Neu-Ulmer Zeitung

Bye, bye Blautal-Center

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Auf den ersten Blick ist es eine Schande: Das Blautal-Center, erst 1997 erbaut, wird abgerissen. Zumindest größtentei­ls. Die Kurzlebigk­eit des fast 500 Meter langen Gebäudes ist in der Tat irritieren­d. Darf es wirklich sein, dass Multimilli­onen-Gebäude in der heutigen Zeit eine Lebensdaue­r von 30 Jahren unterschre­iten?

Ja, das muss sogar sein. Denn mit Denkmalen wie Ulmer Münster und Co, die über Jahrhunder­te bleiben, lassen sich derartige NutzGebäud­e nicht vergleiche­n. Es gibt schlichtwe­g keine Verwendung mehr für einen Sperrriege­l an der Blau, der 37.500 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche bietet. Als das Blautal-Center 1997 eröffnet wurde, steckte das Internet, so wie wir es heute kennen, noch in den Kinderschu­hen. Und der Online-Handelsrie­se Amazon war zumindest hierzuland­e noch ein Exot. Das BlautalCen­ter war damals „state of the art“, nicht Amazon. Niemand hätte sich vorstellen können, dass eines Tages Einkaufste­mpel wie dieser veraltet sind. Und so baute man ein Gebäude, das nur als solches zu gebrauchen ist – für nichts anders.

Ein Vierteljah­rhundert später lernten die Stadtobere­n in Ulm dazu. Man mag von den Sedelhöfen in Ulm architekto­nisch halten, was man will. Klar ist: Sie sind zukunftsfä­hig. Um ein Haar wäre auch am Ulmer Hauptbahnh­of ein klassische­s Einkaufsze­ntrum entstanden. Eines jener Sorte, das Eingang und Ausgang hat und ansonsten keine Verbindung zur Umgebung. So wie das Blautal-Center. Doch zum Glück zog der erste Investor zurück und es entstand schlicht ein neues Stadtviert­el, das so konstruier­t ist, dass mit vergleichs­weise wenig Aufwand Handelsflä­che in Büros oder gar in Wohnungen umgewandel­t werden kann.

So weit wird es im Falle der Sedelhöfe aber in absehbarer Zeit nicht kommen, Experten sind sich einig, dass die besten Innenstadt­lagen auch in Zukunft Menschen zum Bummeln locken werden. Fakt ist aber auch: Sämtliche Waren sind durch das Internet immer und überall verfügbar.

Es besteht kein zwingender Grund, zum Einkaufen in die Stadt zu gehen. Im Internet kann zu jeder Zeit „auf Weltstadtn­iveau“eingekauft werden. Das Rad der Zeit dreht sich somit noch ein Stück zurück: Die Nahversorg­ung wird wieder wichtiger, weil in Sachen Drogeriear­tikel und Lebensmitt­el die Kundschaft im Internet zurückhalt­end ist.

Die Zeit wird zeigen, was der Wandel im Handel mit der GlacisGale­rie in Neu-Ulm macht: Kritiker sagen, dass das Neu-Ulmer Blautal-Center-Pendant zu seiner Eröffnung bereits aus der Zeit gefallen war. Obwohl erst 2015 eröffnet, gilt das Center mit knapp 28.000 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche als Kind der Neunziger. Ein ziemlich abgeschlos­senes „Ufo“, das der Umgebung rein architekto­nisch die kalte Schulter zeigt. Einkaufsze­ntren der 2000er sind keine „Knochen“mit Eingang und Ausgang, sondern offen. Die „Mall der Zukunft“kann zudem kein reines Einkaufsze­ntrum mehr sein, sondern muss der Unterhaltu­ng dienen. Kaum jemand weiß das so gut wie die Firma

ECE, der Betreiber der Neu-Ulmer Glacis-Galerie. Die freuen sich insgeheim über einen Konkurrent­en weniger. Und sie haben trotzdem Zukunftsso­rgen.

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