Lustreisen werden wichtiger
Bilanz In der Pandemie kommt nur etwa die Hälfte der Menschen nach Ulm/Neu-Ulm wie zuvor. Doch keine andere Region in Bayern oder Baden-Württemberg erholte sich so gut von Corona.
Ulm/Neu‐Ulm Die Pandemie hinterließ auch im vergangenen Jahr eine breite Schneise im Tourismus der Region: Im Vergleich mit den Vorjahren lag die viele Jahre von Zuwachsraten verwöhnte Doppelstadt Ulm/NeuUlm nur auf dem Niveau von 2011. Lediglich 310.335 Gäste wurden gezählt, die für 594.249 Übernachtungen zahlten. Damit erreichte der Tourismus 51 Prozent des Rekordjahres 2019, als beinah die Millionen-Marke bei den Übernachtungen geknackt wurde. Doch es gibt auch gute Nachrichten.
Spitze im Süden ist die Doppelstadt: Denn im Vergleich zum ersten Pandemie-Jahr 2020 erzielte die Zweilandstadt nach Angaben der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT), der touristischen Vermarktungsgesellschaft, ein Plus von gut sechs Prozent bei Ankünften und ein Plus von knapp 20 Prozent bei den Übernachtungen. „Das ist der höchste Zuwachs von allen Städten in Bayern und Baden-Württemberg“, sagt Wolfgang Dieterich, der Geschäftsführer der UNT. Ein weiteres „Licht am Horizont“sei die Tatsache, dass der August des vergangenen Jahres besser gewesen sei als der August des Rekordjahres 2019.
Die Schlussfolgerung daraus: Ulm/ Neu-Ulm ist für Freizeittouristen attraktiver denn je, denn im Hochsommer finden so gut wie keine Kongresse und Messen statt, die sonst die Hotels der Region füllen. Außer im vergangenen Jahr: Denn Gründe für Geschäftsreisen, wie Kongresse, gab es im vergangenen Jahr in Ulm/NeuUlm kaum.
Gründe für die gesteigerte Attraktivität der Doppelstadt für Freizeitbesucher sieht Dieterich nicht zuletzt in gesteigerten Marketingaktivitäten. Durch (Corona-) Landeszuschüsse habe Ulm als Teil eines MarketingVerbunds von neun kreisfreien Städten von Kampagnen für einen sechsstelligen Betrag profitiert.
Knapp 20 Prozent der Gäste kamen aus dem Ausland, in vergangenen Zeiten waren es etwa 25 Prozent.
Doch die Zahlen würden etwas täuschen: So wurden etwa knapp 14.000 Ankünfte aus Rumänien registriert. Dies, so Dieterich, seien jedoch meist Gastarbeiter, die kaum Auswirkungen auf die Umsätze von Hotels, Gastronomie und den Handel hätten. Was die Umsätze angeht, seien insbesondere Besucher und Besucherinnen aus der Schweiz in Ulm/Neu-Ulm schmerzlich vermisst worden. Nur etwas mehr als 10.000 fanden den Weg an die Donau, 2019 waren es noch gut 31.000 (meist zahlungskräftige) Eidgenossen. Die meisten Gäste aus dem Ausland reisten im vergangenen Jahr aus den Niederlanden ein (13.500), aber auch dies war nur die Hälfte der niederländischen Besucher und Besucherinnen des Jahres 2019.
Ein Zeichen dafür, dass der Freizeitbesuch zunehmend die Geschäftsreisetätigkeit in der Bedeutung verdrängt, sei auch die Dauer des Aufenthalts: 2019 war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer noch 1,6 Tage, jetzt waren es 1,9 Tage. Die Bettenbelegungsquote sank allerdings von 47,7 Prozent (2019) auf etwas über 30 Prozent. Aus Sicht von Dieterich hat die Hotellandschaft im Gegensatz zu anderen Städten in Ulm/Neu-Ulm das verträgliche Maß noch nicht überschritten. Zumal gerade in Neu-Ulm in jüngster Zeit viele Betriebe ausfielen – Donau-Hotel, Golden Tulip und Meinl etwa. Mit der Eröffnung des Me-and-All-Hotels in den Sedelhöfen und der Eröffnung des Motel One am Münsterplatz „ist es jetzt aber gut“.
Wie Karin Krings, die Vorsitzende der Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Ulm, sagt, gebe es ein gutes Miteinander der inhabergeführten Hotels mit den großen Ketten. Denn von der Marketingmacht eines Riesen wie der Motel-One-Kette würde letztlich die ganze Region profitieren. Die befürchtete große Pleite-Welle in der Hotellerie und Gastronomie sei dank staatlicher Hilfen bisher ausgeblieben. Doch die Gefahr sei noch nicht gebannt, wenn die Betriebe bald wieder auf eigenen Füßen stehen müssen und die Krisen nicht ausbleiben. Dieterich ist sich sicher, dass die Geschäftsreisen nicht in vollem Umfang wie vor der Corona-Krise zurückkehren werden. In den Betrieben habe sich die Erkenntnis verankert, dass sich viele Reisen durch digitale Alternativen einsparen ließen. Umso wichtiger sei es, die Attraktivität der Doppelstadt zu pflegen und auch zu verbessern. Ein neues Mosaiksteinchen sei, so Dieterich, der neue „Württembergische Täler“-Radweg, der durch Ulm/ Neu-Ulm führt. Das sei dann der sechste vom Radklub ADFC zertifizierte Radweg, der am Münster vorbeiführt.
Neu ist auch, dass Neu-Ulm künftig Teil der Lauschtour sein wird. Dieses als Audioguide und App entwickelte Format gibt es bislang von 20 bayerischen Gegenden – unter anderem Elchingen und Roggenburg. Die Ausgabe Nummer 21 wird sich laut Dieterich Neu-Ulm widmen. Insbesondere soll es bei der Hörführung um die Themen Bundesfestung, Donau und Edwin Scharff gehen. Und noch ein ähnliches Angebot soll Besuchern und Besucherinnen die Zeit an der Doppelstadt versüßen: Das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm wird nach der Wiedereröffnung Teil der Transdanube Travel Stories. Für gut zehn Stationen an der Donau wird der Schauspieler Jörg Zenker eine Hörführung zum Thema Handel an der Donau einspielen, die es auch in real zu buchen geben soll.
Knapp 20 Prozent der Gäste kamen aus dem Ausland