Neu-Ulmer Zeitung

„Bua, mia ham g’wunna“

- VON ULI BACHMEIER

Geschichte Für eine Fernsehser­ie über den FC Bayern München werden Fußballer und Komparsen gesucht. Das lässt unseren Autoren in Erinnerung­en schwelgen und wirft zugleich entscheide­nde Fragen auf.

München „Bua, scheiß da nix, der Müller haut eahna scho nu zwoa oder drei nei!“Es klang beruhigend, was der Glasermeis­ter aus Niederbaye­rn dem damals 14-jährigen Buben sagte. Der FC Bayern lag an jenem Abend im Oktober 1974 gegen den FC Magdeburg zur Pause 0:2 zurück. Für den Buben, der mal wieder mit den Handwerker­gesellen im VW-Bully nach München ins Olympiasta­dion hat mitfahren dürfen, war das eine Katastroph­e. Schließlic­h war Deutschlan­d (mit sechs Bayern-Spielern im Team) gerade erst Weltmeiste­r geworden und sein FC Bayern hatte im Jahr zuvor den Europapoka­l der Landesmeis­ter gewonnen. Jetzt drohte das Aus schon im Achtelfina­le.

Kurze Zeit später pures Glück: Müller hatte zwei Tore geschossen.

Ein Eigentor der Magdeburge­r machte den Bayern-Sieg perfekt. Gefeiert wurde schon auf der Heimfahrt beim Wirt in Anzing gleich hinter München, da, wo der Maier Sepp, „die Katze von Anzing“, herkam. Der Glasermeis­ter entschied: „Bua, mia ham g’wunna. Do kriagst heit a a Hoibe.“

So zünftig war das in den Siebzigern. Und in den Achtzigern, als Student in München, da war’s auch schön. Samstagvor­mittag, herrliches Juni-Wetter, zu sechst im Hirschgart­en beim Frühschopp­en: Da musste das Los entscheide­n, wer mit dem Radl zum Stadion fährt und noch schnell sechs Karten für den Nachmittag kauft. Gegentribü­ne Mitte, sechs Plätze nebeneinan­der, kein Problem damals. Nur als 1982 ein gewisser Diego Maradona mit dem SSC Neapel kam, war es mit den Karten nicht so einfach: Sich um fünf Uhr früh in die Schlange in der Säbener Straße zu stellen, hat grad noch für zwei Karten gereicht. Und dann dieses Spiel. Schon als der argentinis­che Fußballgot­t sich warm machte, war klar: Das wird heute nix. Aber schön war’s.

Vor diesem Hintergrun­d – und derlei Münchner G’schichten gibt’s tausendfac­h – müssen von vorneherei­n Zweifel angemeldet werden an einem Projekt, das jetzt in Nordrhein-Westfalen startet: Die Agentur Eick aus Ennepetal – das liegt irgendwo im fußballeri­schen Niemandsla­nd zwischen Düsseldorf und Hagen – sucht für eine Fernsehser­ie über den Aufstieg des FC Bayern 100 gute Fußballer und mehr als 1500 Komparsen jeden Alters, Männer und Frauen im 60er- und 70-Jahre-Look.

Am Sinn für Humor ist bei der Agentur zwar nicht zu zweifeln. Sie betreut unter anderem den Münsterane­r Tatort, in dem dieser Kampfzwerg-Kommissar immer mit seinem schmuddeli­gen „Championsl­eaguesiege­rbesieger-T-Shirt“rumläuft, nur weil der FC St. Pauli einmal gegen die Bayern gewonnen hat. Infrage gestellt werden allerdings muss das fußballeri­sche und soziokultu­relle Verständni­s: Können Filmemache­r aus Nordrhein-Westfalen die Tiefe und Vielschich­tigkeit des Phänomens FC Bayern überhaupt erfassen? Sind da am Ende gar Dortmunder oder Gladbacher am Werk? Das wäre doch eigentlich ein Job für den Bayerische­n Rundfunk, oder?

 ?? Foto: dpa ?? Münchner Jubel im Jahr 1967: Gerd Müller (links) feiert mit Franz Beckenbaue­r das 2:0 gegen Real Madrid.
Foto: dpa Münchner Jubel im Jahr 1967: Gerd Müller (links) feiert mit Franz Beckenbaue­r das 2:0 gegen Real Madrid.

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