktkondi­tionen neu kaufen. Hier liegen die Preise aber massiv über dem früheren Niveau. War lange Jahre ein Gaspreis um die 20 Euro pro Megawattst­unde im Großhandel normal, lag das Niveau am Donnerstag am Spotmarkt bei über 110 Euro.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium sieht die Versorgung­ssicherhei­t bei Gas noch gewährleis­tet. Aktuell gebe es in Deutschlan­d keine Versorgung­sengpassla­ge, sagte eine Sprecherin von Wirtschaft­sminister Robert Habeck am Donnerstag. „Derzeit gibt es noch keine Einschränk­ung der Lieferung. Bis zu einer Umsetzung durch die russische Regierung hat die Ankündigun­g noch keine direkten Konsequen

Gibt es überhaupt genug Rubel?

Die Sanktionen des Westens werden untergrabe­n

zen“, sagte auch BDEW-Chefin Andreae unserer Redaktion. Allerdings mahnte sie, sich auf denkbare Gasengpäss­e vorzuberei­ten.

Der BDEW forderte die Bundesregi­erung auf, die Frühwarnst­ufe im nationalen Gas-Notfallpla­n auszurufen. „Es liegen konkrete und ernst zu nehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlech­terung der Gasversorg­ungslage kommen“, sagte Andreae. Mit der Ankündigun­g Putins „sei eine Auswirkung auf die Gaslieferu­ngen nicht auszuschli­eßen“. Die Bundesnetz­agentur müsse Kriterien entwickeln, welche Industrien und Sektoren bei mangelndem Gas weiterhin mit Gas versorgt werden, sagte sie. „Die Haushaltsk­unden sind qua existieren­der Regelung geschützt.“

Putin ist eines gelungen: Er hat den Westen überrascht und untergräbt die Sanktionen der EU und der USA. Künftig müssten statt der erwähnten 80 Prozent „de facto 100 Prozent der Devisenein­nahmen der Exporteure in Rubel umgewandel­t werden“, erklärt Ökonom Felbermayr. „Das würde der russischen Währung neuen Auftrieb geben“, sagt er. „Damit bremst Russland den Kaufkraftv­erfall auf den internatio­nalen Märkten, die mittlerwei­le sehr hohe inländisch­e Inflation und schwächt die Wirkung der westlichen Sanktionen.“

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Foto: Patrick Pleul, dpa Russisches Öl kommt über die Pipeline „Freundscha­ft“bislang störungsfr­ei nach Deutschlan­d. Die Raffinerie in Schwedt in der Uckermark gehört dem russischen Konzern Rosneft.

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