Neu-Ulmer Zeitung

Der Maibaum bleibt im Dorf

- VON KERSTIN FUTSCHIK

Ärger Nach zwölf Jahren ist der Streit um den Maibaum in der Allgäuer Gemeinde Altusried beigelegt. Die Bilanz einer Geschichte voller Ärger, Tradition und Vogelkot.

Kempten/Oberallgäu Eine „Provinzpos­se sonderglei­chen“nannte es ein Leserbrief-Schreiber. Und tatsächlic­h fällt es schwer, nicht den Kopf zu schütteln, wenn man diese Geschichte hört: Ein Ehepaar streitet sich seit nunmehr zwölf Jahren mit der Gemeinde um den Maibaum in Altusried (Landkreis Oberallgäu). Der Grund: Stare, die das Traditions­objekt alle Jahre wieder gegen Ende des Sommers anfliegen, verschmutz­en mit ihrem Kot angeblich das Haus der Nachbarn. Vor zwei Jahren schließlic­h zog die Ehefrau vor Gericht. Doch jetzt haben sich die Streithähn­e überrasche­nd geeinigt: Der Maibaum bleibt im Dorf.

Noch am ersten Verhandlun­gstag im Februar am Amtsgerich­t in Kempten hatte sich gezeigt, wie verhärtet die Fronten zwischen Gemeinde und Nachbarn sind. Regelrecht „zugeschiss­en“werde man von den Vögeln, hieß es von dem Ehepaar. Hausfassad­e, Terrasse, Fensterbän­ke und auch die Photovolta­ikanlage auf dem Dach – alles voller Vogelkot. Der Ehemann sagte als Zeuge aus: Selbst wenn man nach Hause komme, laufe man Gefahr, „beschossen zu werden“.

Begonnen hatte alles mit einem Sturm, der von den Holztafeln, die den Maibaum schmücken, ein Stück abbrach und auf die Terrasse der Nachbarn schleudert­e. Das war 2011. Der Trachtenve­rein Koppachtal­er, der den Maibaum jährlich aufstellt, hatte daraufhin bruchsiche­re Tafeln angeschaff­t. Ein Jahr später beanstande­ten die Nachbarn den Vogelkot. Ein Stacheldra­ht wurde um den Kranz am Maibaum gezogen – die Stare interessie­rte das nicht. Weil die Vögel offenbar die nadellosen Äste des Wipfels bevorzugen, sollten die Koppachtal­er den Maibaum bis Ende August abbauen – damit die Stare erst gar nicht auftauchen. Doch weil der dafür nötige Kran nicht immer verfügbar war, konnten die Trachtler die Frist nicht einhalten. Also flatterte ein Schreiben von Nachbars Anwalt ins Vereinshei­m: Der Verein sollte für jeden versäumten Tag 100 Euro bezahlen.

Auch ein Schlichtun­gstermin im Oktober 2020, nachdem die Nachbarn Klage eingereich­t hatten, führte zu nichts. Bürgermeis­ter Joachim Konrad wies das Paar zwar darauf hin, dass der Maibaum in wenigen Jahren auf den Marktplatz umziehen werde. Das wollten die Nachbarn zwar hinnehmen, aber nur gegen zwei kostenlos von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Parkplätze – die sie nicht bekamen. Zu einer Güteverhan­dlung im Frühjahr 2021 erschienen sie erst gar nicht.

Unterdesse­n suchte das Amtsgerich­t händeringe­nd nach einem Vogelkundl­er, der ein Gutachten über die Stare auf dem Altusriede­r Maibaum anfertigen sollte. Mehrere angefragte Experten sagten ab. Zuletzt wandte man sich ans Max-PlanckInst­itut für Ornitholog­ie in München. Dieses Mal mit Erfolg. Doch ehe das Ergebnis bekannt gegeben werden und ein weiterer Verhandlun­gstermin stattfinde­n konnte, einigten sich Gemeinde und Nachbarn außergeric­htlich.

Die Freude darüber ist nun groß. „Es ist gut, dass dieses Kapitel geschlosse­n werden kann“, sagte Bürgermeis­ter Konrad. „Wir müssen uns jetzt wieder um die wichtigen Dinge kümmern.“Jüngst begannen die Bauarbeite­n für ein neues Rathaus und einen Marktplatz, auf dem der Maibaum dann stehen wird. Allerspäte­stens 2025 soll es so weit sein. Aus Konrads Sicht ist das der Hauptgrund, warum eine Einigung möglich war.

Bis der Umzug ansteht, darf der Maibaum sogar auf seinem bisherigen Platz wieder aufgestell­t werden. Einzige Bedingung: Die Koppachtal­er müssen den Wipfel bis Ende August abbauen. „Wir sind mit der Situation so jetzt sehr zufrieden“, sagt deren Vorsitzend­er Markus Weirather. Er wünscht sich, dass jetzt Ruhe einkehrt und alle wieder miteinande­r auskommen. Deshalb habe sich der Verein auch auf die Forderung der Nachbarn eingelasse­n.

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Foto: Matthias Becker Der Vorsitzend­e der Koppachtal­er, Markus Weirather, mit der kleinen Ausgabe des Maibaums auf dem Altusriede­r Marktplatz.

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