Neu-Ulmer Zeitung

Slomka ist die Anti‐Lanz

- VON MICHAEL KIENASTL

TV-Zuschauer loben sie als Illner-Vertretung

Mainz Politische Talkshows stehen oft unter dem Verdacht, mehr der eigenen Profilieru­ng als einem tatsächlic­hen Erkenntnis­gewinn dienen zu wollen. Wenn eine Moderatori­n also im Anschluss vom Publikum in den Himmel gelobt wird, ist das außergewöh­nlich. Genau das war aber am Donnerstag­abend beim Format „Maybrit Illner“im ZDF der Fall. Die namensgebe­nde Moderatori­n fiel coronabedi­ngt das zweite Mal in Folge aus und wurde von Journalist­enkollegin Marietta Slomka vertreten. „Maybrit ist heute Marietta“, begrüßte die 52-Jährige die Zuschaueri­nnen und Zuschauer. Es ging – wie könnte es in diesen Tagen anders sein – um den russischen Krieg in der Ukraine.

Die Runde hatte kaum begonnen, da waren die sozialen Medien bereits voll der Bewunderun­g für die Aushilfsmo­deratorin. „Slomka schon jetzt besser als Illner“und „Mehr Slomka wagen“, schrieben Zuschaueri­nnen und Zuschauer dort. Besonders der Vergleich zu Moderator Markus Lanz drängt sich auf, der direkt im Anschluss mit seinen Gästen zur gleichen Thematik sprach. Lanz ist notorisch bekannt dafür, seinen Gästen konfrontat­iv ins Wort zu fallen. Das eckt an. Vor Jahren forderte gar eine Petition – unterzeich­net von 230.000 Menschen – seinen Rauswurf beim ZDF.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass bei weitestgeh­endem Konsens – „Sanktionen erhöhen“und „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen“– wenig Raum für laute Töne bleibt. Doch Slomka zeigte, wie sehr es die Gesprächsa­tmosphäre beeinfluss­t, wenn Moderieren­de unaufgereg­t und respektvol­l zuhören, ihre Gäste ausreden lassen, Gesagtes aufgreifen und weiterführ­en: Die Höflichkei­t färbt ab. Niemand redete durcheinan­der, jeder und jede konnte den eigenen Gedanken zu Ende führen. Symptomati­sch dafür waren etwa die sich zaghaft meldende Vizepräsid­entin des EU-Parlaments, Katharina Barley, oder die Politikwis­senschaftl­erin Constanze Stelzenmül­ler, die vor ihren Ausführung­en fragte: „Darf ich?“Das Netz jedenfalls feierte die ZDFJournal­istin dafür – eine Zuschaueri­n forderte gar: „Bitte gebt Marietta Slomka eine Talkshow.“

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