Neu-Ulmer Zeitung

SPD sieht sich auf Erfolgskur­s

- VON BERNHARD JUNGINGER

Hintergrun­d Der Triumph der Sozialdemo­kraten im Saarland soll nur der Auftakt einer Siegesseri­e gewesen sein. Doch nicht überall stehen die Chancen so gut.

Berlin „Die Sozialdemo­kratie ist in voller Stärke da“, sagt Anke Rehlinger am Tag nach ihrem Triumph bei der Landtagswa­hl im Saarland. Sie hat Amtsinhabe­r Tobias Hans (CDU) vom Thron gestoßen, ganz ohne Koalitions­partner kann sie künftig im Saarbrücke­r Landtag regieren. Ein Erfolg, den Beobachter recht einfach erklären: Rehlinger kommt mit ihrer leutselige­n Art bestens an im zweitklein­sten Bundesland, wo jeder fast jeden kennt.

Sie hat sich als Wirtschaft­sministeri­n, die um jeden Job kämpft, einen größeren Amtsbonus als der Ministerpr­äsident erarbeitet. Und im Wahlkampf fast alles richtig gemacht. Doch wie immer dreht sich die Nachlese vor allem darum, was das Ergebnis denn mit der Bundespoli­tik zu tun hat. Im vorliegend­en Fall geht es also um den Beitrag von SPD-Kanzler Olaf Scholz und der Bundespart­ei am Sieg. Rehlinger, die stellvertr­etende Parteivors­itzende ist, weiß genau, was in dieser Situation von ihr erwartet wird. Im Willy-Brandt-Haus, der Bundespart­eizentrale, bedankt sie sich zuallerers­t für die „großartige Unterstütz­ung aus Berlin“, nennt dabei brav den Kanzler, der tüchtig mitgeholfe­n habe, spricht von einer

„Gemeinscha­ftsleistun­g“. Parteichef­in Saskia Esken lobt natürlich zuerst die Gewinnerin: „Das ist der Sieg von Anke Rehlinger und der Saar-SPD“, nur um dann ebenfalls den „Rückenwind“aus Berlin zu unterstrei­chen.

Doch ob sich das im Angesicht der Ukraine-Krise gestiegene Vertrauen in den Bundeskanz­ler auch für die SPD im Saarland ausgezahlt hat, darüber gehen die Ansichten auseinande­r. Für den Demoskopen Manfred Güllner etwa taugt das Ergebnis der Wahl im kleinen Saarland nicht als Gradmesser für die politische Stimmung in Republik. Der Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa sieht einen „Sympathieb­onus“für Rehlinger, die eklatante Schwäche der Linksparte­i und eine extrem niedrige Wahlbeteil­igung als wahlentsch­eidend. Die SPD habe am Sonntag im Vergleich zur Bundestags­wahl sogar Stimmen eingebüßt. Güllner erkennt „keinerlei Signalwirk­ung auf die kommenden Landtagwah­len in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit völlig anders gelagerten Rahmenbedi­ngen vor Ort“.

Zu einer gänzlich anderen Einschätzu­ng kommt der Deutsche Gewerkscha­ftsbund. In einer aktuellen Auswertung heißt es: „Die Landtagswa­hl im Saarland hat insofern

Einfluss auf die Bundespoli­tik, indem sie bei allen landespoli­tischen Gegeben- und Besonderhe­iten eine Zustandsbe­schreibung der gesellscha­ftlichen Stimmung ist.“So empfinden das viele in der SPD, wenn auch aus einer schmerzhaf­ten Erfahrung heraus. 2017 war Martin Schulz als Parteichef und Kanzlerkan­didat mit enormen Zustimmung­swerten gestartet, doch dann musste er eine Landtagswa­hlschlappe nach der anderen erklären. Die Bilder in der Rolle des Wahlverlie­rers blieben an ihm haften wie Teer, bei der Bundestags­wahl holte er das schlechtes­te SPD-Ergebnis aller Zeiten. Aus dem Schulz-Trauma wurden Lehren gezogen. Eine in den Jahrzehnte­n zuvor ungekannte Geschlosse­nheit trug schließlic­h entscheide­nd zum Wahlsieg von Olaf Scholz bei, während sich die Union im Streit um die Nachfolge von Langzeitka­nzlerin Angela Merkel (CDU) selbst zerlegte. Selbst in der Ukraine-Krise konnten sich die Sozialdemo­kraten die Einheit nach Außen erhalten, obwohl die ScholzPlän­e zur Ertüchtigu­ng der Bundeswehr vielen auf dem linken Parteiflüg­el nicht gefallen. So hoffen die Parteistra­tegen, dass sich die Erfolgsser­ie weiter fortsetzt – auch wenn das zunächst nicht einfach scheint.

Schon am 8. Mai steht im hohen Norden der nächste Urnengang an. Daniel Günther (CDU) kann sich in Schleswig-Holstein wohl auf einen soliden Amtsbonus verlassen. SPDHerausf­orderer Thomas LosseMülle­r ist noch weithin unbekannt. Weit spannender dürfte es eine Woche später im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland werden. In NordrheinW­estfalen sehen die Umfragen zwar einen Vorsprung für CDU-Mann Hendrik Wüst, doch der hat sich noch nicht verfestigt. Für Herausford­erer Thomas Kuschaty von der SPD heißt das, dass das Rennen für die SPD noch nicht gelaufen ist.

Am 9. Oktober wählt Niedersach­sen, wo seit 2013 mit dem SPDMann Stephan Weil die Bodenständ­igkeit in Person regiert. Dass Herausford­erer Bernd Althusmann von der CDU ihn beim nunmehr zweiten Anlauf ablösen kann, scheint unwahrsche­inlich. Mit Erfolgen zu Beginn und zu Ende des Super-Landtagswa­hljahres könnten die Sozialdemo­kraten bestens leben, selbst wenn es dazwischen eine oder zwei Niederlage­n setzt.

Denn dann würde auch zu Jahresende noch gelten, was Saskia Esken nach dem Rehlinger-Triumph so genüsslich betont: Die Hälfte der 16 Bundesländ­er wird nun von SPDLeuten geführt.

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach dem Sieg seiner Partei bei der Wahl im Saarland den Blick nach vorn gerichtet.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach dem Sieg seiner Partei bei der Wahl im Saarland den Blick nach vorn gerichtet.

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