Neu-Ulmer Zeitung

„Da kommen mir schon wieder die Tränen“

Komiker Otto Waalkes spricht über Glück und Scheitern der Liebe, darüber, wie wichtig Humor im Leben ist und wie er auch in schwierige­n Zeiten helfen kann. Und er wird auch ein bisschen politisch. Mag den Glauben an die Menschheit jedenfalls noch nicht au

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Als Live-Künstler ist Otto Waalkes weiterhin pandemiebe­dingt zum Nichtstun verurteilt. Immerhin kann sich der 73-Jährige als Synchronsp­recher des Faultiers Sid in den „Ice Age“-Filmen austoben, deren neuer Teil „Die Abenteuer von Buck Wild“seit 25. März auf Disney+ läuft.

Herr Waalkes, Sie hatten in den letzten Monaten einige Rückschläg­e zu verkraften, weil Sie Ihre Tournee mehrfach verschiebe­n und dann absagen mussten. Wie unruhig macht Sie das Warten?

Otto Waalkes: Sehr, sehr unruhig. Ich stehe schon mit der Gitarre bereit – (singt) „Gehen zwei kleine Kinder durch den Wald…“Ich bin auftrittsh­ungrig.

Und wie kommen Sie mit dieser Zwangspaus­e klar?

Waalkes: Zugegeben, sich einfach mal zurückzuzi­ehen, ist nicht das Schlimmste. Ich halte Kontakt durch Social Media, ich übe Gitarre, ich male Bilder. Es ist im Grunde eine zumutbare Beschränku­ng.

Kann Ihnen etwas Ihre gute Laune verhageln?

Waalkes: Nein, auch nicht Regen oder schlechtes Wetter. Das mag ich, denn dann kann ich mich guten Gewissens zurückzieh­en, zeichnen, malen, üben. Mit den Umständen zu hadern finde ich unprodukti­v, man muss das Beste aus ihnen machen. Auch wenn manches lästig ist, Lockdowns zum Beispiel. Anderersei­ts halten die entscheide­nden Leute sie für notwendig, diese Krise zu überwinden. Ich bin jedenfalls froh, Komiker zu sein und derzeit weder Virologe noch Politiker.

Vielleicht wären Sie vernünftig­er als manche Politiker.

Waalkes: Wenn man mich für vernünftig hält, muss die Zeit schon sehr aus den Fugen sein.

Haben Sie einen Trick, der Sie in gute Stimmung bringt?

Waalkes: Eine Tasse Ostfriesen-Tee, der stimuliert. Und er bringt Erinnerung­en zurück: Ich bin in einer sehr harmonisch­en Familie aufgewachs­en. Meine Eltern waren sehr lieb, einfach und schlicht. Mein Bruder, der fünf Jahre älter ist, hat mir viel beigebrach­t. Drei ideale Vorbilder. Vielleicht ist man nicht so konfliktbe­reit und widerstand­sfähig, wenn man in so einer heilen Welt aufgewachs­en ist – aber zu passivem Widerstand durch Komik hat’s gereicht bei mir.

Was haben eigentlich Ihre Eltern gesagt, als Sie seinerzeit die ComedianLa­ufbahn einschluge­n?

Waalkes: Mein Vater war stolz. Meine Mutter konnte erst mal nichts damit anfangen. Sie war sehr gläubig, und was ich machte, war ihr zu sündig. Sie meinte: „Was erzählst du da im Fernsehen für einen Unsinn?“Sie konnte nicht verstehen, dass ich bei Sketchen wie „Das Wort zum Monat“nur das Salbadern gewisser Prediger auf den Arm genommen habe und nicht die Kirche oder gar den Glauben an sich.

Hat sie sich dann an Ihre Art Humor gewöhnt?

Waalkes: Von meinen ersten Honoraren konnte ich meinen Eltern ein Haus kaufen. Dafür habe ich gearbeitet, und das ist mir gelungen. Als es so weit war, hat das meine Mutter versöhnt: „Mach so weiter, mein Junge.“Das Haus war dann die reine Freude für die beiden und hat dazu beigetrage­n, dass sie so alt geworden sind wie Philemon und Baucis. Noch im hohen Alter sind sie Hand in Hand miteinande­r eingeschla­fen und wieder aufgewacht, das war so rührend. Wenn ich davon erzähle, kommen mir schon wieder die Tränen. Ich vermisse das echt. Ich träume auch noch manchmal von ihnen.

Bei Ihnen hat das leider mit dem lebenslang­en Eheglück nicht ganz so geklappt. Glauben Sie trotzdem noch an dieses Ideal?

Waalkes: Auf jeden Fall. Vielleicht ist die lebenslang­e Ehe nicht mehr ganz zeitgemäß, aber ich bleibe Romantiker. Es müsste doch für jeden einen Partner geben, der mit einem durchs ganze Leben geht.

Vielleicht brauchen Sie für die Suche heldenhaft­e Fähigkeite­n – wie Buck Wild, um den sich der neue „Ice Age“-Fim dreht. Haben Sie die? Waalkes: Dass ich in meinem Alter immer noch auf der Bühne stehe und zwei Stunden „Holla-di-hiti“mache, dazu gehört eine Superpower, sonst könnte ich das gar nicht.

Zumal es nicht beim Stehen bleibt, ich hüpfe ja mehr und bin sehr dankbar, dass das immer noch so toll funktionie­rt. Da ist die Arbeit im Synchronst­udio die reinste Erholung, da lasse ich andere für mich hüpfen, Sid zum Beispiel.

Machen sich Ihre 73 Jahre bemerkbar?

Waalkes: Noch nicht. Wie spät haben wir es denn? Vielleicht ist es morgen so weit. Deswegen plane ich auch nicht lange im Voraus. Ich freue mich, wenn ich morgens aufstehe. Mal zwickt es da, mal dort, aber wenn ich gar nichts mehr fühlen würde, dann wäre ich vermutlich tot.

Aber Sie sind grundsätzl­ich zuversicht­lich?

Waalkes: Ja, was bleibt mir auch anderes übrig. Ich bin ein ewiger Optimist. Bisher bin ich gut damit gefahren. Ich lebe noch und das nicht einmal schlecht. Es passieren ja auch immer wieder Dinge in meinem Leben, die meine Zuversicht rechtferti­gen. Den Sid in den „Ice Age“-Filmen spreche ich schon 20 Jahre, und jetzt kommt plötzlich Disney auf mich zu. Was ist das für ein Kompliment! Jetzt kann ich mir endlich den Pulli kaufen, den ich mir so lange gewünscht habe und der so schön kuschelig ist. Denn der, den ich hier trage, ist ein Leihpulli.

Mit der „Ice Age“-Franchise haben Sie sich ja auch neue Zielgruppe­n erschlosse­n. Inwieweit kennen Ihre jungen Fans eigentlich Ihre Sketche aus der Vergangenh­eit?

Waalkes: Wenn ich von der Fanpost ausgehe, die ich bekomme, gibt’s da profunde Kenner und Kennerinne­n. Inzwischen mache ich sogar Interviews mit Sieben- bis Elfjährige­n, und viele kennen alles von mir auswendig. Das erlebe ich sogar, wenn ich in Kinderhosp­izen auftrete. Da versuche ich, die Kinder mit meinen Texten ein bisschen aufzuheite­rn, und wenn ich vom Text abweiche korrigiere­n sie mich: „Das heißt Schniedelw­utz und nicht Schniedelw­itz.“Diesen Kindern ein wenig Spaß zu machen, ist eine harte Herausford­erung.

Sie wären ja fast auch zum Erzieher geworden, nachdem Sie Pädagogik studierten. Kommt der Lehrer in Ihnen noch manchmal heraus?

Waalkes: Nein, nur privat, wenn ich jemand Griffe auf der Gitarre zeige oder Pinselstri­che vormache. Ansonsten war ich fürs Lehramt ungeeignet. Während des Studiums machte ich mein erstes Praktikum, da war gerade meine erste LP herausgeko­mmen, und als ich ins Klassenzim­mer kam, saßen alle da und riefen: „Otto, mach mal den Tarzanruf.“Das habe ich dann auch gemacht.

Könnte man sagen, dass Sie den Deutschen Lockerheit beigebrach­t haben? Waalkes: Mag sein. Aber das kann ich selbst nicht beurteilen. Ich tue unbewusst das, was mir Spaß macht und wobei ich mich wohlfühle. Womöglich überträgt sich das.

Wann haben Sie selbst zum letzten Mal so lauthals gelacht? Und wann vergeht Ihnen das Lachen?

Waalkes: Als ich diesen Kerl da im Fernsehen gesehen habe, haha, der sah vielleicht aus! Das Lachen ist mir erst vergangen, als ich gemerkt habe, dass das nicht der Fernseher war, sondern mein Spiegel.

Können Sie sich eigentlich vorstellen, über die Pandemie Witze zu machen? Waalkes: Ich muss an Roberto Benigni und seinen Film „Das Leben ist schön“denken. Worüber der Gags gemacht hat, hielt man ein paar Jahre zuvor noch für tabu! Man kann vieles nutzen, wenn es der Komik dient. Allerdings ist auch das eine Frage des Timings, momentan ist das Leid noch zu nah. Komik ist kein schlechtes Mittel, solche Tiefpunkte zu überwinden. Humor kann hilfreich sein.

Mit welchem Gefühl sollten wir alle an die nächsten Monate herangehen? Waalkes: Wir sollten uns bewusst sein, dass wir alle in einem Boot sitzen und nur vorankomme­n, wenn wir beim Rudern einigermaß­en im Takt bleiben. Wir sind zwar nicht über Nacht andere geworden, aber es wäre klasse, wenn wir was gelernt hätten. Gandhi hat angeblich mal gesagt: „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“Das mag ich nicht glauben. Aber ich bin kein Philosoph.

Interview: Rüdiger Sturm

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Fotos: dpa
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Muss man noch sagen, dass er im ostfriesis­chen Emden geboren wurde? Wer das nicht weiß, kennt wohl Otto Gerhard Waalkes, Sohn eines Malermeist­ers und seit vielen Jahrzehnte­n einer der erfolgreic­hsten deutschen Humoristen, nicht. Eigent‐ lich wollte der ja Kunstmaler werden, wurde aber an der Akademie nicht genom‐ men. Lebte dann in der legendären Hamburger WG „Villa Kunterbunt“samt Udo Lindenberg und Westernhag­en – und begann, um ein bisschen Geld zu verdienen, Anfang der 70er mit Gitarre und Witzchen auf der Bühne. Das führte zur „Otto Show“im Fernsehen, zum Plüschtier Ottifant, zu Kinoerfolg­en wie „Otto, der Film“, „7 Zwerge – Männer allein im Wald“, „Catweazle“, zu Star‐Synchronis­atio‐ nen wie in den „Ice Age“‐Filmen… – und in zwei Ehen und wieder heraus.
Seine Karriere Muss man noch sagen, dass er im ostfriesis­chen Emden geboren wurde? Wer das nicht weiß, kennt wohl Otto Gerhard Waalkes, Sohn eines Malermeist­ers und seit vielen Jahrzehnte­n einer der erfolgreic­hsten deutschen Humoristen, nicht. Eigent‐ lich wollte der ja Kunstmaler werden, wurde aber an der Akademie nicht genom‐ men. Lebte dann in der legendären Hamburger WG „Villa Kunterbunt“samt Udo Lindenberg und Westernhag­en – und begann, um ein bisschen Geld zu verdienen, Anfang der 70er mit Gitarre und Witzchen auf der Bühne. Das führte zur „Otto Show“im Fernsehen, zum Plüschtier Ottifant, zu Kinoerfolg­en wie „Otto, der Film“, „7 Zwerge – Männer allein im Wald“, „Catweazle“, zu Star‐Synchronis­atio‐ nen wie in den „Ice Age“‐Filmen… – und in zwei Ehen und wieder heraus.
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VERONIKA LINTNER
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