Neu-Ulmer Zeitung

„Wir sehen einen größeren Lockdown in China mit Sorge“

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Interview Wie der Ukraine-Krieg und die neu aufflammen­de Corona-Epidemie in China die bayerische Wirtschaft belasten.

Herr Brossardt, große Städte in China befinden sich wegen Corona im Lockdown. Werden in Deutschlan­d wieder Güter und Bauteile fehlen oder ist die Wirtschaft inzwischen für Lieferkett­en-Probleme gerüstet?

Bertram Brossardt: Die Produktion­sstopps in China sind mit ein Grund für den aktuellen Mangel an Rohstoffen, Material und Vorprodukt­en. Die Möglichkei­t eines größeren Lockdowns in China sehen wir daher durchaus mit Sorge. Zudem hat der Russland-UkraineKri­eg auch indirekte Negativfol­gen für den Asienhande­l. Transportw­ege zwischen Westeuropa und Asien sind gestört oder unterbroch­en, wie zum Beispiel die Eisenbahns­trecken der sogenannte­n Eisernen Seidenstra­ße durch die Ukraine oder durch Belarus. Auch die gegenseiti­gen Sperrungen der Lufträume behindern die Lieferkett­en zwischen Westeuropa und Asien. Zudem liegen in Russland wichtige Transitflu­ghäfen für Frachtflüg­e aus Asien.

Welche Folgen könnten neue Lockdowns in China auf die konjunktur­elle Erholung dieses Jahr haben? Brossardt: China ist Bayerns größter Außenhande­lspartner. Durch das kurzfristi­ge Schließen von Unternehme­n bei Corona-Fällen wird die chinesisch­e Wirtschaft belastet, das wirkt sich dämpfend auf die Nachfrage nach bayerische­n Produkten aus. Noch kritischer sind unsere Importe aus China zu sehen. China ist das Hauptliefe­rland für Bayern, mehr als elf Prozent unserer Importe kommen von dort. Wichtigste Waren sind Datenverar­beitungsge­räte, elektronis­che und optische Erzeugniss­e sowie elektrisch­e Ausrüstung­en. Zudem wird die chinesisch­e Wirtschaft durch Engpässe in der Energie- und Stromverso­rgung gebremst. Zusammenge­nommen könnte das gravierend­e Auswirkung­en auf die ohnehin unter Druck stehende konjunktur­elle Entwicklun­g haben. Mittelfris­tig bleibt China aber eine dynamisch wachsende Volkswirts­chaft, die unseren Unternehme­n gute Absatzmögl­ichkeiten bietet.

Wie groß sind die Auswirkung­en der Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges?

Brossardt: Klar ist, dass die Belastunge­n für unsere Unternehme­n spürbar sind. Das hängt auch von der Ausgestalt­ung weiterer Sanktionen ab. Entscheide­nd sind die Auswirkung­en in der Summe aller Maßnahmen, die zu einer Verunsiche­rung der Wirtschaft führen. Das betrifft Warenström­e, die Finanzmärk­te und den Energiesek­tor gleicherma­ßen. Die bayerische Wirtschaft steht grundsätzl­ich hinter den Sanktionen, auch wenn sie negative Folgen nach sich ziehen. Wir begrüßen aber auch die Haltung der Bundesregi­erung, dass sie nicht auf Eskalation durch ein Energieemb­argo setzt, sondern auf die Verringeru­ng von Abhängigke­iten. Denn diese sind insbesonde­re bei Erdgas sehr hoch. Interview: Michael Kerler

Bertram Brossardt, 62, studierter Jurist, ist Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayeri‐ schen Wirtschaft (vbw).

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