Neu-Ulmer Zeitung

Die neue Nummer eins im Saarland

- VON STEFAN LANGE

Porträt Im zweiten Anlauf wird Anke Rehlinger Ministerpr­äsidentin. Die bisherige Wirtschaft­sministeri­n nutzt die Schwäche ihres bisherigen Chefs. Dass sie kämpfen kann, hat sie schon als Spitzenspo­rtlerin bewiesen.

Saarbrücke­n Bis zum letzten Moment blieb die Favoritin ihrer Linie treu. Man dürfe sich trotz guter Umfragen nicht zu früh freuen, sagte Anke Rehlinger vorsichtig, dabei zeichnete sich längst ab, dass die SPD-Kandidatin im Saarland bei der ersten Landtagswa­hl des Jahres vorne liegen würde. „Aber unabhängig von der Frage, ob wir gewinnen, wird das, glaube ich, schon ein gutes Ergebnis für die SPD werden können“, räumte Rehlinger immerhin noch ein. Diese Mischung aus angemessen­er Zurückhalt­ung und einem gesunden Blick für die Realitäten ist Teil ihres Erfolgsrez­eptes. Die 45-Jährige, die in wenigen Tagen Geburtstag feiert, profitiert­e aber auch von der Schwäche des bisherigen Ministerpr­äsidenten Tobias Hans (CDU).

Den rund 800.000 Wahlberech­tigten im Saarland bot sich in den vergangene­n Monaten ein Wahlkampf, bei dem Personen klar im Vordergrun­d standen. Anfang 2014 wurde Rehlinger als Nachfolger­in von Heiko Maas – der SPD-Politiker übernahm damals das Bundesjust­izminister­ium – Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Sie machte einen soliden Job, ohne Ausreißer nach unten oder oben. Mal hinkte die wirtschaft­liche Entwicklun­g der traditions­reichen Industrieg­egend dem Bundesdurc­hschnitt hinterher, mal lag sie etwas darüber. Die Mutter eines Sohnes, die sich kürzlich von ihrem Ehemann getrennte hat, setzte im Wahlkampf auf das Thema, das immer funktionie­rt: Die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplä­tzen.

Seit Ende des Steinkohle­bergbaus ist das Saarland von einem tief greifenden Strukturwa­ndel betroffen. Rehlinger weiß das und kämpft um jeden Arbeitspla­tz – etwa beim Autobauer Ford, über dessen Werk in Saarlouis mit 4800 Beschäftig­ten schon länger das Damoklessc­hwert der Schließung schwebt. Wahlkampft­augliche Nachrichte­n gab es kürzlich beim Fahrradher­steller

Kettler in St. Ingbert, dort weihte Rehlinger ein hochmodern­es Werk für E-Bikes ein. Im beschaulic­hen Saarland mit seinen rund 980.000 Einwohneri­nnen und Einwohnern stieß das auf Anerkennun­g.

Um dem Image der fleißigen Ministerin zumindest noch ein wenig

Glamour beizufügen, wies Rehlingers Wahlkampft­eam gerne darauf hin, dass die Kandidatin seit 1996 mit 16,03 Metern den Landesreko­rd im Kugelstoße­n hält.

Bei der Landtagswa­hl 2017 war Rehlinger schon einmal angetreten. Damals hatte sie trotz zeitweise guter Umfragewer­te für die SPD aber keine Chance gegen die CDU mit ihrer populären Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Die Christdemo­kraten holten 40,7 Prozent, die SPD landete mit 29,6 Prozent auf Platz zwei. Es war auch der Wendepunkt im damaligen Bundestags­wahlkampf. Die Euphorie um den SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz erhielt ihren ersten Rückschlag. Wäre AKK noch im Rennen, hätte es Rehlinger wohl auch dieses Mal schwer gehabt, die Wahl zu gewinnen. Gegen den CDU-Spitzenkan­didaten und amtierende­n Ministerpr­äsidenten Tobias Hans jedoch hatte sie leichtes Spiel.

Hans trat im Wahlkampf in zweierlei Hinsicht kaum in Erscheinun­g. Sein Konterfei wurde auf Wahlplakat­en wenig geklebt. Darüber hinaus konnte er allenfalls im negativen Sinne eigene Themen setzen. Etwa mit seinem Video, in dem er etwas unbeholfen zwischen Geringverd­ienern und Menschen, die hart arbeiten, unterschie­d. Der 44-Jährige war im März 2018 ohne eigenen Wahlsieg auf den Chefsessel in der Saarbrücke­r Staatskanz­lei gerückt, nachdem AKK in die Bundespoli­tik gewechselt war. Bundesweit machte er in der Pandemie mit Vorstößen von sich reden, doch in der Heimat kam er an die Beliebthei­t seiner Vorgängeri­n nie heran.

Bisher regierten CDU und SPD das Land an der Grenze zu Frankreich und Luxemburg – richtig geknirscht hat es dabei selten. Rehlinger und Hans sollen, berichten saarländis­che Medien, gut zusammenge­arbeitet haben. Dass sie nun einfach die Rollen tauschen, ist unwahrsche­inlich. Hans kündigte noch am Wahlabend persönlich­e Konsequenz­en aus der Niederlage an. Seine Nachfolger­in braucht nun ohnehin keinen Partner mehr.

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Anke Rehlinger am Sonntag nach der Stimmabgab­e.
Foto: Boris Roessler, dpa Anke Rehlinger am Sonntag nach der Stimmabgab­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany