Neu-Ulmer Zeitung

Zwei Jahre noch mit Putins Gas

- VON CHRISTIAN GRIMM

Habeck erläutert seine Fortschrit­te

Berlin Moral oder Markt? Diese Frage stellt sich in den Zeiten des Krieges mit einer neuen Unbedingth­eit. Die Bundesregi­erung antwortet dem flehenden ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj: Markt. Jedes russische Bombardeme­nt einer ukrainisch­en Stadt wird diese Position aber als fragwürdig­er erscheinen lassen. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) arbeitet deshalb Tag und Nacht daran, die Importe von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu senken. Zum einen, um dem russischen Staat die Einnahmen aus dem Rohstoffha­ndel zu nehmen. Zum anderen, um der Welt zu zeigen, dass Deutschlan­d etwas tut.

Habeck kann den Ukrainern nun zumindest zeigen, dass Deutschlan­d sich bewegt. Bis zum Sommer sollen die russischen Öleinfuhre­n halbiert werden. Vor dem Einmarsch deckten die Lieferunge­n ein Drittel des Verbrauchs. Bis zum Herbst will Deutschlan­d unabhängig von russischer Steinkohle werden. Einspringe­n soll unter anderem Venezuela, was eine ironische Seite hat: Die sozialisti­sche Diktatur steht trotz des Krieges fest an der Seite Russlands.

Schwierige­r ist der Abschied von russischem Gas. Zwei Jahre noch, so Habecks Schätzung, wird es dauern, bis die Importe vollständi­g ersetzt werden können. „Auch wenn wir unabhängig­er von russischen Importen werden, ist es für ein Energieemb­argo zum jetzigen Zeitpunkt zu früh“, sagte Habeck am Freitag. Norwegen wird mehr bereitstel­len, die Amerikaner werden mehr Flüssiggas mit Tankern nach Europa bringen. Doch was Venezuela bei der Kohle, ist Katar beim Gas. Mit gebeugtem Rücken besiegelte der grüne Wirtschaft­sminister mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani neue Verträge. Der Staat am Golf ist eine absolute Monarchie, in der Frauen unterdrück­t und ausländisc­he Arbeiter ausgebeute­t werden. Habeck spricht das Dilemma offen an: Will er die Wirtschaft am Laufen halten, ist er auch auf Lieferante­n angewiesen, die alles andere als demokratis­ch sind. Auf die bedrohlich­e Abhängigke­it vom Kreml folgt die ungute Abhängigke­it von Autokraten.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Durch die „Freundscha­ft“kommt das Öl aus Russland.

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