Der „Barbier von Sevilla“feiert Premiere
Aufführung Wegen Corona musste das Theater Ulm umdisponieren: Rossinis „Il barbiere di Siviglia“wird nicht groß inszeniert, sondern konzertant aufgeführt. Auch in dieser Form überzeugen die Akteure.
Ulm Corona hatte das Theater Ulm den vergangenen Wochen durch eine Serieninfektion gebeutelt, so sehr, dass die Premierentermine von „Rigoletto“und „Barbier von Sevilla“getauscht werden mussten, und dass Rossinis Opera buffa nun „nur“konzertant auf dem Spielplan steht, weil szenische Proben nicht möglich waren. Nichtsdestotrotz: Alle Akteure um die schöne und reiche Rosina (Maryna Zubko) und den in sie verliebten Grafen Almaviva (Joshua Spink) liefern unter der Leitung von Kapellmeister Levente Török eine große Leistung ab.
Gioacchino Rossini und sein Librettist Cesare Sterbini gaben dem jungen Grafen, der um die liebenswerte Rosina wirbt, der aber möchte, dass sie ihn als Menschen und nicht seine Position liebt, einen sprechenden Namen: Almaviva, lebendige Seele. Dass der Abend gut ausgehen wird, obwohl Rosina eigentlich vom eifersüchtigen Vormund geheiratet werden soll und es jede Menge Pleiten, Pech und Pannen gibt, ist damit vorprogrammiert. Doch kann man in Zeiten eines Krieges in Europa, des Sterbens in der Ukraine und der flüchtenden Menschen so ein komisches und populäres Werk spielen? Man kann, wenn man es mit dem nötigen Feingefühl angeht, und das zeigte sich von Anfang an: Vor der Ouvertüre spielten die Ulmer Philharmoniker am Premierenabend, der genau einen Monat nach Kriegsbeginn stattfand, die ukrainische Nationalhymne, was das Publikum stehend achtete.
Höchstes Lob ist Maryna Zubko in der Rolle der listigen Rosina, die alles andere als Spielball der Männer ist, die sie heiraten wollen, zu zollen: Die aus dem Nordosten der Ukraine stammende Sopranistin bangt um ihre Familienangehörigen dort, hilft in Ulm Ukraine-Flüchtlingen, war erkältet – und liefert auf der Bühne stimmlich mit großartigen Koloraturpartien, mit mimischer Komik und Gestik eine derart facettenreiche und lebendige Rosina, dass es immer wieder spontanen Applaus gibt. Eine ähnlich große Leistung zeigt Dae-Hee Shin in der Titelrolle des strippenziehenden örtlichen Barbiers von Sevilla, der seine Hände mächtig im Spiel hat, um Rosina und Almaviva zu ihrem Liebesglück zu verhelfen.
Überhaupt: Wenn Bühnenbild,
Schauspiel und Kostüme fehlen, wenn alle Akteure in Abendkleidung auf der Bühne stehen und sitzen, zeigt sich, wie wichtig die Fähigkeiten der Sängerinnen und Sänger zur kleinen Interaktion in Gestik und Mimik sind, wie wichtig es zum Beispiel sein kann, ob man in sängerischen Pausen nur sitzt, oder ob ein
Akteur mit hämischer Miene, schmollend oder in ablehnender Körperhaltung auf seinem Stuhl das Geschehen spiegelt. Das gelingt Joshua Spink im zweiten Teil deutlich besser als im ersten, zumal er im zweiten Teil ein herrlich quengelndes „Pace e gioia sia con voi“singen darf und damit viel Begeisterung im Publikum auslöst.
Martin Gäbler interpretiert den Vormund Bartolo gestenreich, dass man ihm abnimmt, dass er mit der Lösung letztlich einverstanden ist, Rosina nicht zur Frau zu bekommen, aber eine Menge Geld zu sparen.
Und dann gibt es da noch den sinistren Gesangslehrer (Daniele Macciantelli), die Haushälterin Berta (Eleonora Halbert) – und selbst Levente Török bekommt von Dirigentenpult aus eine kurze stumme Rolle als Notar, die er mit Witz und Charme ausfüllt.
Termine Die nächsten Aufführungen finden am 31. März, am 21. und 30. April statt.