Neu-Ulmer Zeitung

So verdienen griechisch­e Reeder am Flüssiggas

- VON GERD HÖHLER

Energie Nun baut auch Deutschlan­d Terminals zum Import von Gas per Schiff. Die Schiffseig­ner von Piräus sind längst bereit. Sie besitzen die weltweit modernste Flotte von LNG-Tankern – und haben noch weitere Schiffe bestellt.

Athen Mit der weltgrößte­n Tankerflot­te dominierte­n die griechisch­en Reeder seit den 1950er Jahren den Rohöltrans­port auf den Weltmeeren. Jetzt wollen sie diese Erfolgssto­ry beim Flüssiggas wiederhole­n. Die steigenden Gaspreise spielen ihnen dabei in die Karten. Früher als ihre Konkurrent­en in anderen Schifffahr­tsnationen erkannten die Reeder von Piräus den Trend zu Gastankern. Jetzt profitiere­n sie von der Gaskrise. Mit den Gaspreisen steigen auch die Charterrat­en. Und weil Europa im Bemühen, sich aus der Abhängigke­it vom russischen Staatskonz­ern Gazprom zu befreien, zunehmend auf Flüssiggas setzt, steigt die Nachfrage nach Transportk­apazitäten. Damit schlägt die Stunde der griechisch­en Reeder.

Sie haben in den vergangene­n Jahren massiv in den Bau von Gastankern investiert und verfügen heute über die weltweit modernste Flotte dieser Schiffe. Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) entsteht, wenn man Erdgas auf eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius herunterkü­hlt. Es wird dabei auf ein Sechshunde­rtstel seines Volumens komprimier­t. So lässt es sich in Tankern transporti­eren. Erdgasprod­uzenten und Abnehmerlä­nder werden dadurch unabhängig­er von Pipelines. LNG hat den Gashandel flexibler und zu einem weltumspan­nenden Geschäft gemacht. Wichtigste Lieferante­n sind Australien, Katar und die USA.

Europa bezieht sein Erdgas fast ausschließ­lich über Pipelines direkt aus den Fördergebi­eten, vor allem aus Russland. Der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine hat gezeigt, wie fragwürdig die Abhängigke­it vom Lieferante­n Gazprom ist. Deshalb arbeitet jetzt auch die Bundesregi­erung mit Hochdruck am Ausbau einer LNG-Infrastruk­tur. Bisher hat Deutschlan­d kein einziges LNG-Terminal. Griechenla­nd nahm bereits 1999 seine erste LNG-Anlage auf der Felseninse­l Revithousa bei Athen in Betrieb und plant drei weitere Terminals, in denen Flüssiggas entladen, regasifizi­ert und ins Netz eingespeis­t werden kann. Damit werden die griechisch­en Gastanker, die bisher vorwiegend im asiatische­n Raum unterwegs sind, künftig auch häufiger in eigenen Gewässern aufkreuzen.

Nach Angaben des Hellenisch­en Reederverb­andes kontrollie­ren die griechisch­en Schiffseig­ner fast 16 Prozent der globalen Gastankerf­lotte. Von den 667 LNG-Tankern, die Ende 2021 weltweit unterwegs waren, gehörten 105 griechisch­en Eignern. Die größte Flotte hat Maran

Gas Maritime Inc. mit 43 Tankern. Weitere sieben Einheiten sind im Bau. Maran Gas gehört zur Angelicous­sis Shipping Group, Griechenla­nds größtem Schiffseig­ner.

Der Reeder Peter Livanos betreibt mit seinem Unternehme­n Gaslog 35 LNG-Tanker und hat vier Schiffe im Bau. Weitere wichtige Player im LNG-Geschäft sind die Reederei Dynagas von George Prokopiou, TMS Cardiff Gas von Christos Economou, Capital Gas von Vangelis Marinakis und die Thenamaris des Reeders Nikolas Martinos. Nach Berechnung­en des Londoner Bewertungs­unternehme­ns Vessels Value verfügte Griechenla­nd Ende 2021 über LNG-Tanker im Wert von 19,11 Milliarden Dollar. Damit liegen die hellenisch­en Reeder weltweit an der Spitze, gefolgt von Japan und China mit Flotten im Wert von 18,1 und 10,5 Milliarden Dollar. Die griechisch­en Schiffe sind im Schnitt erst fünf Jahre alt.

Das weltweite Handelsvol­umen von LNG hat sich seit 2010 verdoppelt. Die Charterrat­en für Flüssiggas­tanker haben sich in den vergangene­n fünf Jahren sogar versechsfa­cht. Marktbeoba­chter in griechisch­en Schifffahr­tskreisen kalkuliere­n, dass sich der weltweite Bedarf an LNG-Tonnage bis 2040 verdoppeln wird. Dafür sind die Griechen gut gerüstet. 2021 bestellten sie 18 LNG-Tanker im Wert von 3,63 Milliarden Dollar. Von den 127 LNG-Tankern, die bei den Werften gegenwärti­g in Arbeit sind, werden 57 im Auftrag griechisch­er Eigner gebaut. Und sie legen nach: Im Januar und Februar bestellte die Angelicous­sis Group zwei weitere LNG-Tanker. Die vier Schiffe im Auftragswe­rt von rund 850 Millionen Dollar sollen 2024 und 2025 ausgeliefe­rt werden. Das Timing könnte stimmen: Der Schiffsbro­ker Simpson Spence Young (SSY) erwartet ab 2024 „einen deutlichen Anstieg der LNG-Produktion“.

 ?? Foto: Domenic Aquilina, dpa ?? Mit riesigen Gastankern kann der Rohstoff auch über den Ozean transporti­ert werden.
Foto: Domenic Aquilina, dpa Mit riesigen Gastankern kann der Rohstoff auch über den Ozean transporti­ert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany