Odyssee im Weltraum?
Forschung Auf der ISS arbeiten die USA, Europa und Russland eng zusammen. Wie lange noch, das lässt Putins Land offen. Doch die Astronauten müssen sich blind aufeinander verlassen.
Moskau/Houston Eigentlich war es längst Routine. 93 nicht-russische Astronautinnen und Astronauten sind nach Angaben der Raumfahrtbehörde Roskosmos in den vergangenen Jahrzehnten mit einem Raumschiff vom Typ Sojus zur Raumstation ISS oder zurück zur Erde gebracht worden. Am Mittwoch soll nun der US-amerikanische Astronaut Mark Vande Hei gemeinsam mit den Kosmonauten Anton Schkaplerow und Pjotr Dubrow in einer russischen Sojus-Kapsel gegen 9.21 Uhr von der ISS abdocken und gegen 13.28 Uhr in Zentralkasachstan landen.
Doch angesichts des UkraineKriegs hat der Westen beispiellose Sanktionen gegen Moskau verhängt. Die Kooperation zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit Russland wurde von beiden Seiten aufgekündigt. Auch die europäische Raumfahrtagentur Esa prüft die weitere Zusammenarbeit mit Moskau, das europäischrussische Weltraumprojekt „Exomars“wurde ausgesetzt und Russland zog sein Personal vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ab.
Gänzlich eskalieren lassen möchte Russlands Raumfahrtbehörde den Konflikt mit den USA aber nicht. „Die professionelle Zusammenarbeit zwischen den Astronauten und den Kosmonauten an Bord der ISS sowie zwischen den Kontrollzentren in Houston und in Moskau geht unverändert weiter“, heißt es auch von der US-amerikanischen Nasa. Der dort für die ISS zuständige Manager Joel Montalbano sagte jüngst: „Ich kann Ihnen sicher sagen, dass Mark mit der Sojus nach Hause kommt. Wir sind dazu in Kommunikation mit unseren russischen Kollegen, es gibt da kein Getue.“Vande Hei und Dubrow waren am 9. April 2021 zusammen auf der ISS angekommen. Der 55-jährige Vande Hei hat Scott Kelly überholt, der mit 341 aufeinanderfolgenden Tagen zuvor den Rekord für den längsten Aufenthalt eines US-Amerikaners im All hielt.
Die Sanktionen und Spannungen zwischen Russland und dem Westen machen die Flugaktion im Detail nicht einfacher. Wenn die Sojus
Kapsel nach ihren letzten Metern an einem Fallschirm in der Steppe von Kasachstan den Boden erreicht, kreisen bereits Hubschrauber am Himmel – mit Medizinern, Technikern und Experten an Bord, um die Rückkehrer zu versorgen. 20 USHilfskräfte werden Vande Hei dann sofort im Flugzeug zurück in die USA bringen, heißt es von der Nasa. „So machen wir es immer“, sagte Manager Montalbano – in Zeiten, in denen die USA und Russland sich eigentlich gegenseitig die Lufträume sperren, ist das aber kein normales Alltagsprozedere.
Langfristig bleiben in Hinblick auf den gemeinsamen Betrieb der ISS viele Fragezeichen. Roskosmos erinnerte gerade noch einmal öffentlich an das Aus der Raumstation Mir vor 21 Jahren. Am 23. März 2001 leitete Moskau den Sturz der Mir zur Erde ein, nach zuvor mehr als 86.300 Erdumrundungen. Was nicht in der Atmosphäre verglühte, ging als Trümmerhagel im Südpazifik östlich von Neuseeland nieder. Dieses Schicksal könnte auch der ISS drohen. Wegen der Verwerfungen mit dem Westen hat Moskau zunächst offengelassen, ob es seinen Teil der Station bis 2030 weiterbetreiben will.
Auf der ISS selbst ist von den Spannungen – zumindest von außen – nichts zu bemerken. Neben den drei Rückkehrern sind dort derzeit noch die US-Amerikanerinnen und -amerikaner Raja Chari, Thomas Marshburn und Kayla Barron sowie der deutsche Astronaut Matthias Maurer stationiert. Am 18. März – mehrere Wochen nach Kriegsbeginn – waren zudem die drei Russen Oleg Artemjew, Denis Matwejew und Sergej Korssakow dazugekommen und mit Jubel, Händeschütteln und Klatschen begrüßt worden. „Im Weltall gibt es keine Grenzen, man sieht keine Linien zwischen Ländern“, sagte Nasa-Manager Montalbano. „Die Teams arbeiten weiter miteinander. Sie wissen natürlich, was auf der Erde los ist, aber sie sind Profis. Es gibt keine Spannungen im Team. Sie haben sich auf diesen Job vorbereitet – und sie machen ihren Job.“(Christina Horsten und Christian Thiele, dpa)