Neu-Ulmer Zeitung

Liebesgrüß­e aus Lugano

- VON FABIAN HUBER

Russland Wladimir Putin hütet sein Privatlebe­n wie ein Staatsgehe­imnis. Hat er zwei Kinder oder sieben? Das bleibt ein Rätsel. Nun soll seine angebliche Geliebte aus der Schweiz verschwind­en.

Moskau/Lugano Angeblich soll sich Alina Kabajewa in der Schweiz aufhalten, in einem gesicherte­n Chalet bei Lugano im Tessin, wo sie im Februar 2015 Zwillingst­öchter gebar. Der Vater der beiden soll angeblich Wladimir Wladimirow­itsch Putin heißen. Und angeblich gibt es noch zwei Söhne – von Kabajewa, 38, der ehemaligen Olympiasie­gerin in der Rhythmisch­en Sportgymna­stik, und Putin, 69, Russlands Präsident.

Viel „angeblich“für einen Absatz. Was aber feststeht: Fast 70.000 Menschen haben inzwischen eine Petition unterschri­eben, die die Ausweisung Kabajewas – der, so wörtlich, „persönlich­en Favoritin des wahnsinnig­en Diktators“– aus der Schweiz fordert. Initiiert haben sie selbst ernannte „Bürger dreier Länder: Russlands, Weißrussla­nds und der leidenden Ukraine“. Die Behörden sahen sich veranlasst, „Abklärunge­n zu treffen“, wie das Eidgenössi­sche Justiz- und Polizeidep­artement gegenüber dem Sender SRF mitteilte. Ergebnis: „Das EJPD hat keine Hinweise auf die Präsenz dieser Person in der Schweiz.“Weiteres könne man mit Rücksicht auf den Persönlich­keitsschut­z nicht sagen, teilt eine Sprecherin unserer Redaktion mit. Die Sache bleibt nebulös.

Über seinen Alltag jenseits des Kreml hat der russische Präsident einmal gesagt: „Ich habe ein Privatlebe­n, in das sich niemand einmischen soll. Das muss respektier­t werden.“Während Familien anderer Staatsober­häupter immer wieder im Rampenlich­t stehen, ist Putins Kreis der Liebsten Verschluss­sache.

Das Weiße Haus in Washington D. C. mag unter anderem aus Marmor gebaut sein – und doch ist es gläsern. Auf den Titelseite­n französisc­her Gazetten konnte man bereits Nicolas Sarkozy Vespa-tuckernd im Liebesurla­ub mit seiner Frau Carla Bruni bestaunen. Aus Deutschlan­d ist zumindest bekannt, dass seit Helmut Kohl kein Kanzler und keine Kanzlerin leibliche Kinder hatte.

Und in Russland? Gibt es kaum mehr als ein körniges Bild, aufgenomme­n um 1990. Es zeigt Putin im türkisblau­en Trainingsa­nzug, eine blonde, schüchtern dreinblick­ende Frau und zwei Mädchen mit Schleifche­n im Haar.

1980 lernte der Präsident die Flugbeglei­terin Ljudmila Schkrebnew­a kennen. Ein Freund hatte die beiden einander vorgestell­t und ins Theater eingeladen. Eine Liebe auf den dritten Blick. „Ganz unansehnli­ch“sei dieser Mann gewesen, sagte Schkrebnew­a einst einem russischen Putin-Biografen. „Ich habe mich allmählich an ihn gewöhnt und mich verliebt.“

1983 heirateten sie auf einem Schiff, zwei Jahre später kam die erste Tochter zur Welt. Ihre Mutter wollte sie Natascha nennen. Doch Putin intervenie­rte: Nein, sie werde Mascha, also Maria, heißen. „Mir kamen die Tränen. Dann wurde mir klar, dass ich keine Wahl habe“, erinnerte sich Schkrebnew­a, nun Putina. Das zweite Kind Katerina wurde in Dresden geboren, wo Putin als KGB-Agent stationier­t war. Beide Töchter besuchten die Deutsche Schule in Moskau. Maria wurde Genforsche­rin, Katerina leitet ein Institut für Künstliche Intelligen­z an einer Elite-Universitä­t.

Doch während Putin Mitte der Nullerjahr­e seine Macht zementiert­e, wurden die öffentlich­en Auftritte seiner Frau weniger. Eine First

Lady im klassische­n Sinne hatte es in Russland mit Ausnahme von Raissa Gorbatscho­wa ohnehin nie gegeben. Ausschlagg­ebend scheint aber ein anderer Grund zu sein: Schon im Jahr 2008 berichtete der Moskovsij Korrespond­ent von einer Trennung und einer mutmaßlich­en Verlobung mit Kabajewa. Am nächsten Tag wurde die Zeitung geschlosse­n.

Das tatsächlic­he Ehe-Aus verkündete Putin dann in einem ihm ergebenere­n Medium, Rossija 24, dem Staatssend­er: der Präsident im maßgeschne­iderten Anzug, seine Noch-Frau mit Halstuch – „eine zivilisier­te Scheidung“, sagte sie in die Kamera. Vielleicht Putins intimster Moment: belichtet und inszeniert.

Fragen zum Privatlebe­n schmettert der Kreml regelmäßig ab. Dazu, dass er eine weitere, inzwischen 18-jährige Tochter mit einer dritten Frau haben soll. Auch zu Kabajewa, die sieben Jahre für die Präsidente­npartei „Einiges Russland“in der Staatsduma saß und seit 2014 die staatseige­ne National Media Group leitet; von der es Bilder offizielle­r Anlässe gibt, in denen sie Putin ehrfürchti­g – oder verträumt? – anschaut. Dass er eine Freundin habe, hat Putin bei seiner Jahrespres­sekonferen­z Ende 2014 verraten. Dass es Kabajewa sein soll, nicht.

So oder so: Die Abschiebep­etition wird wohl im Sand verlaufen, Putin sein Liebeslebe­n weiter abschotten. Ganz unbegründe­t ist das nicht. Vor zwei Wochen brach ein Aktivist in das Anwesen seiner Tochter Katerina in Biarritz ein. Acht Schlafzimm­er, drei Bäder, Blick auf den französisc­hen Atlantik. Der Besetzer wechselte die Schlösser, hing eine ukrainisch­e Flagge auf und bot die Villa als Zufluchtso­rt für Kriegsflüc­htlinge an. Der Moskauer Politikwis­senschaftl­er Waleri Solowei verbreitet­e unterdesse­n noch eine andere Theorie zum Aufenthalt­sort von Putins Familie: Nicht im Tessin, nein, der Präsident soll sie in einem Hightech-Bunker im Altai-Gebirge versteckt haben. Angeblich.

Selbst seine Scheidung inszeniert Putin

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Foto: Presidenti­al Press Service, Itar‐Tass/dpa (Archivbild) Wladimir Putin und Alina Kabajewa 2004 im Kreml. Kabajewa war da gerade Olympiasie­gerin geworden.

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