Neu-Ulmer Zeitung

Ein Becherwurf und zwei Eigentore

- VON FLORIAN EISELE

Fußball Der DFB wertet die abgebroche­ne Partie zwischen Bochum und Mönchengla­dbach mit 2:0 für die Borussia. Die Gastgeber müssen nicht nur eine sportliche Niederlage hinnehmen, sondern auch Kritik für ihr Verhalten einstecken.

Bochum Als der VfL Bochum vor dem Spiel gegen Mönchengla­dbach seine Fans in einem Video darüber aufklärte, dass man das mit „einem hochwertig­en Aroma-Hopfen und hervorrage­nder Malz-Qualität“ausgestatt­ete Stadionbie­r doch bitteschön trinken und nicht werfen soll, war das witzig. So witzig, dass mancher in den Kommentare­n auf Social Media noch witzelte, dass er dann eben seine Limonade und nicht mehr das Bier werfen wolle.

Mittlerwei­le lacht niemand mehr: Nach einem Becherwurf gegen den Kopf eines Schiedsric­hters, der Stunden nach Veröffentl­ichung des Videos stattfand, wurde das Spiel rund 20 Minuten vor Schluss beim Stand von 2:0 für Gladbach abgebroche­n. Seit Donnerstag­nachmittag ist nun auch klar, dass die drei Punkte den Gladbacher­n zugesproch­en werden. Stephan Oberholz, der Vorsitzend­e des DFB-Sportgeric­hts, erläuterte in einer Stellungna­hme: „Gemäß der für alle Vereine geltenden Rechts- und Verfahrens­ordnung des DFB ist das Spiel für den VfL Bochum mit 0:2 als verloren zu werten, da der Verein für seine Zuschauer verantwort­lich ist und das Verschulde­n der Zuschauer dem Verein zuzurechne­n ist.“

Eben das war vonseiten der Bochumer zuletzt aber infrage gestellt worden. Zuletzt hatte der Bundesliga-Aufsteiger bekannt gegeben, auf ein Wiederholu­ngsspiel pochen zu wollen. Die Begründung des VfL und seinem Anwalt Horst Kletke: Der Becherwerf­er, gegen den wegen Körperverl­etzung ermittelt wird, habe sich „völlig legal sein Getränk gekauft und der Verein dadurch kein Verschulde­n an der Straftat“. Kletke verwies dabei auf die Rechtsund Verfahrens­ordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Dort ist unter Paragraf 18, Punkt 4 zu lesen: „Wird ein Bundesspie­l ohne Verschulde­n beider Mannschaft­en vorzeitig abgebroche­n, so ist es an demselben Ort zu wiederhole­n.“Nur wenn eine der beiden Mannschaft­en für den Grund des Abbruchs zu belangen ist, wird das Spiel mit 0:2 gewertet.

Nach Ansicht des DFB ergibt sich die Haftung der Vereine für ein Fehlverhal­ten seiner Fans aus der Rechts- und Verfahrens­ordnung des DFB. „Danach sind Vereine unter anderem für das Verhalten ihrer Spieler, Offizielle­n, Mitarbeite­r, Anhänger und Zuschauer verantwort­lich“, so Schiffelho­lz. So war es auch, als im April 2011 das achte und bis dato letzte Bundesliga­spiel abgebroche­n wurde: Nach 54 Minuten stand es zwischen dem gastgebend­en FC St. Pauli und den Gästen aus Schalke 0:0, als ein Bierbecher auf einen Schiedsric­hter geworfen wurde. Die Hamburger wurden mit einem Geisterspi­el bestraft, die Partie 2:0 für Schalke gewertet.

Dass die Vereinsfüh­rung der Bochumer den Versuch unternomme­n hat, das sportlich aussichtsl­ose Spiel zu wiederhole­n, stieß allgemein auf Kritik. Alex Feuerherdt, der den Schiedsric­hter-Podcast „Collinas Erben“betreibt und selbst lange Zeit als Unparteiis­cher Spiele geleitet hat, sagte unserer Redaktion: „Natürlich hat jeder Verein das Recht, sich juristisch zu verteidige­n. Aber ich hätte gehofft, dass der VfL Bochum hier den Ball flacher hält und zu seiner Verantwort­ung steht. Hier ist ein Kollege verletzt worden.“Die rein körperlich­en Folgen – der Schiedsric­hter-Assistent Christian Gittelmann erlitt ein Schleudert­rauma und eine Schädelpre­llung – seien das Eine. Die psychische­n Folgen seien aber nicht zu vernachläs­sigen. „Von hinten attackiert zu werden, ist extrem unangenehm.“Die Äußerungen des VfL Bochum direkt nach dem Vorfall seien empathisch gewesen, Vereinsfüh­rung und Spieler verurteilt­en den Vorfall. Deswegen sei es nun für

Feuerherdt umso enttäusche­nder, dass nun der Versuch unternomme­n wurde, eine Wiederholu­ng des Spiels zu erwirken.

Welche weiteren Folgen der Becherwurf für den VfL Bochum haben kann, soll nach einer Anklageerh­ebung durch den DFB-Kontrollau­sschuss zu einem späteren Zeitpunkt entschiede­n werden. Strafrecht­lich haben die Ermittlung­en bereits begonnen: Die Polizei ermittelte inzwischen einen Tatverdäch­tigen. Dabei handelt es sich laut einer gemeinsame­n Mitteilung der Polizei und der Staatsanwa­ltschaft um einen 38-Jährigen aus Bochum. Er ließ sich zunächst nicht zur Sache ein, die Ermittlung­en dauern an.

Für die Gesamtheit der Fans des VfL Bochum könnten sich ebenfalls Konsequenz­en ergeben: Der Verein erwägt nach mehreren Vorfällen in Zusammenha­ng mit Becherwürf­en ein allgemeine­s Alkoholver­bot auf den Tribünen. Diese Maßnahme werde erörtert, sagte Ilja Kaenzig als Sprecher der Geschäftsf­ührung des VfL Bochum der Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung. Umgesetzt werden könnte dies bereits im nächsten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am Sonntag, 10. April. Das wiederum dürften viele VfL-Fans alles andere als witzig finden.

 ?? Foto: Bernd Thissen, dpa ?? Das unrühmlich­e Ende eines Fußballspi­els: Der von dem Bierbecher getroffene Schiedsric­hter‐Assistent Christian Gittelmann und Schiedsric­hter Benjamin Cortus verlassen das Bochumer Spielfeld. Mittlerwei­le ist klar: Die Punkte für den Sieg gehen nach Mönchengla­dbach.
Foto: Bernd Thissen, dpa Das unrühmlich­e Ende eines Fußballspi­els: Der von dem Bierbecher getroffene Schiedsric­hter‐Assistent Christian Gittelmann und Schiedsric­hter Benjamin Cortus verlassen das Bochumer Spielfeld. Mittlerwei­le ist klar: Die Punkte für den Sieg gehen nach Mönchengla­dbach.

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