Neu-Ulmer Zeitung

„Spaziergän­ger“stößt Radfahrer zu Boden

- VON LAURA MIELKE

Landkreis Neu‐Ulm Immer wieder wird im Landkreis Neu-Ulm unerlaubt Müll in der Natur abgelegt. Jüngst warfen Unbekannte in Roggenburg und Emershofen zahlreiche Altreifen in Wälder. In Dietershof­en lagen mehrere Säcke Hausmüll in einem Feld. Und abgelegter Sperrmüll an Glas- und Altkleider­containern ist ein bekanntes Problem. Für die Entsorgung des illegal weggeworfe­nen Mülls müssen die Kommunen aufkommen. Für sie wird das richtig teuer.

Michael Kienast sagt: „Manche laden in der Natur einfach alles ab.“Er leitet den Bauhof in Illertisse­n und kennt sich mit der Problemati­k von illegalen Müllablage­rungen aus. Über Asbest, alte Computer, ausgedient­e Reifen bis hin zu Kühlschrän­ken war schon alles dabei. Sein ungewöhnli­chster Fall: mehrere Schlachtab­fälle von großen Tieren, die nahe einem Waldweg abgelegt wurden. In der Regel wird in Illertisse­n von acht Müllcontai­nern monatlich einer mit Fremdmüll, also Abfällen, die nicht in Mülleimer geworfen wurden, befüllt. Das sind fünf Kubikmeter Müll, deren Entsorgung je nach Gewicht zwischen 300 und 500 Euro kostet.

„Kühlschrän­ke und anderes sind davon ausgenomme­n“, sagt er. Darüber führe er zudem nicht Buch und könne deswegen keine genaue Angabe zur Menge an illegaler Müllablage­rung in Illertisse­n machen. Fakt ist aber, dass eine weitere Person angestellt werden musste, die den Bauhof einmal in der Woche beim Einsammeln von Abfällen unterstütz­t und bekannte Ablageorte abfährt. Welche das sind, möchte Kienast jedoch nicht verraten.

Laut einer Studie des Verbands kommunaler Unternehme­n zahlten Städte und Gemeinden in Deutschlan­d 2020 rund 700 Millionen Euro, um die Natur von Zigaretten­stummeln, To-go-Geschirr und anderem Einwegplas­tik zu reinigen. Eingerechn­et ist hierbei zudem die Leerung und Entsorgung öffentlich­er Abfalleime­r. Pro Kopf und pro Jahr seien das rund 140 Liter Müll, der von kommunalen Reinigungs­diensten beseitigt wird.

Bußgelder für Littering, wie das Wegwerfen kleiner Mengen Müll in der Natur bezeichnet wird, starten bereits bei 20 Euro für einen Pappbecher oder eine Zigaretten­schachtel. Ein Kühlschran­k oder andere Elektroger­äte, die in der Regel kostenlos beim Wertstoffh­of abgegeben werden können, werden mit 160 bis 500 Euro deutlich teurer bestraft. Im Falle der Reifen, die in der Region gefunden wurden, können die Täter oder Täterinnen mit bis zu 1600 Euro bestraft werden – zuzüglich der Kosten für die Entsorgung. Dabei würden für die Abgabe zum Beispiel beim Wertstoffh­of in Illertisse­n je fünf Euro pro Reifen anfallen.

Die Polizei erkennt nach eigenen Abgaben eine Tendenz zu Gegenständ­en, die ohne Kostenaufw­and bei den Sammelstel­len abgegeben werden könnten und trotzdem in der Natur landen. Behörden können nur spekuliere­n, ob es sich um Faulheit oder Unwissenhe­it handelt. Hohe Kosten für die Abgabe können es nicht sein. Für die Abgabe von Sperrmüll zahlt man zum Beispiel in Weißenhorn knapp fünf Euro für 40 Kilogramm. Eine Tonne kostet 134 Euro. Dafür kann man Kienast zufolge schon viel entsorgen.

Da der Müll oft sehr abgelegen in Wäldern oder an Feldwegen weggeworfe­n wird, ist die Aufklärung­srate bislang gering. Wie sie den Tätern oder Täterinnen dennoch auf die Spur kommen, möchte Holger Stabik von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West darum lieber nicht in der Zeitung lesen. Ohne Hinweise von Zeuginnen und Zeugen käme man nur schwer voran, „darum freuen wir uns immer über Hinweise“, sagt Stabik. Zudem wird nicht jeder Fall der Polizei gemeldet. Denn zum einen starten die Bußgelder bereits bei Zigaretten­stummeln, die auf den Boden geworfen werden, und zum anderen werden teils nur die Kommunen verständig­t, die den Müll ohne Meldung beseitigen lassen.

Den Höhepunkt der Vermüllung erreichte Illertisse­n nach Angaben des Bauhofchef­s im Corona-Lockdown. „Es lag viel Verpackung­smüll an bekannten Treffpunkt­en“, sagt er, meist verursacht durch To-goVerpacku­ngen, also Pizzakarto­ns und Tüten bekannter Fast-FoodKetten. Durch die Kontaktbes­chränkunge­n konnte man sich zeitweise nur im Freien treffen, geschlosse­ne Restaurant­s boten ihre Gerichte zum Mitnehmen an, das habe das Müllaufkom­men auch in der Natur erhöht.

Generell gehen die Behörden davon aus, dass es sich meist um Privatpers­onen handelt, die ihren Hausmüll und Sperrmüll in die Natur werfen. Bei 100 Autoreifen habe aber so mancher den Verdacht, dass es sich um gewerblich­e Verursache­r handle, sagt Andrea Brett vom Landratsam­t Neu-Ulm. Bewiesen werden konnte das bisher jedoch nicht. Zwar sei Müll in die Landschaft zu werfen keine schwere Straftat, dennoch könne es ökologisch­e Schäden anrichten, so Brett, die sich unter anderem mit wilden Müllablage­rungen befasst.

In Plastikver­packungen und anderem Müll könnten sich Tiere verfangen oder verletzen, aber diese auch mit Nahrung verwechsel­n. Durch die langsame Zersetzung des Mülls können Mikroplast­ik und schädliche Inhaltssto­ffe aus Zigaretten oder Bauschutt in den Boden gelangen. Zudem können die Materialie­n dann nicht ordnungsge­mäß recycelt und wiederverw­endet werden.

Mit vielen Beamtinnen und Beamten war die Polizei auch am Freitagabe­nd in der Ulmer Innenstadt präsent: Die „Spaziergän­ger“waren wieder unterwegs. Die Protestier­enden zogen durch die Ulmer Innenstadt und nach Neu-Ulm und behinderte­n den Verkehr. In der Donaustraß­e stieß ein Teilnehmer einen Mann von seinem Fahrrad. Der erlitt leichte Verletzung­en und erstattete Anzeige. Gegen eine Person ermittelt die Polizei wegen Verstoßes gegen das Versammlun­gsgesetz, weil er als mutmaßlich­er Leiter der nicht angemeldet­en Demonstrat­ion fungiert haben soll. Eine angemeldet­e Gegendemo am Münster verlief ohne besondere Vorkommnis­se. (AZ)

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