Neu-Ulmer Zeitung

„Dass Bayern kein Windland ist, liegt an der Topografie.“

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Stephan Mayer, CSU‐Generalsek­retär

zu versorgen. So geht Energiewen­de – könnte man meinen. Doch Bayern hat ein Windradpro­blem.

Das Urteil von Wirtschaft­s- und Energieexp­ertin Claudia Kemfert, ob Bayern genug beim Thema Windkraft macht, fällt jedenfalls vernichten­d aus: „Bisher überhaupt gar nicht.“Es gebe kaum Anträge auf neue Windanlage­n, der Ausbau sei nahezu zum Erliegen gekommen. Ein Blick in die Zahlen der Deutschen Windguard GmbH verdeutlic­ht das: Mit 1129 Windrädern liegt Bayern bundesweit auf dem achten Platz – mehr als deutlich hinter Spitzenrei­ter Niedersach­sen und den 6119 Windrädern dort. Betrachtet man die Windraddic­hte, sieht es noch schlechter aus für den Freistaat: 0,02 Windkrafta­nlagen pro Quadratkil­ometer kann Bayern aufweisen. Nach Berlin bedeutet das zusammen mit Baden-Württember­g den vorletzten Platz. In dieser Statistik führt Bremen mit 0,21 Windrädern pro Quadratkil­ometer. Woran liegt das?

Bayern habe eben andere Stärken als Wind, sagt CSU-Generalsek­retär Stephan Mayer gegenüber unserer Redaktion: „Sonne, Wasserkraf­t, Biomasse, Geothermie: Bayern ist überall an der Spitze. Und wir wollen hier auch weiter vorankomme­n.“Deshalb dürfe der Süden von der Ampel nicht benachteil­igt und ausgebrems­t werden. „Deswegen müssen die angekündig­ten Lockerunge­n des Naturschut­zes auch bei der Wasserkraf­t und nicht nur beim Wind greifen.“

Gibt es in Bayern also schlicht weniger Wind? So jedenfalls begründen Ministerpr­äsident Markus Söder und CSU-Generalsek­retär Mayer den schleppend­en Windenergi­eausbau in Bayern. Mayer etwa sagt: „Dass Bayern kein Windland ist, liegt (...) an der Topografie. Deshalb tun sich auch andere Länder wie Baden-Württember­g beim Wind schwer.“Expertin Kemfert hält dagegen: „Wissenscha­ftliche Erkenntnis­se belegen, dass auch in Bayern eine ausreichen­de Windausbeu­te vorhanden ist, die unbedingt genutzt werden muss, um die Versorgung­ssicherhei­t zu gewährleis­ten.“Ähnlich sieht das Windparkch­ef Jürgen Ganz, dessen Firma Vensol die Windräder in Zöschingen betreut. „Das Argument zählt überhaupt nicht. Es wäre vielleicht vor 15 oder 20 Jahren haltbar gewesen.“Mittlerwei­le habe aber die Technik stark aufgeholt. Mit den

Anlagen der heutigen Generation könne man überall in Bayern erfolgreic­h sein.

Dass in Bayern etwas passieren muss, scheint auch der Staatsregi­erung klar zu sein. Am Mittwoch vergangene­r Woche signalisie­rte CSU-Chef Söder auf einem Energiekon­vent in München, dass Bayern mehr für den Ausbau der Windkraft tun wolle. Das Ziel seien „500 XXL-Windräder“, gerne auch mehr. Allerdings soll die umstritten­e 10H-Abstandsre­gel – mit Ausnahmen – weiterhin gelten. Warum eigentlich? „Die 10H-Regel hat die Windkraftd­ebatte in Bayern befriedet und sichert Bürgerbete­iligung“, erklärt CSU-Generalsek­retär Mayer.

Doch wo sollen diese 500 plus x Windräder in Bayern dann stehen? Für Windparkch­ef Ganz, der Söders Aussagen als „populistis­ch“kritisiert, sind das „leere Lippenbeke­nntnisse“der Politik. „Aus planerisch­er Sicht ist das unmöglich.“Neue Anlagen hätten mittlerwei­le eine Gesamthöhe von 240 Metern. Mit der bayerische­n Abstandsre­gel würde das bedeuten, dass das nächste Wohngebiet mindestens 2,4 Kilometer entfernt sein muss. „Bayern ist dicht besiedelt, da ergeben sich keine Flächen für 500 oder mehr Windräder.“Wenn ein signifikan­ter Ausbau der Windenergi­e in Bayern gelingen soll, muss die 10H-Regel fallen, sagt Ganz. Ansonsten sehe er für die Windkraft in Bayern schwarz.

Das sieht auch Energieöko­nomin Kemfert so: Zwei Gutachten hätten gezeigt, dass pauschale Abstandsre­geln schädlich sind und nicht helfen. Die Belange von Naturschut­z sowie Anwohnerin­nen und Anwohnern seien dennoch gut erreichbar. Die wichtigste Maßnahme in Bayern wäre also „eine sofortige Abschaffun­g der 10H-Abstandsre­gel“, sagt Kemfert gegenüber unserer Redaktion. Außerdem gebe es zwei weitere Hebel, mit denen Bayern den Ausbau der Windenergi­e vorantreib­en könnte: „Zwei Prozent der Fläche sollten für Windenergi­e ausgewiese­n werden. Zudem wäre es wichtig, Kommunen, Unternehme­n und Bürgerinne­n und Bürgern eine

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