Der Maibaum bleibt im Dorf
Ärger Nach zwölf Jahren ist der Streit um den Maibaum in der Allgäuer Gemeinde Altusried beigelegt. Die Bilanz einer Geschichte voller Ärger, Tradition und Vogelkot.
Kempten/Oberallgäu Eine „Provinzposse sondergleichen“nannte es ein Leserbrief-Schreiber. Und tatsächlich fällt es schwer, nicht den Kopf zu schütteln, wenn man diese Geschichte hört: Ein Ehepaar streitet sich seit nunmehr zwölf Jahren mit der Gemeinde um den Maibaum in Altusried (Landkreis Oberallgäu). Der Grund: Stare, die das Traditionsobjekt alle Jahre wieder gegen Ende des Sommers anfliegen, verschmutzen mit ihrem Kot angeblich das Haus der Nachbarn. Vor zwei Jahren schließlich zog die Ehefrau vor Gericht. Doch jetzt haben sich die Streithähne überraschend geeinigt: Der Maibaum bleibt im Dorf.
Noch am ersten Verhandlungstag im Februar am Amtsgericht in Kempten hatte sich gezeigt, wie verhärtet die Fronten zwischen Gemeinde und Nachbarn sind. Regelrecht „zugeschissen“werde man von den Vögeln, hieß es von dem Ehepaar. Hausfassade, Terrasse, Fensterbänke und auch die Photovoltaikanlage auf dem Dach – alles voller Vogelkot. Der Ehemann sagte als Zeuge aus: Selbst wenn man nach Hause komme, laufe man Gefahr, „beschossen zu werden“.
Begonnen hatte alles mit einem Sturm, der von den Holztafeln, die den Maibaum schmücken, ein Stück abbrach und auf die Terrasse der Nachbarn schleuderte. Das war 2011. Der Trachtenverein Koppachtaler, der den Maibaum jährlich aufstellt, hatte daraufhin bruchsichere Tafeln angeschafft. Ein Jahr später beanstandeten die Nachbarn den Vogelkot. Ein Stacheldraht wurde um den Kranz am Maibaum gezogen – die Stare interessierte das nicht. Weil die Vögel offenbar die nadellosen Äste des Wipfels bevorzugen, sollten die Koppachtaler den Maibaum bis Ende August abbauen – damit die Stare erst gar nicht auftauchen. Doch weil der dafür nötige Kran nicht immer verfügbar war, konnten die Trachtler die Frist nicht einhalten. Also flatterte ein Schreiben von Nachbars Anwalt ins Vereinsheim: Der Verein sollte für jeden versäumten Tag 100 Euro bezahlen.
Auch ein Schlichtungstermin im Oktober 2020, nachdem die Nachbarn Klage eingereicht hatten, führte zu nichts. Bürgermeister Joachim Konrad wies das Paar zwar darauf hin, dass der Maibaum in wenigen Jahren auf den Marktplatz umziehen werde. Das wollten die Nachbarn zwar hinnehmen, aber nur gegen zwei kostenlos von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Parkplätze – die sie nicht bekamen. Zu einer Güteverhandlung im Frühjahr 2021 erschienen sie erst gar nicht.
Unterdessen suchte das Amtsgericht händeringend nach einem Vogelkundler, der ein Gutachten über die Stare auf dem Altusrieder Maibaum anfertigen sollte. Mehrere angefragte Experten sagten ab. Zuletzt wandte man sich ans Max-PlanckInstitut für Ornithologie in München. Dieses Mal mit Erfolg. Doch ehe das Ergebnis bekannt gegeben werden und ein weiterer Verhandlungstermin stattfinden konnte, einigten sich Gemeinde und Nachbarn außergerichtlich.
Die Freude darüber ist nun groß. „Es ist gut, dass dieses Kapitel geschlossen werden kann“, sagte Bürgermeister Konrad. „Wir müssen uns jetzt wieder um die wichtigen Dinge kümmern.“Jüngst begannen die Bauarbeiten für ein neues Rathaus und einen Marktplatz, auf dem der Maibaum dann stehen wird. Allerspätestens 2025 soll es so weit sein. Aus Konrads Sicht ist das der Hauptgrund, warum eine Einigung möglich war.
Bis der Umzug ansteht, darf der Maibaum sogar auf seinem bisherigen Platz wieder aufgestellt werden. Einzige Bedingung: Die Koppachtaler müssen den Wipfel bis Ende August abbauen. „Wir sind mit der Situation so jetzt sehr zufrieden“, sagt deren Vorsitzender Markus Weirather. Er wünscht sich, dass jetzt Ruhe einkehrt und alle wieder miteinander auskommen. Deshalb habe sich der Verein auch auf die Forderung der Nachbarn eingelassen.