Der Krieg trifft auch die Reisebranche
Wirtschaft Die Reisebüros in der Region hatten durch die Pandemie schwere Einbußen zu verzeichnen. Zuletzt ging es aufwärts. Nun wirkt sich der Ukraine-Krieg aufs Geschäft aus.
Landkreis Neu‐Ulm/Unterallgäu „Bis zum Krieg waren wir fast auf einem Niveau von vor Corona“, sagt Volker Selzer. Er leitet das Reisebüro Honold in Neu-Ulm. Doch während die Einbußen durch die Pandemie in den vergangenen Wochen beinahe ausgeglichen schienen, bahnten sich seit Beginn des Ukrainekrieges neue Schwierigkeiten an. Reisebüros aus den Landkreisen Neu-Ulm und Unterallgäu berichten von vorsichtigen Buchungen und stornierten Kreuzfahrten.
Reisen nach Russland sind aufgrund der Sanktionen kaum möglich. Beinahe alle Linien haben ihre direkten Flüge eingestellt; und auch Kreuzfahrten in der Ostsee werden von den Veranstaltern storniert oder umgeplant. Bei vielen Reisen wären Moskau oder Sankt Petersburg Zwischenstopps gewesen.
Über den Winter sei die Nachfrage deutlich gestiegen: Die Menschen wollen reisen, so Selzers Eindruck. Spitzenreiter bei den Zielen sind derzeit Dubai, die Malediven und die Kanaren. Nach kürzlich erfolgten
Lockerungen werde zudem Mauritius häufig gebucht. Trotzdem arbeitet sein Team teilweise noch immer in Kurzarbeit. Die Pandemie ist in der Branche nicht überwunden.
Durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine seien manche Kundinnen und Kunden vorsichtig geworden. „Das betrifft mehrheitlich Menschen, die selbst schon einen Krieg erlebt haben“, sagt Selzer. Viele seien es nicht. Mit Pauschalaussagen möchte er sich ebenfalls zurückhalten. „Das Hauptproblem sind für uns die Ostsee-Kreuzfahrten“, sagt er. Bislang hat das Reisebüro Honold Reisen nach Russland und in die Ukraine veranstaltet. „Ich war selbst mit einer Gruppe in der Oper in Odessa“, erzählt Selzer. Es sei tragisch, dass diese nun bombardiert werde. „Das war eines der schönsten Häuser der Welt“, sagt er. Für den Reiseexperten ist „Tourismus eine Chance, um Menschen zusammenzubringen“. Aus persönlicher Überzeugung möchte er dennoch aktuell keine Reisen nach Russland anbieten. Selbst wenn es möglich wäre.
Kundinnen und Kunden des Reisebüros Ehrmann in Babenhausen waren zum Ausbruch des Krieges vorsichtiger. „Das hat sich mittlerweile etwas gelegt“, sagt Daniel Ehrmann, Inhaber des Reisebüros. Da bei ihm Reisen nach Russland und in die Ukraine bislang nicht gebucht wurden, erfährt er durch den Krieg keine Einbußen und musste keine Reisen absagen. „Manche haben ein schlechtes Gewissen oder Angst mit Blick auf den Urlaub“, sagt Ehrmann. Nach zwei Jahren Pandemie und Reisebeschränkungen wollten sich aber viele Menschen wieder etwas gönnen. Aufgrund der erneuten Beschränkungen im November gab es zwar weniger Frühbucher. „Ich denke, es wird trotzdem ein guter Last-MinuteSommer“, sagt er. Auf einem Niveau wie vor der Pandemie seien sie noch lange nicht. Sollte der Herbst aber ruhig und ohne Einschränkungen verlaufen, könne man im nächsten Sommer damit rechnen. Welche Auswirkungen der Krieg auf Sommerreisen nach Bulgarien oder Rumänien hat, können die Tourismuskaufleute bislang noch nicht sagen. „Das wird sich ab Mai zeigen“, sagt Selzer. Ehrmann rechnet in den kommenden Monaten nicht mit Nachfragen für die angrenzenden Länder. Für Reisen nahe dem Kriegsgebiet könnten Veranstalter Umbuchungen anbieten, sofern Gefahr bestehe, so Selzer. Für ihn sei aus diesem Grund die Buchung und Beratung in einem Reisebüro wichtig, damit Reisende über Risiken und die Möglichkeiten eines Reiserücktritts informiert werden.
Die Frage nach Flex-Tarifen ist bei Gabi Unseld vom Reisebüro Unseld in Senden groß. Die Tarife kosten zwar ein klein wenig mehr, dafür können Kundinnen und Kunden die Reise ohne Angabe von Gründen bis zu zwei Wochen vorher stornieren. Unseld spürt, wie ihre Kollegen, eine gewisse Vorsicht bei Buchungen. „Das betrifft vorwiegend Gebiete, die Richtung Osten liegen“, sagt Unseld. „Bislang lief es gut, aber die Menschen sind zurückhaltender geworden.“
In ihrem Reisebüro war schon zuvor keine Nachfrage zu Russlandund Ukraine-Reisen, somit habe sie keine Einbußen. Mit Prognosen für den Sommer zeigt sich Unseld vorsichtig. „Die Beständigkeit ist aktuell der Wandel“, sagt sie.