Sie singt für den Frieden in der Ukraine
Porträt Neben Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko rückt auch seine Frau Natalia mehr in die Öffentlichkeit: mit einem Appell für Frieden und Solidarität.
Nicht selten sind es Frauen, die in unruhigen Zeiten eine große Kraft aufbringen. Die kämpfen, nicht aufgeben, ein Stück der Last mittragen und Stimme ergreifen. Inmitten des Kriegs in der Ukraine gibt es eine Frau, die plötzlich im Licht der Öffentlichkeit steht und die ein ganzes Land zu vertreten scheint: Natalia Klitschko, seit 26 Jahren die Ehefrau von Vitali Klitschko. Ihr Mann ist Ex-Boxweltmeister und seit 2014 Bürgermeister von Kiew. Seit Ausbruch des Krieges kämpft er zusammen mit seinem Bruder Wladimir in seinem Heimatland Ukraine gegen die russische Invasion.
Natalia Klitschko ist nicht dort, wo ihr Mann und einige Mitglieder ihrer Familie sind. Die 48-Jährige lebt mit den drei gemeinsamen Kindern in Hamburg, ihrer Wahlheimat. Dort hat sie nun rund ein Dutzend ukrainischer Geflüchteter aufgenommen, darunter auch ihre 72 Jahre alte Mutter, ihre Schwester und ihren Neffen. Ihre Mutter, hat Klitschko zuletzt erzählt, habe sie erst überreden müssen. Vorher, so sagte es Klitschko Anfang März in der NDR-Talkshow, erhielt sie Anrufe aus dem Bunker von ihrer ausdauernden Mutter, der sie ihren starken Charakter verdanke.
Sie sei es auch, die ihr Mut zusprach und ihr sagte, sie solle sich nicht sorgen.
Als Tochter von Musikern, die in der Großstadt Browary in der Nähe von Kiew geboren wurde, sang Natalia Klitschko im Chor und wollte Gesang studieren – in einer Zeit, in der die Sowjetunion zerfiel, ihre Eltern den Lebensunterhalt verloren und damit auch Klitschkos Traum vom Singen in die Ferne rückte. Eine Zeit lang war sie Kunstschwimmerin im Leistungssport. Einige Jahre vor dem Krieg erschien ihr erstes Album mit dem Titel „Naked Soul“– eine „blanke Seele“. Eine Mischung im Klassik-PopBereich, mit Einflüssen aus Latin, Jazz und Chanson. Sie singt von Liebe, auf Ukrainisch und Russisch; stets lässt sich ihre Verbundenheit mit ihrer Heimat Ukraine spüren.
In den vergangenen Wochen sang sie ebenfalls. Aber nicht auf Klassik-Pop-Festen, nicht bei Boxkämpfen ihres Mannes, sondern bei dem „Sound of Peace“-Konzert in Berlin, einer Friedensdemonstration für die Ukraine, zwischen vielen blaugelben Fahnen vor dem Brandenburger Tor.
In Talk-Sendungen spricht Natalia Klitschko zuletzt viel über den Krieg, über Sorgen und Hoffnung. Täglich, erzählt sie dann, schicke sie ihrem Mann Vitali gleich am Morgen eine Nachricht. Sie frage ihn, wie die Nacht war, ob er noch lebe. Ihr ist bewusst, dass sie ihn wohl erst wiedersehen wird, wenn der Krieg zu Ende ist. Bis dahin wird Natalia Klitschko weiterhin die ukrainische Nationalhymne singen, Spenden für Hilfsaktionen sammeln und als Stimme des ukrainischen Volkes bei den unzähligen Friedensdemonstrationen auf der Bühne stehen – bis die Menschen in ihrem Land wieder in Frieden leben. Sarah Zapf