Die neue Nummer eins im Saarland
Porträt Im zweiten Anlauf wird Anke Rehlinger Ministerpräsidentin. Die bisherige Wirtschaftsministerin nutzt die Schwäche ihres bisherigen Chefs. Dass sie kämpfen kann, hat sie schon als Spitzensportlerin bewiesen.
Saarbrücken Bis zum letzten Moment blieb die Favoritin ihrer Linie treu. Man dürfe sich trotz guter Umfragen nicht zu früh freuen, sagte Anke Rehlinger vorsichtig, dabei zeichnete sich längst ab, dass die SPD-Kandidatin im Saarland bei der ersten Landtagswahl des Jahres vorne liegen würde. „Aber unabhängig von der Frage, ob wir gewinnen, wird das, glaube ich, schon ein gutes Ergebnis für die SPD werden können“, räumte Rehlinger immerhin noch ein. Diese Mischung aus angemessener Zurückhaltung und einem gesunden Blick für die Realitäten ist Teil ihres Erfolgsrezeptes. Die 45-Jährige, die in wenigen Tagen Geburtstag feiert, profitierte aber auch von der Schwäche des bisherigen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU).
Den rund 800.000 Wahlberechtigten im Saarland bot sich in den vergangenen Monaten ein Wahlkampf, bei dem Personen klar im Vordergrund standen. Anfang 2014 wurde Rehlinger als Nachfolgerin von Heiko Maas – der SPD-Politiker übernahm damals das Bundesjustizministerium – Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Sie machte einen soliden Job, ohne Ausreißer nach unten oder oben. Mal hinkte die wirtschaftliche Entwicklung der traditionsreichen Industriegegend dem Bundesdurchschnitt hinterher, mal lag sie etwas darüber. Die Mutter eines Sohnes, die sich kürzlich von ihrem Ehemann getrennte hat, setzte im Wahlkampf auf das Thema, das immer funktioniert: Die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Seit Ende des Steinkohlebergbaus ist das Saarland von einem tief greifenden Strukturwandel betroffen. Rehlinger weiß das und kämpft um jeden Arbeitsplatz – etwa beim Autobauer Ford, über dessen Werk in Saarlouis mit 4800 Beschäftigten schon länger das Damoklesschwert der Schließung schwebt. Wahlkampftaugliche Nachrichten gab es kürzlich beim Fahrradhersteller
Kettler in St. Ingbert, dort weihte Rehlinger ein hochmodernes Werk für E-Bikes ein. Im beschaulichen Saarland mit seinen rund 980.000 Einwohnerinnen und Einwohnern stieß das auf Anerkennung.
Um dem Image der fleißigen Ministerin zumindest noch ein wenig
Glamour beizufügen, wies Rehlingers Wahlkampfteam gerne darauf hin, dass die Kandidatin seit 1996 mit 16,03 Metern den Landesrekord im Kugelstoßen hält.
Bei der Landtagswahl 2017 war Rehlinger schon einmal angetreten. Damals hatte sie trotz zeitweise guter Umfragewerte für die SPD aber keine Chance gegen die CDU mit ihrer populären Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Christdemokraten holten 40,7 Prozent, die SPD landete mit 29,6 Prozent auf Platz zwei. Es war auch der Wendepunkt im damaligen Bundestagswahlkampf. Die Euphorie um den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz erhielt ihren ersten Rückschlag. Wäre AKK noch im Rennen, hätte es Rehlinger wohl auch dieses Mal schwer gehabt, die Wahl zu gewinnen. Gegen den CDU-Spitzenkandidaten und amtierenden Ministerpräsidenten Tobias Hans jedoch hatte sie leichtes Spiel.
Hans trat im Wahlkampf in zweierlei Hinsicht kaum in Erscheinung. Sein Konterfei wurde auf Wahlplakaten wenig geklebt. Darüber hinaus konnte er allenfalls im negativen Sinne eigene Themen setzen. Etwa mit seinem Video, in dem er etwas unbeholfen zwischen Geringverdienern und Menschen, die hart arbeiten, unterschied. Der 44-Jährige war im März 2018 ohne eigenen Wahlsieg auf den Chefsessel in der Saarbrücker Staatskanzlei gerückt, nachdem AKK in die Bundespolitik gewechselt war. Bundesweit machte er in der Pandemie mit Vorstößen von sich reden, doch in der Heimat kam er an die Beliebtheit seiner Vorgängerin nie heran.
Bisher regierten CDU und SPD das Land an der Grenze zu Frankreich und Luxemburg – richtig geknirscht hat es dabei selten. Rehlinger und Hans sollen, berichten saarländische Medien, gut zusammengearbeitet haben. Dass sie nun einfach die Rollen tauschen, ist unwahrscheinlich. Hans kündigte noch am Wahlabend persönliche Konsequenzen aus der Niederlage an. Seine Nachfolgerin braucht nun ohnehin keinen Partner mehr.