Bye, bye Blautal-Center
Auf den ersten Blick ist es eine Schande: Das Blautal-Center, erst 1997 erbaut, wird abgerissen. Zumindest größtenteils. Die Kurzlebigkeit des fast 500 Meter langen Gebäudes ist in der Tat irritierend. Darf es wirklich sein, dass Multimillionen-Gebäude in der heutigen Zeit eine Lebensdauer von 30 Jahren unterschreiten?
Ja, das muss sogar sein. Denn mit Denkmalen wie Ulmer Münster und Co, die über Jahrhunderte bleiben, lassen sich derartige NutzGebäude nicht vergleichen. Es gibt schlichtweg keine Verwendung mehr für einen Sperrriegel an der Blau, der 37.500 Quadratmeter Verkaufsfläche bietet. Als das Blautal-Center 1997 eröffnet wurde, steckte das Internet, so wie wir es heute kennen, noch in den Kinderschuhen. Und der Online-Handelsriese Amazon war zumindest hierzulande noch ein Exot. Das BlautalCenter war damals „state of the art“, nicht Amazon. Niemand hätte sich vorstellen können, dass eines Tages Einkaufstempel wie dieser veraltet sind. Und so baute man ein Gebäude, das nur als solches zu gebrauchen ist – für nichts anders.
Ein Vierteljahrhundert später lernten die Stadtoberen in Ulm dazu. Man mag von den Sedelhöfen in Ulm architektonisch halten, was man will. Klar ist: Sie sind zukunftsfähig. Um ein Haar wäre auch am Ulmer Hauptbahnhof ein klassisches Einkaufszentrum entstanden. Eines jener Sorte, das Eingang und Ausgang hat und ansonsten keine Verbindung zur Umgebung. So wie das Blautal-Center. Doch zum Glück zog der erste Investor zurück und es entstand schlicht ein neues Stadtviertel, das so konstruiert ist, dass mit vergleichsweise wenig Aufwand Handelsfläche in Büros oder gar in Wohnungen umgewandelt werden kann.
So weit wird es im Falle der Sedelhöfe aber in absehbarer Zeit nicht kommen, Experten sind sich einig, dass die besten Innenstadtlagen auch in Zukunft Menschen zum Bummeln locken werden. Fakt ist aber auch: Sämtliche Waren sind durch das Internet immer und überall verfügbar.
Es besteht kein zwingender Grund, zum Einkaufen in die Stadt zu gehen. Im Internet kann zu jeder Zeit „auf Weltstadtniveau“eingekauft werden. Das Rad der Zeit dreht sich somit noch ein Stück zurück: Die Nahversorgung wird wieder wichtiger, weil in Sachen Drogerieartikel und Lebensmittel die Kundschaft im Internet zurückhaltend ist.
Die Zeit wird zeigen, was der Wandel im Handel mit der GlacisGalerie in Neu-Ulm macht: Kritiker sagen, dass das Neu-Ulmer Blautal-Center-Pendant zu seiner Eröffnung bereits aus der Zeit gefallen war. Obwohl erst 2015 eröffnet, gilt das Center mit knapp 28.000 Quadratmetern Verkaufsfläche als Kind der Neunziger. Ein ziemlich abgeschlossenes „Ufo“, das der Umgebung rein architektonisch die kalte Schulter zeigt. Einkaufszentren der 2000er sind keine „Knochen“mit Eingang und Ausgang, sondern offen. Die „Mall der Zukunft“kann zudem kein reines Einkaufszentrum mehr sein, sondern muss der Unterhaltung dienen. Kaum jemand weiß das so gut wie die Firma
ECE, der Betreiber der Neu-Ulmer Glacis-Galerie. Die freuen sich insgeheim über einen Konkurrenten weniger. Und sie haben trotzdem Zukunftssorgen.