Daimler‐Truck‐Chef stärkt Evobus in Neu‐Ulm
Wirtschaft Bei der ersten Bilanzpressekonferenz seit der Abtrennung von Daimler Truck stellt sich die Chefetage vor das angeschlagene Setra-Werk. Auch die Arbeitsplätze an dem Standort seien sicher.
Neu‐Ulm Mit über 40 Produktionsstätten rund um den Globus ist Daimler Truck einer der weltweit größten Nutzfahrzeug-Hersteller. Und ausgerechnet der Standort in Neu-Ulm hat durch die CoronaPandemie die wohl konzernweit größten Probleme. Der Lastwagenund Bushersteller Daimler Truck steht seit Dezember auf eigenen Füße und legte erstmals seine Jahreszahlen vor. Auf Anfrage der Redaktion sagte Daimler-Truck-Vorstand Martin Daum. „Wir setzen uns 100-prozentig für das Reisebusgeschäft ein.“Setra habe „wunderbare Reisebusse, die besten in unserer Branche“. Und die Kunden würden das genauso sehen. Die Situation in Neu-Ulm wäre von einer „Stop-and-Go“-Situation geprägt.
Nur 300 Busse seien im vergangenen Jahr hier produziert worden. „Das ist nicht so viel.“Zum Vergleich: 2000 gefertigte Busse pro Jahr galten früher als normal für das Werk Neu-Ulm. Doch die Rückreise vom Winterurlaub in der Schweiz habe ihn dennoch optimistisch gestimmt: Denn auf der Autobahn seien viele Setras unterwegs gewesen. „Ich sehe im Moment nicht, dass hier Arbeitsplätze verloren gehen.“Auf die Frage der Redaktion, ob es bereits Pläne für 2025 gebe, wenn der gemeinsam mit dem Betriebsrat geschlossene Vertrag der Zukunftssicherung ausläuft, der die Stammbelegschaft vor Kündigungen schützt, ging Daum nicht ein. Doch Daum zeigte sich überzeugt, dass Reisebusse ein wichtiger Verkehrsträger der Zukunft seien. Der Erfolg von Flixbus zeige, was für ein modernes Verkehrsmittel Reisebusse seien. „Das ist ein strategisches Pfund. Das werden wir nicht aufgeben.“Die Ziffer der Stammbelegschaft gibt Daimler Truck mit 3700 an. Vor einem Jahr waren es noch 3850. Doch wie ein Daimler-TruckSprecher auf Nachfrage sagt, beruhe der Unterschied „größtenteils“auf einer anderen „Berichtslogik“. So würden etwa Auszubildende im neuen Unternehmen nicht mehr unter „festangestellt“geführt.
Auch für Reisebusse setze Daimler Truck mittelfristig auf alternative Antriebe. Bei längeren Entfernungen hätten Reisebusse jedoch noch das gleiche Problem wie schwere Lkw. „Je länger die Entfernung, desto wahrscheinlicher wird der Einsatz von Brennstoffzellen.“Für die zweite Hälfte des Jahrzehnts deutete Daum einen marktreifen brennstoffzellenbetriebenen Reisebus an. Dass es bereits batteriebetriebene Reisebusse „Made in China“gibt, bereitet Daum offenbar keine schlaflosen Nächte: „Die batteriebetriebenen Reisebusse aus China sind keine wirkliche Alternative für den klassischen Setra-Kunden.“Außerdem gebe es in
Deutschland kein Hoch-Volt-Ladenetzwerk für E-Reisebusse.
Till Oberwörder, der EvobusChef, sprach am Rande der Pressekonferenz von einem herausfordernden Jahr. Der Absatz der Bussparte lag im Jahr 2021 mit 18.700 Einheiten auf Vorjahresniveau und konnten damit die Marktführerschaft in den Kernregionen erhalten. Die Nachfrage nach Komplettbussen ging im Vergleich zum Vorjahr aber zurück, was sich vor allem im Europageschäft gezeigt hat. In Brasilien aber, dem Hauptmarkt in Lateinamerika, konnte Daimler Truck mit Fahrgestellen hingegen ein Absatzplus von über zwölf Prozent erreichen. „Das unterstreicht die Wichtigkeit unseres globalen Geschäftsmodells.“
Für das laufende Jahr rechnet Oberwörder in Sachen Absatz zwischen 20 und 25 Tausend Einheiten.
Diese Erwartung resultiere insbesondere aus der steigenden Auftragslage und der Annahme, dass der Höhepunkt der pandemiebedingten Nachfragerückgänge hinter dem Unternehmen liegt. „Darüber hinaus arbeiten wir weiter konsequent an unserer Profitabilität, um auch in schwierigen Zeiten und einem volatilen Marktumfeld erfolgreich zu sein.“Wie berichtet, bedeutet das unter anderem den Abbau von Arbeitsplätzen nach dem Modell der „doppelten Zustimmung“per Auflösungsvertrag.
Die Produktion von Reisebussen ruhte pandemiebedingt am Standort Neu-Ulm zeitweise. „Jetzt gehen wir aber davon aus, baldmöglichst wieder im Regelbetrieb zu produzieren. Hier bin ich vorsichtig optimistisch“, sagt Oberwörder, der einem „großartigen Team am Standort, das die Herausforderungen des vergangenen Jahres immer professionell und flexibel gemeistert hat“, dankte. Der Umsatz der Bussparte ging um 6,6 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro zurück, was zu einem Verlust in Höhe von 152 Millionen Euro (EBIT) führte.
Daimler Truck geht trotz des Ukraine-Kriegs und Problemen in der Chipversorgung selbstbewusst in sein erstes eigenständiges Jahr. Das Management rechnet damit, dass die Lieferketten der jungen Firma durch den Krieg nicht signifikant beeinflusst werden. Der Auftragsbestand bei Bussen liege über dem Vorjahresniveau. Unter dem Strich machte das gesamte Unternehmen mit 2,35 Milliarden Euro wieder Gewinn. Im Jahr davor hatte das vom ehemaligen Daimler-Konzern abgespaltene Unternehmen einen Verlust von 143 Millionen Euro eingefahren.