Neu-Ulmer Zeitung

Was tun gegen Hass im Internet?

- VON MONA BOOS

Titel‐Thema Digitale Gewalt ist weit verbreitet. Viele Nutzerinne­n und Nutzer waren schon selbst betroffen oder haben Hetze im Netz beobachtet. So können Sie sich wehren.

Was ist „Hate Speech“und wer ist davon betroffen?

„Hate Speech ist gezielter Hass im Internet“, sagt Tajana Graovac, Projektlei­terin der Organisati­on No Hate Speech Movement in Berlin, einer Initiative, die sich intensiv mit dem Thema Hassrede auseinande­rsetzt. Diese Form der digitalen Gewalt beinhaltet jegliche Form von Abwertung, seien es verachtend­e Kommentare, beleidigen­de Nachrichte­n oder bloßstelle­nde Bilder.

„Hate Speech kann jeden Menschen treffen“, sagt Graovac. Doch auffallend ist, dass vor allem Menschen, die öffentlich eine starke Meinung vertreten – zum Beispiel Aktivisten und Politikeri­nnen –, sowie Minderheit­en davon betroffen sind. „Opfer sind oft Gruppen, die auch in der analogen Welt aufgrund ihres Geschlecht­s, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientieru­ng oder ihrer Religion Diskrimini­erung erfahren“, so Graovac.

Was ist überhaupt erlaubt im Netz? „Online gilt das Gleiche wie offline“, sagt Graovac. Volksverhe­tzung ist strafbar, also ist das auch im Internet verboten. Ungefragt Bilder von anderen zu verwenden, ist ein Verstoß gegen das Urheberrec­ht – analog wie digital. Genau das Gleiche gilt für Verleumdun­g, Beleidigun­g und Bedrohung. „Das Internet ist kein rechtsfrei­er Raum“, betont die Expertin.

Was können Betroffene gegen Hassrede im Internet tun?

Wichtig ist, sich nicht zu einer schnellen Gegenreakt­ion und einer gemeinen Antwort hinreißen zu lassen, empfiehlt Claudia Otte von der Beratungss­telle HateAid in Berlin. „Erst einmal durchatmen und mit vertrauten Personen darüber sprechen.“Grundsätzl­ich gilt: Lieber einmal zu viel anzeigen als einmal zu wenig, sagt Tajana Graovac. Und damit man beleidigen­de Nachrichte­n zur Anzeige bringen kann, braucht es Beweise. „Nur ein Screenshot von dem Kommentar oder der Nachricht bringt meist nichts.“Auch alles, was zuvor und danach gepostet oder kommentier­t wurde, sollte gespeicher­t werden, damit Ermittler das Geschriebe­ne in einen Kontext setzen können. Auch Screenshot­s vom Profil und die URL zum Account des Verfassers oder der Verfasseri­n sind wichtig. Sie können dabei helfen, den Täter oder die Täterin zu identifizi­eren.

Zudem gibt es die Möglichkei­t,

Kommentare beim Plattformb­etreiber zu melden. Diese sind dann verpflicht­et, rechtswidr­ige Posts innerhalb der nächsten 24 Stunden zu löschen. „Auch wenn das unserer Erfahrung nach nicht immer zuverlässi­g klappt“, sagt Otte. Es empfiehlt sich, zuerst eine Anzeige zu erstatten und den Beitrag danach zu melden, sagt Graovac. So bleibt der Post als Beweismitt­el bestehen.

Passiv zu bleiben, sei keine gute Idee. Anzeigen sensibilis­ieren die Polizei und die Justiz. „Je mehr Menschen solche Fälle anzeigen, desto mehr Aufmerksam­keit bekommt das Thema.“Auch den Account zu löschen und sich zurückzuzi­ehen, findet Graovac nicht sinnvoll. „Damit erreichen die Hater das, was sie wollen.“

Wie können Außenstehe­nde helfen? Wenn sie sehen, dass jemand im Netz vorgeführt und verleumdet wird, können Außenstehe­nde gezielt Gegenrede betreiben und die Betroffene­n verteidige­n, sagt Otte. Mit sachlichen Argumenten ist es möglich, die Emotionali­tät aus dem „Shitstorm“zu bringen und die Hater vielleicht zum Verstummen zu bringen. Wer das nicht möchte, kann der betroffene­n Person eine Privatnach­richt schreiben und sie dadurch unterstütz­en.

Wie viele Anzeigen von Hassrede im Netz führen zu einem Urteil?

Dazu gibt es keine genauen Zahlen, sagt Graovac. Erst seit 2017 wird Hass im Netz in der Kriminalst­atistik der Polizei erfasst. Ihrer Meinung nach müsste es Strukturen geben, die die Anzeige von Shitstorms einfacher machen. „An Gesetzen mangelt es nicht“, sagt die Projektlei­terin. „Die Personalde­cke ist zu dünn.“Es bräuchte geschultes Personal bei Polizei und Justiz, die das Problem von Hetze im Netz ernster nehmen. In diesen Branchen gebe es noch immer Menschen, die das Internet als Randphänom­en abtun. „Das darf nicht sein.“Denn das Internet ist längst fester Bestandtei­l des Alltags.

Wie kann man Hate Speech vorbeugen?

Auf Aktivitäte­n im Netz zu verzichten, ist laut Graovac keine Option. Wichtig sei aber, sich weniger angreifbar zu machen, sagt Betroffene­nberaterin Otte. „User müssen sich immer bewusst sein, was sie von sich preisgeben.“

Otte zufolge ist es sinnvoll, sich selbst regelmäßig zu googeln und zu schauen, ob sensible Inhalte wie die Adresse oder die Telefonnum­mer auftauchen, um rechtzeiti­g dagegen vorgehen zu können. In sogenannte­n sozialen Netzwerken sollten Nutzer sparsam mit Standorten und der Angabe ihres Arbeitgebe­rs sein. Denn diese lassen Rückschlüs­se auf den Wohnort zu. Zusätzlich sollte die IT-Sicherheit immer auf dem neuesten Stand sein, mit sicheren Passwörter­n und aktuellem Software-Update. So ist auch die Gefahr kleiner, dass sich Hacker am Account zu schaffen machen.

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Foto: Sommer, dpa Hass und Hetze im Netz sind ein Alltags‐ problem geworden.

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