SPD sieht sich auf Erfolgskurs
Hintergrund Der Triumph der Sozialdemokraten im Saarland soll nur der Auftakt einer Siegesserie gewesen sein. Doch nicht überall stehen die Chancen so gut.
Berlin „Die Sozialdemokratie ist in voller Stärke da“, sagt Anke Rehlinger am Tag nach ihrem Triumph bei der Landtagswahl im Saarland. Sie hat Amtsinhaber Tobias Hans (CDU) vom Thron gestoßen, ganz ohne Koalitionspartner kann sie künftig im Saarbrücker Landtag regieren. Ein Erfolg, den Beobachter recht einfach erklären: Rehlinger kommt mit ihrer leutseligen Art bestens an im zweitkleinsten Bundesland, wo jeder fast jeden kennt.
Sie hat sich als Wirtschaftsministerin, die um jeden Job kämpft, einen größeren Amtsbonus als der Ministerpräsident erarbeitet. Und im Wahlkampf fast alles richtig gemacht. Doch wie immer dreht sich die Nachlese vor allem darum, was das Ergebnis denn mit der Bundespolitik zu tun hat. Im vorliegenden Fall geht es also um den Beitrag von SPD-Kanzler Olaf Scholz und der Bundespartei am Sieg. Rehlinger, die stellvertretende Parteivorsitzende ist, weiß genau, was in dieser Situation von ihr erwartet wird. Im Willy-Brandt-Haus, der Bundesparteizentrale, bedankt sie sich zuallererst für die „großartige Unterstützung aus Berlin“, nennt dabei brav den Kanzler, der tüchtig mitgeholfen habe, spricht von einer
„Gemeinschaftsleistung“. Parteichefin Saskia Esken lobt natürlich zuerst die Gewinnerin: „Das ist der Sieg von Anke Rehlinger und der Saar-SPD“, nur um dann ebenfalls den „Rückenwind“aus Berlin zu unterstreichen.
Doch ob sich das im Angesicht der Ukraine-Krise gestiegene Vertrauen in den Bundeskanzler auch für die SPD im Saarland ausgezahlt hat, darüber gehen die Ansichten auseinander. Für den Demoskopen Manfred Güllner etwa taugt das Ergebnis der Wahl im kleinen Saarland nicht als Gradmesser für die politische Stimmung in Republik. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa sieht einen „Sympathiebonus“für Rehlinger, die eklatante Schwäche der Linkspartei und eine extrem niedrige Wahlbeteiligung als wahlentscheidend. Die SPD habe am Sonntag im Vergleich zur Bundestagswahl sogar Stimmen eingebüßt. Güllner erkennt „keinerlei Signalwirkung auf die kommenden Landtagwahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit völlig anders gelagerten Rahmenbedingen vor Ort“.
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund. In einer aktuellen Auswertung heißt es: „Die Landtagswahl im Saarland hat insofern
Einfluss auf die Bundespolitik, indem sie bei allen landespolitischen Gegeben- und Besonderheiten eine Zustandsbeschreibung der gesellschaftlichen Stimmung ist.“So empfinden das viele in der SPD, wenn auch aus einer schmerzhaften Erfahrung heraus. 2017 war Martin Schulz als Parteichef und Kanzlerkandidat mit enormen Zustimmungswerten gestartet, doch dann musste er eine Landtagswahlschlappe nach der anderen erklären. Die Bilder in der Rolle des Wahlverlierers blieben an ihm haften wie Teer, bei der Bundestagswahl holte er das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten. Aus dem Schulz-Trauma wurden Lehren gezogen. Eine in den Jahrzehnten zuvor ungekannte Geschlossenheit trug schließlich entscheidend zum Wahlsieg von Olaf Scholz bei, während sich die Union im Streit um die Nachfolge von Langzeitkanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst zerlegte. Selbst in der Ukraine-Krise konnten sich die Sozialdemokraten die Einheit nach Außen erhalten, obwohl die ScholzPläne zur Ertüchtigung der Bundeswehr vielen auf dem linken Parteiflügel nicht gefallen. So hoffen die Parteistrategen, dass sich die Erfolgsserie weiter fortsetzt – auch wenn das zunächst nicht einfach scheint.
Schon am 8. Mai steht im hohen Norden der nächste Urnengang an. Daniel Günther (CDU) kann sich in Schleswig-Holstein wohl auf einen soliden Amtsbonus verlassen. SPDHerausforderer Thomas LosseMüller ist noch weithin unbekannt. Weit spannender dürfte es eine Woche später im bevölkerungsreichsten Bundesland werden. In NordrheinWestfalen sehen die Umfragen zwar einen Vorsprung für CDU-Mann Hendrik Wüst, doch der hat sich noch nicht verfestigt. Für Herausforderer Thomas Kuschaty von der SPD heißt das, dass das Rennen für die SPD noch nicht gelaufen ist.
Am 9. Oktober wählt Niedersachsen, wo seit 2013 mit dem SPDMann Stephan Weil die Bodenständigkeit in Person regiert. Dass Herausforderer Bernd Althusmann von der CDU ihn beim nunmehr zweiten Anlauf ablösen kann, scheint unwahrscheinlich. Mit Erfolgen zu Beginn und zu Ende des Super-Landtagswahljahres könnten die Sozialdemokraten bestens leben, selbst wenn es dazwischen eine oder zwei Niederlagen setzt.
Denn dann würde auch zu Jahresende noch gelten, was Saskia Esken nach dem Rehlinger-Triumph so genüsslich betont: Die Hälfte der 16 Bundesländer wird nun von SPDLeuten geführt.