Die Ulmer Fußgängerzone soll schöner werden
Entwicklung Einen „dicken Rucksack“nennt der Ulmer Baubürgermeister die Anforderungen an eine neue Hirsch- und Bahnhofstraße. „Alles, was Ulm bewegt“spielt bei der Sanierung eine Rolle, die auch Kritik hervorrufen wird.
Ulm Es ist die gute Stube der Stadt: Die Bahnhofstraße und die Hirschstraße stellen die wichtigste und meist frequentierte Handelslage der Stadt Ulm dar. Die beiden Straßenzüge verbinden Bahnhofplatz und Münsterplatz und führen auf geradem Weg zum bedeutendsten Baudenkmal der Stadt, dem Ulmer Münster. Diese gut 450 Meter, deren Gestaltung aus den 1970ern stammt, sollen jetzt von Grund auf renoviert werden – nicht zuletzt, um nicht im Schatten der nagelneuen Sedelhöfe unterzugehen.
Dass nach 50 Jahren eine Frischzellenkur für Ulms Einkaufsmeile überfällig ist, ist Konsens. Unter Händlern und Stadträten. Bedenken gibt es dennoch. Der Stadtrat der Freien Wähler Karl Faßnacht formulierte in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses, was Ulm droht: „Das wird eine granatenmäßige Baustelle.“Von „massiven Einschränkungen“sprach auch Baubürgermeister Tim von Winning.
Und es ist nicht die erste „granatenmäßige Baustelle“in jüngster Zeit: „Nach vielen Jahren McDonald’s-Container und Baustellen ist die Geduld gebremst“, sagt Josef Röll, der Einzelhandelsbeauftragte der Industrie- und Handelskammer
Ulm, auf Anfrage unserer Redaktion. Den Ulmer Hauptbahnhof kennen viele Menschen inzwischen nur noch als Dauerbaustelle, dadurch bedingte notorische Parkplatznot sowieso. Das ließ die Passantenfrequenz in Ulm spürbar sinken. Und zweieinhalb Jahre Pandemie taten den Rest. Eine weitere Großbaustelle lasse erneute Einbußen befürchten. Doch Ulms „Gute Stube“so lassen, wie sie ist, sei auch keine Option. Die Qual der Wahl: Pest oder Cholera? Doch eine wirkliche Wahl gibt es nicht, sagt Röll. „Die Hirschund Bahnhofstraße ist nun mal die Hauptschlagader des innerstädtischen Lebens in Ulm.“Und als solches müsse dieses Entrée auch eine angenehme Atmosphäre verbreiten. „Es ist richtig und wichtig, dass etwas passiert.“Auch wenn sich über eine weitere Baustelle niemand freue.
Der Bereich von Bahnhofstraße, Deutschhausgasse, Glöcklerstraße und Hirschstraße soll also runderneuert werden. Und zwar auf Basis der Ergebnisse eines Berichts zahlreicher Veranstaltungen des öffentlichen Dialogs. Noch dieses Jahr wird der beste Wurf von Architekten gekürt, im Juli tagt die Jury, im November bekommt das SiegerPlanungsbüro den Zuschlag – dann geht’s ein Jahr später los: Von 2024 bis 2026 soll dann abschnittweise aus dem hässlichen Entlein ein Schwan werden. Die Kosten dafür liegen in Millionenhöhe.
Die Anforderungen an die Teilnehmer des Wettbewerbs (fünf Büros haben schon zugesagt, 20 Planungsbüros können sich bewerben) nannte Ulms Baubürgermeister Tim von Winning in der Bauausschusssitzung einen „dicken Rucksack“. Alles, was die Stadt Ulm bewege, spiele dabei eine Rolle: Handel, Wirtschaft, Wohnen, Mobilität, Digitalisierung und Ökologie gilt es hier unter einen Hut zu bekommen. Vier „Leitthemen“stehen im Zentrum:
● Stadtraum und Stadtgestaltung
● Nutzung und Soziales
● Ökologie und Klima
● Mobilität und Erreichbarkeit
Dabei sei auch ein bislang ungewohnter Schritt gegangen worden: Bereits vor Auslobung des Wettbewerbs wurde eine detaillierte Karte erstellt, in der sämtliche im Untergrund liegenden Leitungen verzeichnet sind. Somit wüssten die Architekten gleich vorab, was wo geht – und was nicht. Ökologische Ziele wie ein weitgehender Erhalt der vorhandenen Bäume samt Neupflanzungen, Entsiegelung von Flächen, Regenwassermanagement und ein insektenfreundliches Beleuchtungskonzept wurden als Mindestanforderung in die Wettbewerbsunterlagen reingenommen. Eine mögliche Option sei es auch, die zwei Bäume an der Ecke Glöcklerstraße/ Hirschstraße zu opfern, um unter dem Strich mehr pflanzen zu können. Denn durch eine Änderung der hier liegenden Mischwasserkanaltrasse könnte ein großer zusammenhängender und leitungsfreier Bereich generiert werden. Was bedeutet, dass mehr (unterirdischer) Platz für Bäume da wäre.
Auch „soziale Anforderungen“müsse eine neue Fußgängerzone erfüllen. Dazu gehören demnach Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang. Derzeit gibt es in der Ulmer Fußgängerzone kaum Möblierung. Von – oft überfüllten – Abfallbehältern abgesehen, sucht der Besuchende Bänke, Spielpunkte oder andere Aufenthaltsangebote vergeblich. Nur in der Glöcklerstraße, jenem Abschnitt am Übergang von Hirschzur Bahnhofstraße, gibt es einen Brunnen mit Sitzgelegenheiten.
Obligatorisch ist für die Stadtverwaltung, dass sichere, barrierefreie und belebte Stadträume das Ziel sind. Barrierefrei meint nutzbar für alle – auch für mobilitätseingeschränkte Personen und das ohne fremde Hilfe. Die Integration eines Leitsystems gehört genauso dazu wie die Vermeidung von Stolperfallen oder Barrieren. In Sachen „Wohlfühlen“setzt die Stadt auf Wasser und Grün. Sie sollen gleich mehrere Funktionen erfüllen, sei es als Element der Gestaltung, Verschattung, Verdunstung oder Kühlung. Auch einen Trinkwasserbrunnen will die Stadt integrieren. Und das Ganze ausgeklügelt beleuchtet – ohne „Nischen und Angsträume“.