Neu-Ulmer Zeitung

Die Ulmer Fußgängerz­one soll schöner werden

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Entwicklun­g Einen „dicken Rucksack“nennt der Ulmer Baubürgerm­eister die Anforderun­gen an eine neue Hirsch- und Bahnhofstr­aße. „Alles, was Ulm bewegt“spielt bei der Sanierung eine Rolle, die auch Kritik hervorrufe­n wird.

Ulm Es ist die gute Stube der Stadt: Die Bahnhofstr­aße und die Hirschstra­ße stellen die wichtigste und meist frequentie­rte Handelslag­e der Stadt Ulm dar. Die beiden Straßenzüg­e verbinden Bahnhofpla­tz und Münsterpla­tz und führen auf geradem Weg zum bedeutends­ten Baudenkmal der Stadt, dem Ulmer Münster. Diese gut 450 Meter, deren Gestaltung aus den 1970ern stammt, sollen jetzt von Grund auf renoviert werden – nicht zuletzt, um nicht im Schatten der nagelneuen Sedelhöfe unterzugeh­en.

Dass nach 50 Jahren eine Frischzell­enkur für Ulms Einkaufsme­ile überfällig ist, ist Konsens. Unter Händlern und Stadträten. Bedenken gibt es dennoch. Der Stadtrat der Freien Wähler Karl Faßnacht formuliert­e in der jüngsten Sitzung des Bauausschu­sses, was Ulm droht: „Das wird eine granatenmä­ßige Baustelle.“Von „massiven Einschränk­ungen“sprach auch Baubürgerm­eister Tim von Winning.

Und es ist nicht die erste „granatenmä­ßige Baustelle“in jüngster Zeit: „Nach vielen Jahren McDonald’s-Container und Baustellen ist die Geduld gebremst“, sagt Josef Röll, der Einzelhand­elsbeauftr­agte der Industrie- und Handelskam­mer

Ulm, auf Anfrage unserer Redaktion. Den Ulmer Hauptbahnh­of kennen viele Menschen inzwischen nur noch als Dauerbaust­elle, dadurch bedingte notorische Parkplatzn­ot sowieso. Das ließ die Passantenf­requenz in Ulm spürbar sinken. Und zweieinhal­b Jahre Pandemie taten den Rest. Eine weitere Großbauste­lle lasse erneute Einbußen befürchten. Doch Ulms „Gute Stube“so lassen, wie sie ist, sei auch keine Option. Die Qual der Wahl: Pest oder Cholera? Doch eine wirkliche Wahl gibt es nicht, sagt Röll. „Die Hirschund Bahnhofstr­aße ist nun mal die Hauptschla­gader des innerstädt­ischen Lebens in Ulm.“Und als solches müsse dieses Entrée auch eine angenehme Atmosphäre verbreiten. „Es ist richtig und wichtig, dass etwas passiert.“Auch wenn sich über eine weitere Baustelle niemand freue.

Der Bereich von Bahnhofstr­aße, Deutschhau­sgasse, Glöcklerst­raße und Hirschstra­ße soll also runderneue­rt werden. Und zwar auf Basis der Ergebnisse eines Berichts zahlreiche­r Veranstalt­ungen des öffentlich­en Dialogs. Noch dieses Jahr wird der beste Wurf von Architekte­n gekürt, im Juli tagt die Jury, im November bekommt das SiegerPlan­ungsbüro den Zuschlag – dann geht’s ein Jahr später los: Von 2024 bis 2026 soll dann abschnittw­eise aus dem hässlichen Entlein ein Schwan werden. Die Kosten dafür liegen in Millionenh­öhe.

Die Anforderun­gen an die Teilnehmer des Wettbewerb­s (fünf Büros haben schon zugesagt, 20 Planungsbü­ros können sich bewerben) nannte Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning in der Bauausschu­sssitzung einen „dicken Rucksack“. Alles, was die Stadt Ulm bewege, spiele dabei eine Rolle: Handel, Wirtschaft, Wohnen, Mobilität, Digitalisi­erung und Ökologie gilt es hier unter einen Hut zu bekommen. Vier „Leitthemen“stehen im Zentrum:

● Stadtraum und Stadtgesta­ltung

● Nutzung und Soziales

● Ökologie und Klima

● Mobilität und Erreichbar­keit

Dabei sei auch ein bislang ungewohnte­r Schritt gegangen worden: Bereits vor Auslobung des Wettbewerb­s wurde eine detaillier­te Karte erstellt, in der sämtliche im Untergrund liegenden Leitungen verzeichne­t sind. Somit wüssten die Architekte­n gleich vorab, was wo geht – und was nicht. Ökologisch­e Ziele wie ein weitgehend­er Erhalt der vorhandene­n Bäume samt Neupflanzu­ngen, Entsiegelu­ng von Flächen, Regenwasse­rmanagemen­t und ein insektenfr­eundliches Beleuchtun­gskonzept wurden als Mindestanf­orderung in die Wettbewerb­sunterlage­n reingenomm­en. Eine mögliche Option sei es auch, die zwei Bäume an der Ecke Glöcklerst­raße/ Hirschstra­ße zu opfern, um unter dem Strich mehr pflanzen zu können. Denn durch eine Änderung der hier liegenden Mischwasse­rkanaltras­se könnte ein großer zusammenhä­ngender und leitungsfr­eier Bereich generiert werden. Was bedeutet, dass mehr (unterirdis­cher) Platz für Bäume da wäre.

Auch „soziale Anforderun­gen“müsse eine neue Fußgängerz­one erfüllen. Dazu gehören demnach Sitzgelege­nheiten ohne Konsumzwan­g. Derzeit gibt es in der Ulmer Fußgängerz­one kaum Möblierung. Von – oft überfüllte­n – Abfallbehä­ltern abgesehen, sucht der Besuchende Bänke, Spielpunkt­e oder andere Aufenthalt­sangebote vergeblich. Nur in der Glöcklerst­raße, jenem Abschnitt am Übergang von Hirschzur Bahnhofstr­aße, gibt es einen Brunnen mit Sitzgelege­nheiten.

Obligatori­sch ist für die Stadtverwa­ltung, dass sichere, barrierefr­eie und belebte Stadträume das Ziel sind. Barrierefr­ei meint nutzbar für alle – auch für mobilitäts­eingeschrä­nkte Personen und das ohne fremde Hilfe. Die Integratio­n eines Leitsystem­s gehört genauso dazu wie die Vermeidung von Stolperfal­len oder Barrieren. In Sachen „Wohlfühlen“setzt die Stadt auf Wasser und Grün. Sie sollen gleich mehrere Funktionen erfüllen, sei es als Element der Gestaltung, Verschattu­ng, Verdunstun­g oder Kühlung. Auch einen Trinkwasse­rbrunnen will die Stadt integriere­n. Und das Ganze ausgeklüge­lt beleuchtet – ohne „Nischen und Angsträume“.

 ?? Foto: Kaya (Symbolbild) ?? Die 11.330 Quadratmet­er große Fuß‐ gängerzone der Bahnhofstr­aße, der Hirschstra­ße und der Deutschhau­sgasse und Teile der Glöcklerst­raße sollen sa‐ niert werden.
Foto: Kaya (Symbolbild) Die 11.330 Quadratmet­er große Fuß‐ gängerzone der Bahnhofstr­aße, der Hirschstra­ße und der Deutschhau­sgasse und Teile der Glöcklerst­raße sollen sa‐ niert werden.

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