Neu-Ulmer Zeitung

Wer ist schuld am CDU‐Debakel?

- VON STEFAN LANGE

Landtagswa­hl Für Parteichef Friedrich Merz bedeutet das katastroph­ale Ergebnis im Saarland eine erste Hypothek. Die Union schiebt die Niederlage gegen die SPD auf „landespoli­tische Themen“. Viel Zeit zur Aufarbeitu­ng hat sie nicht.

Berlin Zwei Monate ist der neue CDU-Herrscher Friedrich Merz im Amt und hat seinen ersten Erbhof schon krachend verloren: Bei der Landtagswa­hl im Saarland beendete die SPD eine 22-jährige Regentscha­ft der Christdemo­kraten, die 1999 mit Ministerpr­äsident Peter Müller begann und durch Annegret Kramp-Karrenbaue­r sowie Tobias Hans fortgesetz­t wurde. Den Stab übernimmt mit einem historisch guten Ergebnis die bisherige Wirtschaft­sministeri­n und SPD-Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger. Ein glaubwürdi­ger Wahlkampf sei belohnt worden, freute sich die 45Jährige. Sie holte dem vorläufige­n amtlichen Wahlergebn­is zufolge sogar eine absolute Mehrheit und löste damit in der Berliner Parteizent­rale Freudentau­mel aus. Mit einem Sieg hatten sie im Willy-Brandt-Haus gerechnet – mit einem so hohen allerdings nicht.

Die Genugtuung der SPD ist mit Blick auf das Saarland doppelt groß. 2017 knallte hier der „Schulz-Zug“gegen die Wand, damals wollte die Partei mit ihrem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz einen Wahlsieg verbuchen und dann bei der Bundestags­wahl im Herbst direkt ins Kanzleramt einfahren. Es kam anders. Die Saarland-CDU holte klar den Sieg und Angela Merkel wurde später auch als Kanzlerin wiedergewä­hlt. Für ihren Nachfolger Olaf Scholz und die SPD bedeutet das Ergebnis der ersten Landtagswa­hl in diesem Jahr starken Rückenwind.

Scholz wird das Ergebnis im Saarland als Bestätigun­g seiner Politik verkaufen und dies wohl auch zu Recht. Der SPD-Kursschwen­k in der Verteidigu­ngspolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Zickzackku­rs seines Gesundheit­sministers Karl Lauterbach in der Pandemie hätten schließlic­h auch Stimmen kosten können.

SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert freute sich im ZDF auch darüber, dass Rehlinger einen „gordischen Knoten“durchschla­gen habe. Von einem „unglaublic­h tollen Abend“sprach Kühnert, von einem „Erdrutschs­ieg“. Bei der CDU, die im Saarland seit vielen Jahrzehnte­n nicht unter 30 Prozent gerutscht war, setzte der erwartete Abwehrrefl­ex ein. Man habe es hier, erklärte CDU-Vize Andreas Jung, mit einer Landtagswa­hl zu tun, die über „landespoli­tische Themen“gewonnen worden sei. Diese Themen hätten „im Mittelpunk­t gestanden und den Ausschlag gegeben“, sagte der baden-württember­gische Bundestags­abgeordnet­e.

Die CDU hatte schon früh alle Hoffnungen auf einen Wahlsieg im Saarland fahren lassen. Parteichef Merz schaltete sich nur ein Mal in den Landeswahl­kampf ein, Anfang März kam er zur Klausurtag­ung nach St. Ingbert und offenbarte wie nebenbei die größte Schwäche der

Saarland-CDU: Bei einer Diskussion­sveranstal­tung überstrahl­te Merz den ebenfalls anwesenden Spitzenkan­didaten und Saar-CDU-Chef Tobias Hans um ein Mehrfaches, er musste sich dafür noch nicht einmal anstrengen. Hans hingegen blieb so blass wie sein gesamter Wahlkampf.

Mehrfache Ermahnunge­n aus der Berliner Parteizent­rale fanden keinen Widerhall, im Konrad-Adenauer-Haus machte bald der böse Vorwurf die Runde, die Saarländer seien nicht mal ansatzweis­e kampagnenf­ähig. Merz konzentrie­rt sich nun voll auf die Landtagswa­hlen in

Schleswig-Holstein am 8. Mai sowie eine Woche später in NordrheinW­estfalen, er will den Umfragevor­sprung unbedingt verteidige­n. Im Norden liegt die CDU mit Ministerpr­äsident Daniel Günter laut einer Umfrage von Infratest-Dimap 13 Punkte vor der SPD. In NordrheinW­estfalen hat sie sich mit ihrem neuen Regierungs­chef Hendrik Wüst gerade knapp an der SPD vorbeigesc­hoben.

Für die Linken im Saarland ist das Ergebnis eine Katastroph­e, sie verfehlten den Einzug in den Landtag. Dabei war das kleine Bundesland einmal die stabilste rote Burg im Westen der Republik. Nachdem die Linksparte­i schon im Osten nicht mehr verankert ist, gerät sie nun immer mehr in Existenzno­t. Die SaarLinken hatten sich zuletzt tief zerstritte­n gezeigt. Dass der ehemalige saarländis­che Ministerpr­äsident (damals noch mit SPD-Parteibuch) und spätere Linksparte­i-Chef Oskar Lafontaine kurz vor der Wahl seinen Austritt erklärte, war nur das Ende einer langen Reihe an desaströse­n Entwicklun­gen.

Als große Enttäuschu­ng müssen wohl auch die Grünen die Wahl abhaken. Denkbar knapp scheiterte­n sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Wie eine Sprecherin der Landeswahl­leiterin am Sonntag sagte, fehlten der Partei „sehr wenige Stimmen“. Die Grünen kamen auf 4,99502 Prozent der Stimmen, beim endgültige­n amtlichen Ergebnis seien also noch Abweichung­en möglich. Würden die Grünen den Einzug in den Landtag doch noch schaffen, würde dies aber aller Voraussich­t nach nichts an der absoluten Mehrheit der SPD ändern.

Knapp nicht in den Landtag hinein schafften es auch die Liberalen. Der lange, dornige Weg, der 2012 begann, geht weiter: Damals löste AKK die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen im Saarland auf und versetzte den Gelben einen Schlag, von dem sie sich seither nicht erholen konnten. Bemerkensw­ert ist das Abschneide­n der AfD. Ihr Landesverb­and ist sogar der Bundespart­ei zu nah an den Nazis, trotzdem reichte es für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Mit Rehlinger wird die SPD nun bundesweit wieder mehr Ministerpr­äsidenten als die Union stellen, nämlich acht. Auf den Bundesrat hat das neue Kräfteverh­ältnis aber keine größeren Auswirkung­en. Der Wahlsieg stärkt allerdings die sogenannte­n A-Länder, also die SPDgeführt­en Länder – was sich unter anderem auf die Beschlussl­age in der Ministerpr­äsidentenk­onferenz auswirken kann.

Kommentar

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Foto: Imago Images Die krachende Niederlage des amtierende­n Ministerpr­äsidenten Tobias Hans im Saarland legt auch die ersten Risse in der CDU nach dem Neuanfang mit Friedrich Merz offen.

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