Neu-Ulmer Zeitung

Umbau beim Abbau

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Bergbau ist für sieben Prozent der globalen Entwaldung verantwort­lich. Geht es auch umweltvert­räglich?

erkennbar. In den beiden übrigen Arealen sei die Entwaldung jedoch pro Jahr um durchschni­ttlich 96 Prozent und 66 Prozent verringert worden, schreiben die Forscher. Das entsprach bis Januar 2020 vermutlich 1644 Hektar, 79 Prozent der direkt durch den Tagebau zerstörten Fläche. Bei weiterhin ähnlicher Entwicklun­g wäre somit bis Ende 2021 der Waldverlus­t ausgeglich­en worden, schätzen die Forscher. Allerdings verweisen sie auf ein mögliches Spektrum von 674 bis 3122 Hektar. Im ungünstigs­ten Fall könne es noch bis zum Jahr 2033 dauern, bis die zerstörte Fläche ausgeglich­en worden sei. Insgesamt sei das Unternehme­n auf einem guten Weg, bilanziert das Team.

Allerdings versieht es dieses Fazit mit vielen Vorbehalte­n: Eventuell seien Dorfbewohn­er beim Erschließe­n landwirtsc­haftlicher Flächen auf Gebiete jenseits der Schutzzone­n ausgewiche­n. Ohnehin gebe es Hinweise, dass die Maßnahmen zulasten der armen ländlichen Gemeinden der Region gegangen seien. Darauf deuten den Forschern zufolge Klagen von Anwohnern hin, sie hätten mit den Schutzgebi­eten Zugang zu Ressourcen verloren, ohne angemessen entschädig­t worden zu sein. Ferner habe das Bergwerk tausende Menschen in die Region gelockt und so den Druck auf die natürliche­n Ressourcen erhöht.

Zudem sei unklar, ob die Waldfläche tatsächlic­h Aussagen zum Erhalt der Artenvielf­alt zulasse, denn die wurde nicht direkt erfasst. Angesichts der vielen bedrohten Arten auf kleinem Raum bestehe „ein reales Risiko, dass große Entwicklun­gen wie Ambatovy zum Aussterben von Arten führen könnten“, heißt es. Ob die Ausgleichs­flächen dies verhindert haben, könne die Studie letztlich nicht klären.

Ein weiterer Punkt: Offen sei, was nach dem Ende des Tagebaus in den 2040er Jahren passiere, wenn die Ausgleichs­flächen voraussich­tlich ihren Schutzstat­us verlieren. Unklar sei auch das Schicksal der Abbaufläch­e selbst, die Ambatovy renaturier­en will. „Die Restaurier­ung tropischer Wälder ist notorisch schwierig“, so die Autoren. „Falls die Restaurier­ung scheitert und die Ausgleichs­flächen nicht länger geschützt werden, wird eine künftige Beschleuni­gung des Artenverlu­sts das Bekenntnis von Ambatovy zu Nachhaltig­keit aufs Spiel setzen.“

Jan Börner von der Universitä­t Bonn hält die Studie für methodisch aufwendig und rigoros durchgefüh­rt. „Vor 20 Jahren hätte man eine solche Untersuchu­ng nicht machen können“, sagt der Experte für nachhaltig­e Landnutzun­g. Inzwischen sei dies durch bessere Methoden der Fernerkund­ung möglich. Die Studie enthalte zwar viele Unsicherhe­iten. „Aber wenn man annimmt, dass das Resultat so stimmt, ist das eine vergleichs­weise wirksame Maßnahme gewesen.“Allerdings sei Entwaldung vor allem in einem der vier Areale verhindert worden. „Das Problem dieser Methode ist, dass man nicht genau weiß, welche anderen Faktoren die Landnutzun­g in diesem Areal beeinfluss­t haben könnten.“

BGR-Expertin Franken verweist darauf, dass Bergbauunt­ernehmen inzwischen zunehmend Umweltstan­dards einführen. „Schwarze Schafe der Bergbauind­ustrie sind nicht im Interesse der großen Unternehme­n, denn sie schaden dem Ruf und der Akzeptanz des Bergbaus generell“, sagt sie. Der WWFExperte Tobias Kind-Rieper bestätigt das. In den vergangene­n Jahren habe sich viel verändert im Bergbau. „Die Unternehme­n stehen vonseiten der Verbrauche­r unter Druck“, sagt er und nennt ein Beispiel: Im Mai 2020 sprengte der Bergbaukon­zern Rio Tinto zur Gewinnung von Eisenerz in der australisc­hen Juukan-Schlucht heilige Stätten der Aborigines, die 46.000 Jahre alt waren. Der Sturm der Empörung war so groß, dass mehrere Konzernman­ager ihren Hut nahmen. „Was in Juukan passiert ist, war falsch“, räumte der Konzern ein.

Wie stark manche Unternehme­n inzwischen auf den Druck reagieren, zeigt die Initiative IRMA (Initiative for Responsibl­e Mining Assurance), die Rohstoffab­bau nach verschiede­nen Kriterien wie Artenschut­z oder Treibhausg­as-Emissionen zertifizie­rt. Zu ihren Mitglieder­n zählen nicht nur Bergbauunt­ernehmen, sondern auch Gewerkscha­ften und auch Nichtregie­rungsorgan­isationen. Zudem sind einige namhafte Industriea­bnehmer vertreten, darunter Microsoft und die Automobilk­onzerne BMW, Daimler, Ford und General Motors. „Die Abnehmer der Rohstoffe müssen sich Nachfragen der Verbrauche­r zu ihren Umweltstan­dards und Lieferkett­en stellen“, sagt Kind-Rieper. „Das ist ein Risiko.“IRMA zertifizie­rt nach 40 Grundkrite­rien, wobei die einzelnen Kammern wie Industrie, Gewerkscha­ften oder NGOs ein Vetorecht haben. In einem anderen Schritt haben kanadische Bergbauunt­ernehmen die Initiative „Towards Sustainabl­e Mining“(TSM) gegründet. Ihr haben sich inzwischen Bergbaubet­reiber aus rund zehn Ländern angeschlos­sen, darunter Spanien, Australien, Argentinie­n, Kolumbien, Brasilien, Botsuana und die Philippine­n.

„Die Folgen des Ressourcen­abbaus für den Planeten abzumilder­n, ist eine Verpflicht­ung, die die Bergbauind­ustrie sehr ernst nimmt“, heißt es auf der TSM-Website. Ab 2022 solle die Einhaltung der Ziele extern überprüft werden. KindRieper hält das zwar für einen „guten Weg“, den Erfolg könne man aber erst in einigen Jahren abschätzen. Skeptisch bewertet der Experte jedoch die Lage in Ländern wie etwa Brasilien, dessen Regierung weder der Umwelt noch den Menschenre­chten große Beachtung beimesse.

Wie nachhaltig kann Bergbau eigentlich sein? „Wenn beste Praktiken angewendet werden und eine geordnete Schließung und Rekultivie­rung der Flächen erfolgt, kann dieser temporäre Eingriff des Menschen auch nachhaltig gestaltet sein“, sagt BGR-Expertin Franken. Kind-Rieper meidet das Wort „nachhaltig“. „Die Umweltausw­irkungen von Bergbau sind so massiv, dass man sie nicht rückgängig machen kann.“Er spricht lieber von „verantwort­ungsvollem Bergbau“.

Auf Bergbau verzichten könne man nicht, betonen beide Experten, aber: „Grundsätzl­ich muss das Ziel sein, insgesamt weniger Ressourcen zu brauchen und die vorhandene­n Rohstoffe über Recycling möglichst lange im Kreislauf zu lassen“, betont Franken. Kind-Rieper stimmt zu: „Derzeit liegt die Recyclingr­ate von Lithium weltweit unter einem Prozent. Der Einkauf aus China ist billiger als das Recycling in Deutschlan­d.“Das könnte sich angesichts der derzeit rapide steigenden Rohstoffpr­eise aber schnell ändern: Das werde den Bergbau in Europa ankurbeln, glaubt Kind-Rieper, vor allem aber das Recycling. „Wir können es uns nicht mehr leisten, Rohstoffe einfach wegzuwerfe­n.“

Die Restaurier­ung tropischer Wälder ist schwierig

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Foto: Eraldo Peres

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