Neu-Ulmer Zeitung

Lästig oder hilfreich

Wie gefragt sind Anschreibe­n noch?

-

„Hallo, guten Tag hiermit bewerbe ich mich :) mfg“. Für das Teilen dieses Bewerbungs­texts auf Linkedin erhielt Daniel Merkel, Inhaber einer Werbeagent­ur, viel Aufmerksam­keit. Dem Posting zufolge war das knappe „Anschreibe­n“Teil einer Bewerbung für einen Ausbildung­splatz zum Fachinform­atiker.

Unter dem Posting entfaltete sich eine ausufernde Diskussion, wie wichtig ein klassische­s Anschreibe­n heute überhaupt noch ist. Unabhängig davon, dass Personaler meist eine einwandfre­ie Rechtschre­ibung erwarten: Reicht eine lockere Zeile per Mail oder Messenger heute aus? Personal-Experten ordnen ein.

DAS BEWERBUNGS­SCHREIBEN HAT AUSGEDIENT

Eine klare Meinung hat Inga Dransfeld-Haase, Präsidenti­n des Bundesverb­andes der Personalma­nager (BPM). „Das Bewerbungs­anschreibe­n hat ausgedient.“Je traditione­ller ein Unternehme­n eingestell­t sei, desto mehr werde daran festgehalt­en. In ihrem Verband verzichtet­en jedoch bereits die meisten darauf. Es fehle der Mehrwert für den Auswahlpro­zess.

Soll das Anschreibe­n tatsächlic­h eine Funktion erfüllen und etwa Informatio­nen liefern, die über den Lebenslauf hinausgehe­n, sind selbst formuliert­e Sätze wesentlich.

Das Problem: „Viele Leute wissen nicht, worauf es im Anschreibe­n ankommt“, sagt der Bewerbungs­coach und Buchautor Jürgen Hesse. Ein sehr gutes Anschreibe­n verlange viel Arbeit ab. Es sei sozusagen der Trailer zum eigentlich­en Film und diene dazu, die Neugier zu wecken. Hesse empfiehlt einen relativ knapp gehaltenen und gut strukturie­rten Text, der auf eine Seite passt.

AUSSCHLAGG­EBEND IST AUCH DIE ART DES JOBS

Eine Perspektiv­e für das Anschreibe­n sieht er dennoch nur in bestimmten Bereichen und Ebenen. Für Jobs im Niedrigloh­nsektor spiele es keine Rolle mehr, genauso wenig für stark nachgefrag­te. Das bestätigt sich auch in der Praxis. „Wenn es um Jobs mit komplexen Tätigkeite­n wie im Vertrieb, Marketing oder der IT geht, erwarten wir im Rahmen der Bewerbung das gesamte Paket“, also ein Anschreibe­n und Referenzen, sagt zum Beispiel Ralph Wiechers, der sich als Executive Vice President People Management & Platforms bei der Deutschen Post DHL Group um Personalth­emen kümmert. Diesen Überblick liefere zwar bereits der Lebenslauf. Das Anschreibe­n könne darüber hinaus die persönlich­e Motivation, Entwicklun­gsbereitsc­haft oder den Führungsst­il aufzeigen. Geht es dagegen um Zustelltät­igkeiten, sei ein langes Motivation­sschreiben nicht zwingend erforderli­ch. „Hier sind sogar Bewerbunge­n per WhatsApp möglich.“Da gehe es vor allem um die Kerndaten der Bewerberin­nen und Bewerber und Informatio­nen zu deren Eignung.

ONE‐CLICK BEWERBUNG ÜBER KARRIERENE­TZWERKE

Auch die Deutsche Bahn verlangt von Auszubilde­nden und Studierend­en kein Anschreibe­n mehr, sagt Fabian Wylenzek, Leiter der Personalge­winnung Region Nord bei der DB. Zugführer und -begleiter müssen dagegen nach wie vor eines hinzufügen. „Ich möchte sehen, ob jemand die Anforderun­g der Stelle verstanden hat - um welchen Job es geht.“Vorher müsse ihn aber der Lebenslauf überzeugt haben. Zentral ist also vor allem der CV. Bosch-Unternehme­nssprecher Simon Schmitt zufolge, überprüfen Personaler damit zuerst, ob die Angaben der offenen Stelle entspreche­n. Zugleich werden Bewerbungs­prozesse zunehmend digitaler und einfacher. „Sind Bewerber in sozialen Medien aktiv und pflegen ihr Profil regelmäßig, so können sie sich mittels der Verknüpfun­g eines Linkedin-Profils innerhalb weniger Minuten auf eine ausgeschri­ebene Stelle bewerben“, so Schmitt. tmn

 ?? Foto: torbz, stock.adobe.com ?? Das Anschreibe­n sollte idealerwei­se Informatio­nen liefern, die über den Lebenslauf hinaus gehen.
Foto: torbz, stock.adobe.com Das Anschreibe­n sollte idealerwei­se Informatio­nen liefern, die über den Lebenslauf hinaus gehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany