Wer ist schuld am CDU‐Debakel?
Landtagswahl Für Parteichef Friedrich Merz bedeutet das katastrophale Ergebnis im Saarland eine erste Hypothek. Die Union schiebt die Niederlage gegen die SPD auf „landespolitische Themen“. Viel Zeit zur Aufarbeitung hat sie nicht.
Berlin Zwei Monate ist der neue CDU-Herrscher Friedrich Merz im Amt und hat seinen ersten Erbhof schon krachend verloren: Bei der Landtagswahl im Saarland beendete die SPD eine 22-jährige Regentschaft der Christdemokraten, die 1999 mit Ministerpräsident Peter Müller begann und durch Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Tobias Hans fortgesetzt wurde. Den Stab übernimmt mit einem historisch guten Ergebnis die bisherige Wirtschaftsministerin und SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Ein glaubwürdiger Wahlkampf sei belohnt worden, freute sich die 45Jährige. Sie holte dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis zufolge sogar eine absolute Mehrheit und löste damit in der Berliner Parteizentrale Freudentaumel aus. Mit einem Sieg hatten sie im Willy-Brandt-Haus gerechnet – mit einem so hohen allerdings nicht.
Die Genugtuung der SPD ist mit Blick auf das Saarland doppelt groß. 2017 knallte hier der „Schulz-Zug“gegen die Wand, damals wollte die Partei mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz einen Wahlsieg verbuchen und dann bei der Bundestagswahl im Herbst direkt ins Kanzleramt einfahren. Es kam anders. Die Saarland-CDU holte klar den Sieg und Angela Merkel wurde später auch als Kanzlerin wiedergewählt. Für ihren Nachfolger Olaf Scholz und die SPD bedeutet das Ergebnis der ersten Landtagswahl in diesem Jahr starken Rückenwind.
Scholz wird das Ergebnis im Saarland als Bestätigung seiner Politik verkaufen und dies wohl auch zu Recht. Der SPD-Kursschwenk in der Verteidigungspolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Zickzackkurs seines Gesundheitsministers Karl Lauterbach in der Pandemie hätten schließlich auch Stimmen kosten können.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert freute sich im ZDF auch darüber, dass Rehlinger einen „gordischen Knoten“durchschlagen habe. Von einem „unglaublich tollen Abend“sprach Kühnert, von einem „Erdrutschsieg“. Bei der CDU, die im Saarland seit vielen Jahrzehnten nicht unter 30 Prozent gerutscht war, setzte der erwartete Abwehrreflex ein. Man habe es hier, erklärte CDU-Vize Andreas Jung, mit einer Landtagswahl zu tun, die über „landespolitische Themen“gewonnen worden sei. Diese Themen hätten „im Mittelpunkt gestanden und den Ausschlag gegeben“, sagte der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete.
Die CDU hatte schon früh alle Hoffnungen auf einen Wahlsieg im Saarland fahren lassen. Parteichef Merz schaltete sich nur ein Mal in den Landeswahlkampf ein, Anfang März kam er zur Klausurtagung nach St. Ingbert und offenbarte wie nebenbei die größte Schwäche der
Saarland-CDU: Bei einer Diskussionsveranstaltung überstrahlte Merz den ebenfalls anwesenden Spitzenkandidaten und Saar-CDU-Chef Tobias Hans um ein Mehrfaches, er musste sich dafür noch nicht einmal anstrengen. Hans hingegen blieb so blass wie sein gesamter Wahlkampf.
Mehrfache Ermahnungen aus der Berliner Parteizentrale fanden keinen Widerhall, im Konrad-Adenauer-Haus machte bald der böse Vorwurf die Runde, die Saarländer seien nicht mal ansatzweise kampagnenfähig. Merz konzentriert sich nun voll auf die Landtagswahlen in
Schleswig-Holstein am 8. Mai sowie eine Woche später in NordrheinWestfalen, er will den Umfragevorsprung unbedingt verteidigen. Im Norden liegt die CDU mit Ministerpräsident Daniel Günter laut einer Umfrage von Infratest-Dimap 13 Punkte vor der SPD. In NordrheinWestfalen hat sie sich mit ihrem neuen Regierungschef Hendrik Wüst gerade knapp an der SPD vorbeigeschoben.
Für die Linken im Saarland ist das Ergebnis eine Katastrophe, sie verfehlten den Einzug in den Landtag. Dabei war das kleine Bundesland einmal die stabilste rote Burg im Westen der Republik. Nachdem die Linkspartei schon im Osten nicht mehr verankert ist, gerät sie nun immer mehr in Existenznot. Die SaarLinken hatten sich zuletzt tief zerstritten gezeigt. Dass der ehemalige saarländische Ministerpräsident (damals noch mit SPD-Parteibuch) und spätere Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine kurz vor der Wahl seinen Austritt erklärte, war nur das Ende einer langen Reihe an desaströsen Entwicklungen.
Als große Enttäuschung müssen wohl auch die Grünen die Wahl abhaken. Denkbar knapp scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Wie eine Sprecherin der Landeswahlleiterin am Sonntag sagte, fehlten der Partei „sehr wenige Stimmen“. Die Grünen kamen auf 4,99502 Prozent der Stimmen, beim endgültigen amtlichen Ergebnis seien also noch Abweichungen möglich. Würden die Grünen den Einzug in den Landtag doch noch schaffen, würde dies aber aller Voraussicht nach nichts an der absoluten Mehrheit der SPD ändern.
Knapp nicht in den Landtag hinein schafften es auch die Liberalen. Der lange, dornige Weg, der 2012 begann, geht weiter: Damals löste AKK die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen im Saarland auf und versetzte den Gelben einen Schlag, von dem sie sich seither nicht erholen konnten. Bemerkenswert ist das Abschneiden der AfD. Ihr Landesverband ist sogar der Bundespartei zu nah an den Nazis, trotzdem reichte es für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.
Mit Rehlinger wird die SPD nun bundesweit wieder mehr Ministerpräsidenten als die Union stellen, nämlich acht. Auf den Bundesrat hat das neue Kräfteverhältnis aber keine größeren Auswirkungen. Der Wahlsieg stärkt allerdings die sogenannten A-Länder, also die SPDgeführten Länder – was sich unter anderem auf die Beschlusslage in der Ministerpräsidentenkonferenz auswirken kann.
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